Dalida
(Lisa Azuelos)
Frankreich 2016, Buch: Lisa Azuelos, Biographische Vorlage: Catherine Rihoit, Orlando, Kamera: Antoine Sanier, Schnitt: Baptiste Druot, Musik: Jean-Claude Petit, Kostüme: Emmanuelle Youchnovski, Production Design: Emile Gihgo, mit Sveva Alviti (Dalida), Riccardo Scamarcio (Orlando), Jean-Paul Rouve (Lucien Morisse), Nicolas Duvauchelle (Richard Chanfray), Alessandro Borghi (Luigi Tenco), Valentina Carli (Rosy), Brenno Placido (Lucio), Niels Schneider (Jean Sobieski), Michaél Cohen (Arnaud Desjardins), Davide Lorino (Orlando, der Ältere), Haydee Borelli (Giuseppina Gigliotti), Vincent Perez (Eddie Barclay), Patrick Timsit (Bruno Coquatrix), Gabriella Meroni (Maria Teresa), Elena Rapisardi (Dalida mit 7), 124 Min., Kinostart: 10. August 2017
Mir ist aufgefallen, dass ich öfters mal die »Spätgeborenen« erwähne, hin und wieder gehöre ich aber - Schocker! - auch selbst dazu. Zum Beispiel im Fall von Dalida (eigentlich Iolanda Cristina Gigliotta), jener 1933 in Kairo geborenen »französischen Sängerin italienischer Abstammung« (so steht's auf Wikipedia), die in unzähligen Sprachen 150 Millionen Platten verkaufte, darunter auch so blumige deutsche Titel wie Am Tag, als der Regen kam (Platz 1 in D in 1959) oder Er war gerade 18 Jahr (1974, als ich sieben wurde, reichte es nur noch für Platz 13). Ich muss aber zugeben, dass ich einige ihrer größten Hits durchaus schon mal gehört habe (in welcher Sprache auch immer), nur nie gewusst hätte, wer jetzt gerade aktuell trällert. Darunter etwa Gigi l'amoroso, Paroles, paroles oder natürlich Coverversionen von Nights in White Satin oder Besame mucho (ich glaube jedenfalls, dass das ein Cover ist).
Bei diesem Film habe ich die Eingebung gehabt, dass man ihn auch, wenn man in Sachen Dalidas Privatleben ein so uneingeweihter Nichtswisser ist wie ich, mit einer Variation des Filmtitels Four Weddings and a Funeral umschreiben könnte - nur würde diese eher deprimierend klingende Umtitulierung einen Großteil der Filmhandlung spoilern. Echte Dalida-Fans wissen vermutlich, was ich meine (spätestens nach dem Film oder der Lektüre ihrer Biographie, an der ihr Bruder Orlando - Künstlername ist Pflicht - mitgearbeitet hat, und die man auch als Vorlage für den Film nahm).
© Luc Roux
Der narrative Einstieg des Films ist schon mal clever. Man beginnt 1967, mit einem erst später erklärten Schicksalsschlag, und während Dalida in einem Sanatorium davon genesen soll, erzählen mehrere in ihrem Leben wichtige Männer dem Sanatoriumschef (und somit auch dem Zuschauer) ihre Vorgeschichte, darunter ihr Entdecker (und zwischenzeitiger Ehemann) Lucien Morisse und ihr Produzent Eddie Barclay.
Ich muss sagen, dass ich mit den Männern generell teilweise ein wenig durcheinander kam, nicht aufgrund der Anzahl, sondern weil halt eine lange Zeitperiode beschrieben wird (drei Jahrzehnte lang war Dalida als Sängerin und später auch als Schauspielerin erfolgreich) und zu Beginn etwas viel aufeinander traf - insbesondere, wenn man halt so gar keinen Schimmer hat, welcher dieser Männer wann für sie welche Rolle spielte. Aber dieser Film wendet sich vorrangig an Personen, die mit der Titelfigur zumindest eine gewisse Vertrautheit haben und dabei auch etwas über ihr Privatleben aufgeschnappt haben.
© Luc Roux
Ihr Bruder Orlando, auch eine schillernde Persönlichkeit (der seinen Künstlernamen übrigens quasi dem älteren Bruder »entlieh«, der tatsächlich so hieß - ein Detail, das mir erst nach dem Film ein netter Kollege erklärte), gönnt sich etwa mitunter einen Imagewechsel, und zumindest an einer Stelle habe ich ihn (oder den Darsteller Riccardo Scamarcio) erst mit Verspätung wiedererkannt, während »Zeitzeugen« auf diese Momente im Kino wahrscheinlich schon lauern und sich daran laben.
Nichtsdestotrotz wird hier gewissenhaft Dalidas Leben nachgezeichnet, mit besonderem Augenmerk auch auf die Beziehung zum Vater und einen späten Triumph, wenn sie nach Kairo zurückkehrt und dort mit dem arrivierten Regisseur Youssef Chanine (den kenne ich nun wiederum) den Film La sixième jour dreht, den man auch sehr kunstvoll in die Biographie einarbeitet, wenn sie sich am Drehort mit ihrem Co-Star, einem Kind, unterhält.
© Luc Roux
Weitere Höhepunkte und Themen des Films umschließen ihr spätes Disco-Comeback und ihre Obsession damit, wie andere sie sehen (wenn sie als Kind gleich von sechs oder sieben Gleichaltrigen als »Vierauge« beschimpft wird, wirkt das allerdings ziemlich plakativ).
Standard in solchen Filmen ist die Erfolgschronologie, die hier manchmal arg auf geradlinig hinkonstruiert wirkt (kletterte einer ihrer Hits tatsächlich von Platz 5 auf 4 auf 3 auf 2 auf 1? Auf jeden Fall eine hübsche Visualisierung, nur Gevatter Filmkritiker denkt mal wieder unnötigerweise um die Ecke).
© Luc Roux
Das ambitionierte Drehbuch, die den Film durchziehende Originalmusik Dalidas und die darstellerische Leistung der Hauptdarstellerin Sveva Alviti (das Umsatteln nach der Modelkarriere scheint machbar) machen Dalida zu einem gelungenen Filmerlebnis, nur braucht eine lange Karriere halt auch einen langen Film, und ein Leben voller deprimierender Schicksalsschläge sorgt nicht unbedingt für einen Feelgood-Abend im Kinosaal.
Nichtsdestotrotz eines der gelungeneren Biopics, das Fans begeistern wird und auch Nichtswisser gut unterhält.