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26. April 2017
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Gimme Danger (Jim Jarmusch)


Gimme Danger
(Jim Jarmusch)

USA 2016, Kamera: Tom Krueger, Schnitt: Affonso Goncales, Adam Kurnitz, Animation: James Kerr, mit James Osterberg aka Iggy Pop, Ron Asheton, Scott Asheton, James Williamson, Steve Mackay, Mike Watt, Kathy Asheton, Danny Fields, 108 Min., Kinostart: 27. April 2017

Dass etablierte Regisseure »zwischendurch« mal Dokumentarfilme über Themen drehen, die sie besonders interessieren, darunter auch Musikdokus, ist nichts neues. Dazu gehören sowohl die bekannten Konzertfilme von Antoine Fuqua, Martin Scorsese oder Jonathan Demme als auch die »richtigen« Dokus wie zuletzt der über die Frühzeit der Beatles von Ron Howard. Jim Jarmusch, der in seinen Filmen immer wieder in kleinen Rollen oder für den Soundtrack ihm persönlich bekannte Musiker einbrachte, hat das 1997 mit dem Neil-Young-Film The Year of the Horse auch schon mal gemacht, aber Gimme Danger versteht der New Yorker Regisseur eher als Essay und »Liebeserklärung« an The Stooges, die ihr erstes Konzert übrigens 1967 gaben, also vor 50 Jahren (auch wenn man im Presseheft lieber auf den startnahen siebzigsten Geburtstag von Iggy Pop hinweist.

Wer Jarmusch kennt und weiß, dass selbst seine Spielfilme in letzter Zeit eher wie Essayfilme daherkommen (Paradebeispiel The Limits of Control), wird angesichts dieser Verlautbarung etwas verwundert sein, wie gefällig und konventionell dieser Lobgesang auf die Wegbereiter des Punk ausfällt. Einzig der hübsch hergerichtete Thron, auf dem man Iggy Pop interviewt, wirkt etwas exzentrisch. Aber andererseits steht der nach wie vor vitale James Osterberg auch ohne die geringsten Starallüren der Kamera Jarmuschs in seiner unaufgeräumten Waschküche Rede und Antwort.

Gimme Danger (Jim Jarmusch)

Wie viele Bandhistorien ist auch die Geschichte der Stooges durchzogen von Fehlstarts, glücklichen Zufällen und angesichts des langen Zeitraums von Todesfällen, die sich aber nicht immer am schnelllebigen Rock'n'Roll-Lebensstil festmachen lassen. Dennoch hat man aber neben den üblichen Interviews mit verbliebenen Bandmitgliedern oder der Schwester der Asheton-Brüder auch einige Schnipsel aus zu Lebzeiten geführten Interviews hervorgekramt und geht - bewährterweise - größtenteils chronologisch vor. Was in diesem Fall übrigens sehr unterhaltsam ist und durch gewollt krickelige Animationen unterstützt wird, wenn man zu bestimmten Anekdoten mal so gar kein Bildmaterial auffinden konnte.

Die Stooges waren nie die Hitlieferanten und Auflagenmillionäre wie andere Bands. Nach zwei erst im Nachhinein abgefeierten LPs zerstritt sich die Band bereits, Bassist Dave Alexander verstarb, und erst mit der Schützenhilfe von David Bowie und einem Ausflug nach England folgte dann 1973 die dritte und vorerst letzte Stooges-LP Raw Power, ehe man sich zur obligatorischen Revivaltour (mit der der Film quasi endet) wieder zusammenfand und noch ein paar Livealben auf den Markt schmiss. Und immerhin eine letzte Studio-LP. Kurz danach starb dann 2014 mit dem zweiten Asheton-Bruder Scott auch das letzte Gründungsmitglied außer Iggy (»I'm gonna survive them all!«).

Wodurch die Band die Musikgeschichte prägte, dass war neben brachialen Akkorden und gerne auf 25 Worte beschränkte Lyrics eine Antihaltung, der sich der Film nur eingeschränkt angleicht - einfach, weil das halt zu einer Liebeserklärung nur eingeschränkt passt. Und diese Haltung, die man in leider viel zu wenigen frühen Konzertmitschnitten erlebt, wird im Film zu einer verklärten, aber immer noch liebenswerten Rebellion, bei der man sich als Betrachter, komplett unabhängig davon, ob man schon immer Fan war oder kaum einen Schimmer von der Band hat, hübsch einklinken kann.

Gimme Danger (Jim Jarmusch)

Der Vorspann wirkt verschlissen, mit horrormäßiger Schrift, aber wenn die Bandmitglieder nach wenigen Jahren wieder zum jeweiligen Elternhaus zurückkehren und Iggy im Interview erklärt, dass der Kern seiner Bandphilosophie aus dem Kinderfernsehen stammt, dann hat das auch etwas Putziges. Scheiternde Figuren sind ja immer interessanter als strahlende Helden. Zur Illustration zieht Jarmusch hier auch uralte Fernsehausschnitte heran, irgendwo zwischen peanut gallery und Lederjacken »entsteht« in dieser Collage der Geist der Band.

Dazu passt natürlich auch der Bandname, geringfügig abgewandelt von dem bekannten Komiker-Trio, »because we did nothing wrong, but everyone's picking at us«. Auf frühen Konzertplakaten hießen sie sogar die »Psychedelic Stooges«, was den Spagat zwischen unterschiedlichen Einflüssen fast noch besser repräsentiert. Aber der Name setzte sich nicht durch.

Iggy wird von Jarmusch mit einem Leoparden verglichen, sein hervorstechendes modisches Accessoire war ein Hundehalsband (der größte »Hit« der Band war I wanna be your dog), und im Hintergrund gebärdeten sich die Ashetons gerne wie Schimpansen oder Paviane. Da wirkt es naheliegend, dass Jarmusch passend zu Iggys Thron (mit Totenschädeln und einem winzigen Spielzeugklavier, auf dem »Grand Piano« steht) etwa Ausschnitte aus der Addams Family zeigt.

Gimme Danger (Jim Jarmusch)

Gimme Danger (auch dies ein Beispiel für die Synthese von kindlichem und erwachsenem - und natürlich ein Songtitel) ist letztlich ein Film, bei dem man diese Synthese auch an Regisseur Jarmusch wiedererkennt. Und wie etwa der Icecream-Song aus Down by Law passt auch dieser Film erstaunlich gut zum Samstagnachmittag-Fernsehprogramm einer vergessenen Zeit. Und ich meine dies mit allem nötigen Respekt dafür (und ohne die geringste Einschränkung, weil es passagenweise ja auch mal um gewisse schädliche Substanzen geht)!

Aus meiner Sicht sind die kindlichen Elemente des Films (die im Renaissance-Stil gehaltene Marihuana-Animation ist ein echter Höhepunkt) jedenfalls das Beste. Kaum auszudenken, was das für eine dröge Intellektuellen-Show hätte werden können.