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11. Januar 2023
Thomas Vorwerk
für satt.org


  M3gan (Gerard Johnstone)


M3gan
(Gerard Johnstone)

Originaltitel: M3gan, USA 2022, Story: Akela Cooper, James Wan, Buch: Akela Cooper, Kamera: Peter McCaffrey, Simon Raby, Schnitt: Jeff McEvoy, Musik: Anthony Willis, Production Design: Kim Sinclair, Kostüme: Daniel Cruden, mit Allison Williams (Gemma), Violet McGraw (Cady), Amy Donald (M3gan), Jenna Davis (Stimme M3gan), Ronny Chieng (David), Jen van Epps (Tess), Brian Jordan Alvarez (Cole), Stephane Garneau-Monten (Kurt), Amy Usherwood (Lydia), Lori Dungey (Celia), 102 Min., Kinostart: 12. Januar 2023

Vorweg: ich bin kein Freund von in Worten eingebauten Zahlen, die ich als nicht so »witzig« erachte, wie sie manchen Kreativlingen zu erscheinen scheinen. Für mich wird David Finchers Seven immer Seven sein, und kein Ungetüm, in dem eine 7 angeblich dem Buchstaben V ähnlich sein soll. Und seitdem gab es da immer mehr Beispiele für, die ich aber alle erfolgreich aus meinem Langzeitgedächtnis verbannen konnte (offenbar waren die entsprechenden Filme wohl auch nicht besonders gut). Bei M3gan ist eigentlich die visuelle Auflösung im Film deutlich gelungener als das Ding mit der 3. Dort wird nämlich eine Art »Hamburger-Menü« benutzt, also drei horizontale Striche übereinander, die ein wenig an den Querschnitt eines Burgers erinnern, wie er in vielen Browsern und Programmen benutzt wird. Hier soll dies aber an die Balken erinnern, die z.B. auf Handys die Netzstärke oder den verbleibenden Akku-Strom anzeigen. Das wird dann in den Filmtrailern eingesetzt, um die Gefährlichkeit der »voll aufgeladenen« M3gan anzudeuten. Da wird augenblicklich klar, dass es sich bei der Titelheldin nicht um ein normales Mädchen handelt.

M3gan-Titel

Da der Name »M3gan« in der Filmhandlung aber als Akronym erklärt wird, als »Model 3 Generative ANdroid«, will ich aber versuchen, meine Ablehnung für die Schreibweise zu unterdrücken. Auch, wenn die beiden anzunehmenden Vorläufermodelle von M3gan vermutlich ganz anders hießen ... oder die Ähnlichkeit zu Mädchennamen vermissen ließen.

Model 1 Robotic Toy Lifelike Experience?

Aus der frühen Entwicklungsphase des bahnbrechenden Spielzeugprodukts gibt es zu Beginn tatsächlich ein paar kleine Szenen, die mich ein wenig an die erste Szene von John Carpenters Christine erinnerte. Aber hier geht es nicht um das ultimative Böse, sondern man gibt sich Mühe, die spätere Gefahr zunächst sehr ambivalent einfließen zu lassen.

Ein Element, das in den Trailern gar nicht vorkommt, sind Werbe- und Nachrichtenclips, die einem Einblicke verschaffen, wie die breite Öffentlichkeit von der Spielzeug-Revolution erfährt. Die Firma dahinter, »Funki« (the fun company), hat zuvor einen großen Erfolg mit den Furby-ähnlichen »Purr-petual Petz«, die durchaus das Potential haben, als Gremlins-ähnliche Nebengefahren in möglichen Fortsetzungen aufzutauchen. Der global geplante Launch von M3gans wird im Film immerhin erwähnt, ich hatte tatsächlich im Kinosessel drauf gelauert, dass diese Potenzierung der Gefahr (wie von Ridley Scotts Alien zu James Camerons Aliens) im Film zumindest angespielt wird.

M3gan (Gerard Johnstone)

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Aber lasst uns nicht zu weit vorgreifen. Zunächst sieht man Cady (Violet McGraw, hatte schon Auftritte in Doctor Sleep und als junge Version von Florence Pugh in Black Widow), ein angeblich neunjähriges Mädchen, auf dem Rücksitz des Familienautos, auf dem Weg zu einem großen Familien-Skiurlaub. Cady hat auch so eine sprechende und gern pupsende Elektro-Puppe, und man erfährt, dass dies ein Geschenk ihrer Tante war, die offenbar Entwicklerin bei Funki ist. Eh man sich versieht, ist Tante Gemma (Allison Williams aus Get Out, die hier auch mitproduziert hat) versuchsweise der Vormund der nach einem Autounfall verwaisten Cady, und von dieser Situation reichlich überfordert. Laut Eigenauskunft kann sie nicht einmal Zimmerpflanzen am Leben halten.

Nicht annähernd so schnell, wie ich es hier nacherzähle, kommt Gemma aber auf die Idee, den Prototyp ihres ultimativen Spielzeugs, eine lebensgroße Puppe mit künstlicher Intelligenz, die »hauptberuflich« um das Wohlergehen von Cady bemüht ist und gleichzeitig auch ihre beste Freundin wird, für die Bewältigung ihres persönlichen Dilemmas einzusetzen.

