A Killer Romance
(Richard Linklater)
Originaltitel: Hit Man, USA 2023, Buch: Richard Linklater, Glen Powell, Vorlage: Skip Hollandsworth (Magazin-Artikel), Kamera: Shane F. Kelly, Schnitt: Sandra Adair, Musik: Graham Reynolds, Kostüme: Juliana Hoffpauir;, Production Design: Bruce Curtis, Art Direction: Rodney Becker, Set Decoration: Markus Wittmann, mit Glen Powell (Gary Johnson), Adria Arjona (Madison Masters), Austin Amelio (Jasper), Retta (Claudette), Molly Bernard (Alicia), Sanjay Rao (Phil), Molly Bernard (Alicia), Gralen Bryant Banks (Sergeant Hawk), Mike Markoff (Craig), Richard Robichaux (Joe), 113 Min., Kinostart: 4. Juli 2024
Eine der interessantesten Produktionsphasen der Hollywood-Filmgeschichte ist nach wie vor die Pre-Code-Zeit Anfang der 1930er, kurz nach der Einführung des Tonfilms, kurz bevor ein striktes Korsett von selbstauferlegten Regeln das mitunter schlüpfrige oder in Moralfragen suspekte Filmbusiness reichlich zusammenstutzte. Gerade aus heutiger Sicht ist der Hays Code nicht weniger als eine harte, künstlerische Ausdrucksformen negierende Zensur, doch noch ein knappes Jahrhundert später prägen bestimmte Moralvorstellungen à la »crime doesn't pay« noch immer viele einen Großteil der Mainstream-Hollywood-Produktionen.
Wenn solche Wertvorstellungen mal durchbrochen werden, und beispielsweise ein kriminell (aber zumeist sympathischer) Protagonist trotz seiner »Untaten« mit einem Happy End belohnt wird, dann kann das durchaus erfrischend sein. Ich persönlich finde in solchen Fällen aber auch immer von interessant, ob dabei eine gewisse Botschaft mitklingt, oder wie der Tonfall solch einer Geschichte ausfällt.
Eines meiner Lieblingsbeispiele, wo der »Böse« quasi gewinnt, ist The Player von Robert Altman, wo Tim Robbins als etwas schmieriger studio executive Griffin Mills ganz sicher ein klares Feindbild für den Independent-Regisseur Altman darstellt, er aber in einer satirischen Großtat mit einem glasklaren Happy End belohnt wird, obwohl er im Berufsleben genau jene Filme in die Wege leitet, die Kommerz immer vor eine künstlerische Vision stellen. Und nebenbei ist er noch ein Paradebeispiel für den Umstand, den man in der englischen Sprache mit »getting away with murder« umschreibt.
© Leonine
Gerade in Action-Thrillern rund um toughe Cops gehörte es gerade in den 1980er und auch noch 90ern zum vermeintlich guten Ton, dass die äußerst negativ gezeichneten Kriminellen oft in einer vom Drehbuch wie »Notwehr« zurechtgebastelten Tat statt im Gefängnis auf dem Friedhof landen, wobei die durch die Umstände gerechtfertigte Tat aber dennoch rein filmisch dem genretypischen Showdown entspricht. Sowas kann man eine verlogene Doppelmoral nennen, offensichtlich verlangt ein großer Anteil des Publikums aber nach solcher alttestamentarischen Schwarz-Weiß-Gerechtigkeit, die eigentlich keine ist. Ein bekanntes Beispiel aus der Filmgeschichte betrifft Glenn Close in ihrer vielleicht bekanntesten Rolle in Fatal Attraction, wo sie eine Affäre mit dem verheirateten Michael Douglas hat, dann aber (auch ein seltsames Beispiel für »Moralvorstellungen«) gewisse Besitzansprüche stellt, durchaus unsympathische bis überzogene Charakterzüge entwickelt, während der klar positive gezeichnete Douglas einfach nur seine Ehe mit halbwegs weißer Weste retten will (hierbei nie aus den Augen verlieren, dass ein Kerl, der µrumschläft«, ein toller Typ ist, während eine Frau, die ihre Sexualität ausleben will, zumeist in die Kategorie »Schlampe« einsortiert wird). Bei Testvorführungen des ursprünglichen Filmendes sollen Zuschauer (und -innen) »Kill that bitch!« gerufen haben, und dieser Wunsch wurde von den Filmemacher dann auch erfüllt.
Statt nach bestehenden Gesetzen wird im Kino gern nach Sympathie- und Antipathie-Vergabe über das Schicksal der Filmfiguren entschieden. Und da das Drehbuch oft als Richter und Henker fungiert, damit die Helden möglichst strahlend da stehen, muss man eine gewisse Transferleistung erbringen, um die umfassenden Unterschiede zwischen bestehender Rechtsschreibung im realen Leben von der Hollywood-Moral zu erkennen.
