Death Wish
(Eli Roth)
USA 2018, Buch: Joe Carnahan, Lit. Vorlage: Brian Garfield, Kamera: Rogier Stoffers, Schnitt: Mark Goldblatt, Kostüme: Mary Jane Fort, Production Design: Paul Kirby, mit Bruce Willis (Dr. Paul Kersey), Camila Morrone (Jordan Kersey), Vincent D'Onofrio (Frank Kersey), Elizabeth Shue (Lucy Kersey), Dean Norris (Detective Raines), Kimberly Elise (Detective Jackson), Beau Knapp (Knox), Jack Kesy (The Fish), Ronnie Gene Blevins (Joe), Stephanie Janusauskas (Sophie), Kirby Bliss Blanton (Bethany), 108 Min., Kinostart: 8. März 2018
Die erste Hälfte der 1970er waren so etwas wie die Blütezeit der Selbstjustiz. Die Anfänge der Dirty-Harry-Filmreihe, Sam Peckinpahs Straw Dogs, Death Wish (dt.: Ein Mann sieht rot) mit Charles Bronson, die Erfindung des Punishers bei Marvel Comics. Bis hin zu den Spätausläufern von Paul Schrader (Taxi Driver, Hardcore).
Vermutlich gibt es noch einige weitere Beispiele, und ich bin mir auch nicht sicher, inwiefern die Brutalisierung des seine Popularität verlierenden Westerns (Spaghetti-Western, »Vietnam«-Western wie Cheyenne Autumn, Little Big Man oder Soldier Blue, außerdem abermals Peckinpah) und der Trend zu urbanen Themen (French Connection, Paranoia, Horrorblockbuster à la The Exorcist) sich filmgeschichtlich gegenseitig beeinflussten. Ich finde es jedenfalls interessant, dass Clint Eastwood und Charles Bronson beide vom Western zum Großstadtwestern wechselten (sogar für John Wayne trifft das teilweise zu) und Romanautor Elmore Leonard ebenfalls Anfang der 1970er von Western zu Krimis wechselte.
Thematisch ist es ja nur ein kleiner Schritt vom »Faustrecht der Prärie« zu »Das Gesetz bin ich« (nach Leonard, mit Bronson), aber viel auffälliger finde ich, dass hier vielfach die selben Filmschaffenden zwischen Western und urbaner Crime wechseln. Interessant ist hierbei etwa Arthur Penn, der sich mit Bonnie and Clyde, Little Big Man und dem Spätwestern Missouri Breaks exakt gegen den Trend stellt, man aber zumindest im historischen Rückblick den Eindruck hat, dass die Popularität sich eher gegen ihn stellte.
Das soll jetzt keine filmhistorisch fundierte Recherche darstellen, sondern allenfalls einige vage Ideen im Vorfeld dazu.
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Inwiefern die ära Trump zum Remake von Death Wish beitrug, kann ich auch nicht exakt einschätzen, das Drehbuch von Joe Carnahan (Smoking Aces, The A-Team, The Grey), der den Film auch gerne selbst inszeniert hätte und dann so viel böses Blut »aufwirbelte« (ganz schlimme mixed metaphors), dass man ihm im Presseheft kaum mehr erwähnt, scheint mir jedenfalls eher noch zu Obama-Zeiten entstanden. Zumindest die auffällig positiv besetzten schwarzen Figuren (das Auto-Opfer, der kleine Junge, die Polizistin) gehen schon fast in Richtung political correctness, auch wenn böse blacks und ethisch kaum balancierte hispanics natürlich auch eine Rolle spielen.
Dummerweise kenne ich das Original mit Charles Bronson gar nicht, und allein für den dezidierten Vergleich genügte mir auch die Motivation nicht, mich aktiv darum zu kümmern, den alten Film zu sehen. In meinem Umfeld klingt es aber sehr danach, dass man bis auf die Bedeutung der Rolle des Bruders des Großstadträchers kaum etwas geändert haben soll an der Story-Konstruktion. Die deutlichsten Modernisierungen betreffen Smartphones und Youtube-Videos, die sowohl von den »Räubern« als auch vom kriminell zunächst unbeleckten Doktor, der nachts »aufräumt«, benutzt werden.
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Obwohl ich Drehbuchautor Joe Carnahan eher nicht so toll finde, fand ich, dass die jedermann halbwegs bekannte Storyentwicklung in ihrem langsamen Fortschritt eher clever ausfiel. Insbesondere auch die anfänglichen Unzulänglichkeiten des (Anti-?)Helden.
Gleich zu Beginn erlebt man den Chirurgen Dr. Paul Kersey (Bruce Willis) dabei, wie er den Tod eines Polizisten feststellt, um sich direkt im Anschluss daran macht, das Leben des an seinem Tod schuldigen Gangmitglieds zu retten. Dann sieht man ihn noch bei einem Konflikt mit einem auf Krawall gebürsteten »Fußballvater«, bei dem eher Pauls Frau (Elisabeth Shue) die Initiative ergreift, und wenn dann auch noch sein auf dem Lande wohnender Schwiegervater beim Erblicken einiger Wilderer sofort zum Gewehr greift und davon auch Gebrauch macht, wirkt der gealterte Actionstar Willis fast erschreckt.