Interessant ist hierbei vor allem, dass Gemma dies nicht völlig uneigennützig macht, denn wegen einiger kostspieligen Probleme mit M3gan muss sie befürchten, von ihrem Chef gefeuert oder sogar verklagt zu werden, und die Interaktion der Puppe mit einem echten Mädchen kann halt deutlich besser die Vorteile des M3gan-Modells aufzeigen als eine Powerpoint-Präsentation oder ein teurer Werbeclip. Nur vergisst Gemma darüber u.a., dass M3gan nur eine Unterstützung der Erziehungsberechtigen sein soll. Und kein Ersatz. Diese psychologische Ebene des Films, die auch dazu benutzt wird, erst zwischen Gemma und Cady einen Keil zu treiben, ehe sich dann beide an die wichtigeren Familienwerte erinnern, funktioniert ziemlich gut und gehört zu den besten Ideen im Drehbuch.

M3gan (Gerard Johnstone)

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Wenn M3gan (Amy Donald) mit guten erzieherischen Ratschlägen auftrumpft, dann aber von Gemma leiser gestellt oder gar ausgeschaltet wird (die Gemüse-Szene, auch prominent im Trailer), zeigt sich schnell das Konflikt-Potential der Situation. Wobei M3gan mit ihrem nicht völlig natürlichen Aussehen schon mit geringsten Nuancen den Zuschauer dazu bewegt, psychologische Veränderungen der späteren Mörderpuppe zu erahnen.

Ich habe meinen Kinokonsum wegen des notwendigen Broterwerbs ziemlich runtergefahren. Im Fall von M3gan waren es die Trailer, die mich davon überzeugten, dass ich bei diesem Film Spaß haben werde. Denn gerade die spielerische Natur von M3gan, die der Bedrohung eine besondere Note gibt, hat mich besonders angesprochen. Mal verfolgt sie einen Jungen, der Cady unangemessen behandelt hat, als sei sie ein tollwütiges Wildschwein, dann wieder tanzt sie wie eine durchgedrehte Ballerina, bevor sie einen anderen Gegner ausschaltet. Und auch die Synergie zwischen den beiden Mädchen (»thumb wars«) funktioniert. M3gan-Darstellerin Amy Donald ist ein ziemlicher Glücksgriff, im Making-of (auf youtube entdeckt) erklärt sie auch, wie sie mit den mörderischen Neigungen der von ihr gespielten Figur halbwegs psycholigisch durchdacht klarkommt.

M3gan (Gerard Johnstone)

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Mein Problem ist aber, dass ich vom Film noch mehr erwartet habe. Viele Szenen sind erstaunlich schnell vorbei, der Tod des Jungen ist auch schludrig geschnitten, wo man in manchen anderen Szenen solch einen Aufwand gemacht hat. Die guten Szenen kennt man (wenn man sich wie ich in diesem Fall vorbereitet hat) schon aus den Trailern, wo sie zum Teil sogar besser umgesetzt sind (der Musikeinsatz von Bella Poarchs Dolls ist kolossal, mir war aber klar, dass der Song zu neu ist, um so umfassend im Film eingebaut zu sein), und dann wird auch Potential verschenkt. Gerade in der letzten Viertelstunde des Films gibt es (abgesehen vom eigentlichen Endkampf) einige Szenen, die einfach verpuffen. M3gan hat gerade in einem Fahrstuhl ein kleines Gemetzel veranstaltet und eine Animateurin schult gerade eine kleine Kinderschar, mit ihrer Reaktion auf das Superspielzeug nicht hinterm Berg zu halten: verschenkt!

Dann zeigt M3gan, dass sie über ihre elektronischen Kontakte jederzeit einen teuren Sportwagen nutzen kann... sie steigt ein, fährt los, man sieht das Auto nicht wieder. Verlange ich zu viel, wenn ich sage, dass man da doch ein bisschen Roadkill hätte mit einbauen können? Aber das Budget war wohl eng bemessen.

M3gan (Gerard Johnstone)

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Auch ist man zum Ende des Films zu sehr damit beschäftigt, M3gan als Killerin zu etablieren, die auch plant, wem sie ihre Untaten in die Schuhe schieben kann. Dabei ist sie aber nicht wirklich genial, und dieser Handlungstwist bringt den Film auch nicht wirklich voran. Da hätte es andere Möglichkeiten gegeben, echte Knalleffekte einzubauen. Was ich zum Beispiel ganz interessant fand, ist M3gans Möglichkeit, wie der Terminator über ihre Augenkameras ihr Umfeld zu analysieren, wobei insbesondere Emotionen von ihr interpretiert werden. »Malice« und »Trust« mit jeweils wie bei einer Bundestagswahl variierenden Prozentzahlen scheinen mir zwar etwas engstirnig ausgewählt und frühere psychologische Expertise zu sabotieren, aber allein der subjektive Blick aus der Sicht des »Monsters« ist halt meistens interessant. Aber auch hier hatte man mitunter das Gefühl, dass für solche Post-Production-Effekte die Zahl der Einstellungen genau bemessen war. Schon anhand der Trailer kann man erkennen, wie viel mehr man aus dem Film hätte machen können, wenn ein bisschen mehr Zeit und Geld zur Verfügung gestanden hätten.

Aus der Sicht der Filmemacher ist es ökonomisch clever, mit nicht zu großem Budget einen Sleeper-Hit zu kreieren, dessen Potential man in Sequels ausbauen kann. Nur gehe ich nicht ins Kino, um auf Nachfolgefilme hingewiesen zu werden, für die ich dann im Normalfall nochmal Eintritt zahlen darf. Deshalb gehöre ich auch zu den Ketzern, die The Empire Strikes Back nicht zum besten Star-Wars-Film aller Zeiten erklären. Ich will halt Filme, die in sich abgeschlossen sind und nicht für den Aufbau eines Franchises besonders gelungen...