Zum Film, eine sehr unterhaltsame Liebesgeschichte zwischen einem »Teilzeit-Polizisten«, der als vermeintlicher Auftragskiller Beweismittel gegen Menschen, die seine Dienste in Anspruch nehmen wollen, sicherstellt. Bis er auf eine sympathische junge Frau trifft, die eigentlich will, dass er ihren Mann tötet, doch Gary (Glen Powell) »erkennt«, dass sie eigentlich nicht richtig kriminell ist, sondern nur vom rechten Pfad abgekommen. Und ausnahmsweise klicken nach dem Geschäftsgespräch mal nicht die Handschellen, sondern Gary entscheidet eigenmächtig, Madison (Adria Arjona) laufenzulassen, stellt das aber vor seinen Polizeikollegen wie ein ungünstig verlaufenes Gespräch dar.
© Leonine
Dieser anfängliche Impuls, der in der Filmhandlung aus einer abstrusen Story eine richtige Räuberpistole macht, ist eine der letzten Szenen aus einem Magazin-Artikel über eine existente Person, die so einen Nebenjob wie Gary bekleidete. Doch alles, was jetzt folgt, wurde von den Drehbuchautoren (Regisseur Richard Linklater und der Gary-Darsteller himself) dazuerfunden, nach dem gern in Superhelden-Comics verwendeten »What if«-Prinzip.
In Hit Man, dem man für den deutschen Kinostart lieber den (superdeutschen) Verleihtitel »A Killer Romance« gab, geht es um diese Liebesgeschichte, um den eigentlich sterbenslangweiligen Psychologie-Dozenten Gary, der nach einem eher zufällig übernommenen Auftritt als Fake-Killer ein Faible dafür entwickelt, seine »Figur« des Auftragmörders den unterschiedlichen Verdächtigen auf den Leib zu schneidern, und um ein Versteck- und Katz-und-Maus-Spiel zwischen Gary, Madison, die nach dem Mord an ihrem Mann zur Hauptverdächtigen wird, und Garys Polizeikollegen, die am besten nie erfahren sollten, dass er sich seit einiger Zeit mit der Frau trifft, die ihn einst dafür engagieren wollte, ihren Mann zu töten.
Und die immer noch denkt, er sei ein (richtiger) Auftragskiller.
© Leonine
Die Sache mit der Lüge gleich zu Beginn einer entstehenden Beziehung, die dann später fast alles kaputtmacht, ist ein gern benutzter Kniff in RomComs, der Umstand, dass man sich als Zuschauer irgendwann nicht mehr sicher ist, wer denn jetzt eigentlich Madisons Mann getötet hat, und ob Gary und / oder Madison nur in Gefahr schweben, für ihre Verbrechen zahlen zu müssen, oder ob nicht sogar irgendwelche Drogenhändler hinter ihnen her sind, ist nicht so Standard-RomCom-Material, aber das schadet ja auch nicht.
Ich mag diese Art von Filmen eigentlich sehr, wo die Figuren immer wieder kurzfristig umdenken müssen, weil unterschiedliche Fraktionen mehr oder weniger von ihren Aktionen wissen sollen / dürfen. Und zwar nicht im Sinne von Doppelagenten, die an zwei Fronten agieren und täglich um ihr Leben fürchten müssen, sondern in vergleichsweise lockeren Polizeikomödien wie John Badhams Stakeout oder Carl Franklins Out of Time)
Auf diesem Level kann Hit Man abliefern, doch wenn man irgendwann gegen Ende des Films darüber nachdenkt, wer jetzt welche Taten begang, und wer dafür wie hart bestraft wurde, ist ein unschöner Geschmack im Mund gut möglich. Dass Linklater und Powell sich diesem voll bewusst waren, aber mit diesem moralischen Dilemma bis an die Grenzen des guten Geschmacks spielen, macht es nicht unbedingt besser.
Wenn es im Film weniger um eine doch eher oberflächliche Liebesgeschichte gegangen wäre, und man bei den »Bösen« die vom Drehbuch bestraft werden, nicht so 1:1 uralte Klischees abspulen würde, hätte ich vielleicht satirische Ansätze erkannt, aber nicht nur sehe ich das nicht, auch finde ich die plumpen Gags zu den Themen Philosophie und vor allem Psychologie fast schon peinlich (beim Original-Gary-Johnson handelte es sich um einen Buddhisten) sowie nicht zeitgemäß und hätte mit den interessanten Nebenfiguren gern mehr Szenen gehabt, denn so ein supertolles Liebespaar sind Gary and Madison irgendwie doch nicht.