Etwas ärgerlicher ist da schon, wie Täter und Opfer beschrieben werden. Als Opfer der Wilderer muss natürlich die Realversion von Bambi herhalten. Und die Kersey-Kleinfamilie besteht neben der in jeder Hinsicht vorbildlichen Mutter Lucy (Shue) aus einer ganz auf die Opferfigur fixierten Teenage-Tochter, die nur deshalb nicht als ältere Lisa Simpson durchgeht, weil sie auffällig oft in hot pants unterwegs ist, was aber dann beim Überfall auch zur sexuellen Bedrohung führt, die das Ganze eskalieren lässt. (Und ich will jetzt sicher nicht die Gangster verteidigen, aber das Ganze wirkte relativ kontrolliert, ehe Töchterchen sich entschied gegenüber drei mit Schusswaffen bestückten Strumpfhosenmaskenträgern mit einem eher kleinen Messer aufzumucken - clever ist was anderes, wenn man nicht Bruce Willis heißt und es auch mit einer Zwille und Papierkügelchen mit einer Hundertschaft Terroristen aufnimmt. Aber ich will der Jordan keinen Vorwurf machen. Die macht ja auch nur, was im Drehbuch steht.)
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Selbstjustiz hat ja generell etwas rechtslastiges bis faschistoides. Wer sich berufen fühlt, über Leben und Tod seiner egal wie unsozialen Mitmenschen entscheiden zu können, der mag im besten Fall noch als Möchtegern-Diktator mit guten Absichten durchgehen. Aber außerhalb genau abgestimmter Drehbücher, die einen als Zuschauer manipulieren, kann das früher oder später nur zu unschuldigen Opfern führen. Mir ist es eher unangenehm, dazu verführt zu werden, mit dem Hobbykiller gemeinsam zu lachen, während dieser etwa eine Schießerei in einem Danceclub ohne die geringsten Bedenken in Kauf nimmt (und man natürlich auch nie erfährt, ob dabei der Klodame ins Knie geschossen wurde).
Deshalb kann ich mich nicht recht begeistern für den Film, bei dem spätestens die Schlusspointe eher ärgerlich ausfällt. Aber so richtig scheiße finden kann ich den Film auch nicht. U.a., weil ich Dean Norris und Vincent D'Onofrio mag, man dem Film anmerkt, dass man sich immerhin Gedanken gemacht hat, und das Ganze, obwohl man eigentlich ziemlich genau weiß, was einen erwartet, doch ganz spannend vonstatten geht. Dass Bruce Willis durch sein bloße Präsenz einen auch noch an Pulp Fiction erinnert (die Wahl der richtigen Waffe, die Hinterzimmerschießerei), auch, wenn man immer wieder merkt, dass nur sein dreckigerer kleiner Bruder hinter dem Ganzen steckt, führte bei mir ebenfalls zu einer »vorsichtigen« Vereinnahmung. Ich stellte später fest, dass ich Death Wish in meiner Jahresliste vor Black Panther stellte, weil mir diese Old-School-Mentalität und eine greifbare Geschichte im Endeffekt einfach bess er gefiel als dieser abgehobene Marvel-Kram. Willis als Kapuzenmann, der sich diebisch freut, wenn er von Zeugen auf 40-50 geschätzt wird, ist mir als Figur einfach viel näher als irgendwer in dem Marvelspektakel, bei dem die notwendigen Opfer exakt nach den selben Drehbuch-Regeln zusammengesucht wirkten. Und irgendwie schaue ich mir auch lieber einen Eli-Roth-Film an, selbst wenn ich mir sicher bin, dass ich mich hier und da wieder aufregen muss, als diese ganzen superteuren Blockbuster, die selbst, wenn sie mal wirklich gelungen sind, doch nur zum Niedergang des Kinos führen, weil die Kids offenbar nur auf Superlative stehen, die jedes Jahr stärker aufgeblasen wirken. Wenn Gevatter Roth hier mal ein wenig den Fuß vom Gaspedal nimmt und nur gut doziert seine üblichen Folternummern und Splattermomente einsetzt, hat das fast etwas beruhigendes.
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Nur auf die Sparwitze hätte man etwas verzichten können. Denn - believe it or not - als »Dr. Wumme« sich einem offensichtlich Kriminellem gegenüber stellt und diesen fragt »Are you the Snowman?«, packt der schon mal seinen goldenen Schießprügel hinterm Rücken aus und fragt »Who you?«, worauf Bruce / Dr. Paul antwortet: »Your last customer« und ihn dann über den Haufen schießt. Kernige One-Liner sind ja immer gefragt, aber ich achte natürlich wieder nur aus den kleiner Schönheitsfehler, denn er hat ja gar nichts gekauft, ist somit auch kein Kunde. Ganz schlechtes Vorbild!
Ein anderes suboptimales Detail ist mir auch noch aufgefallen. Kriminelle, deren Verhalten zum Ableben eines Kollegen oder der Ehefrau führen, nennt man hier bevorzugt »animals« - als hätten sie dadurch dann auch ihre Menschenrechte verwirkt.
Death Wish hat mehrere interessante Details. Aber je genauer man sich mit Ihnen befasst, um so größer ist die Gefahr, dass die darin enthaltene politische Manipulation einem gleich eine Spur suspekter erscheint. Aber normale Zuschauer achten bei solchen Filmen einfach nicht auf diese Details.