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Bildmaterial © Paramount Pictures
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Mission: Impossible
ROGUE NATION
(Christopher McQuarrie)
USA 2015, Buch: Christopher Mc Quarrie, Kamera: Robert Elswit, Schnitt: Eddie Hamilton, Musik: Joe Kraemer, Kostüme: Joanna Johnston, mit Tom Cruise (Ethan Hunt), Rebecca Ferguson (Ilsa Faust), Simon Pegg (Benji Dunn), Jeremy Renner (William Brandt), Alec Baldwin (Alan Hunley), Ving Rhames (Luther Stickell), Sean Harris (Solomon Lane), Simon McBurney (Adlay), Tom Hollander (Prime Minister), Hermione Corfield (Shop Girl), Robert Maaser (W. Richter / Attentäter Polizei), Wolfgang Stegemann (M. Kajan / Attentäter Querflöte), 131 Min., Kinostart: 6. August 2015
Ein wichtiges Element der Mission: Impossible-Filmreihe ist es laut Presseheft, dass die Definition des »Unmöglichen« immer wieder »redefiniert« werden muss. Am deutlichsten geschieht das durch die jeweils neuen Regisseure, und mit Christopher Quarrie ist diesmal nach Brian De Palma, John Woo, J.J. Abrams und Brad Bird der wohl unbekannteste Regisseur verpflichtet worden. Allerdings hatte McQuarrie bereits eine lange Karriere als Drehbuchautor vorzuweisen (u.a. oscarprämiert für The Usual Suspects), als er mit Jack Reacher sein Regiedebüt ablieferte, und wenn man bedenkt, dass McQuarrie auch an den Drehbüchern der Cruise-Filme Valkyrie und Edge of Tomorrow beteiligt war, muss an der guten Zusammenarbeit zwischen den beiden wohl tatsächlich etwas dran sein.
In letzter Zeit ist Tom Cruise bei einigen der Filme, in denen er die Hauptrolle spielt, auch in der Produktion tätig, und trotz aller Vorbehalte, die man gegen den Scientologen mit dem eingefrorenen Sonnyboy-Lächeln haben könnte, weiß er ziemlich genau, in welcher Art von Filmen er gut da steht und immer wieder ein großes Publikum ziehen kann. Filme um die »Impossible Mission Force« sind da Selbstläufer mit geringerem Risiko, und man hat nicht einmal auf den 50. Geburtstag der 1966 gestarteten Fernsehserie gewartet. Aber vielleicht ist auch ein Zeuge Jehovas mit im Planungsteam – die halten nämlich nichts davon, Geburtstage zu feiern.
Neben einigen obligatorischen Handlungselementen in der Reihe (ein Verräter in den eigenen Reihen, ein »unmöglich« wirkender Heist um Staatsgeheimnisse, Waffen o.ä. sowie eine überraschende Demaskierung) liegt es an den betreuenden Regisseuren, immer mal wieder eine neue Herangehensweise an den Stoff zu finden. De Palma und Woo zogen ihre jeweilige fast schon mit einem Copyright versehene Show ab, Abrams erhöhte die Einsätze durch das Auftauchen der Frau des Superagenten Ethan Hunt, bei Brad Bird wurde die Teamarbeit größer geschrieben.
Christopher McQuarries deutlichste Signatur besteht zum einen darin, dass die unverzichtbare Dame in der Geschichte diesmal der Cruise-Figur in vielerlei Hinsicht mindestens ebenbürtig ist. Ziemlich zu Beginn gibt es eine Kampfszene in einem Verlies, bei der Ethan Hunt zwar wieder einige Kapriolen vorführt, aber ohne den (sehr durchdachten) Einsatz von Ilsa Faust (Rebecca Ferguson) hätte er durchaus Probleme gehabt. Ein besonders hübscher Gag ist in dieser Szene, dass Ilsa Ethan den Schlüssel für seine Handschellen zukommen lässt und man sieht, wie sie im Alleingang zwei bis vier bewaffnete Muskelmänner niederstreckt, während Ethan (vergeblich) damit kämpft, den Schlüssel in das entsprechende Schlüsselloch zu bekommen. Die für meinen Geschmack etwas zu sehr auf die Betonung ihrer Körperformen abonnierte Inszenierung Ilsas verzichtet mehrfach auf die übliche »Damsel in Distress«-Nummer, stattdessen rettet Ilsa auch schon mal Ethan oder aber konfrontiert ihn auf eine Weise, bei der er von der Beziehungsdynamik ziemlich überfordert wirkt. Zu einem Zeitpunkt des Film, bei dem noch nicht feststand, ob Ilsa jetzt eine Doppelagentin oder Doppel-Doppel-Agentin oder eine Quintupel-Sonstwas, wünschte ich mir fast, dass sie in der nächsten unmöglichen Mission Gevatter Cruise ablösen könnte. Als Ablöse wurde zwar schon im letzten Film Jeremy Renner ins Spiel gebracht, aber Rebecca Ferguson könnte das Franchise sicher bis zur Nummer 7 oder 8 führen, während Renner trotz Avengers- und Bourne-Auftritten für mich immer noch nicht das Starpotential entwickelt hat, das man von ihm erwartet. Und in diesem Film ist es auch so, dass selbst Simon Pegg eine weitaus größere Rolle spielt.
Ein weiteres Element des Films, das mich positiv einnahm, ist das Old-School-Filmmaking. Damit meine ich nicht nur, dass man die Sache mit dem CGI nicht übertreibt (obwohl in der Hinsicht vermutlich J.J. Abrams mit M:i:III den besten Film abgeliefert hat), sondern dass man sich an bewährten Vorbildern aus der Filmgeschichte orientiert, denen aber jeweils noch einen neuen Twist hinzufügt.
Am offensichtlichsten ist das bei einem Attentatsversuch während der Wiener Aufführung der Oper Turandot, bei der ein Schuss an einer bestimmten Stelle fallen soll. Klassicher Hitchcock (The Man who knew too much), aber der Gag besteht neben einer komplizierten Rauminszenierung, die auch den Opern-Fan De Palma verzücken dürfte, darin, dass es hier nicht einen Attentäter gibt und einen, der den Schuss verhindern will, sondern mindestens vier Parteien, die alle mal die Schusswaffe auf den österreichischen Bundeskanzler anlegen – wenn auch aus teilweise unterschiedlichen Beweggründen.
Eine andere Szene erinnert stark an Howard Hawks' The Big Sleep, wo Humphrey Bogart sich gleich zu Beginn bei einer attraktiven Buchhändlerin nach einer seltenen Erstausgabe erkundigt. Ethan Hunt fragt stattdessen nach einer Jazzaufnahme auf Vinyl, und es kommt auch nicht wie bei Philip Marlowe zu einem schnellen Schäferstündchen (offensichtlich hat man die Einführung von Hunts Ehefrau nicht einfach »vergessen«), sondern der Oberbösewicht taucht erstmals auf und erschießt das »Shop Girl«, was dann auch bei Hunt die erwartete emotionale Reaktion hervorruft. In Trailern kam dazu früher immer gern ein Spruch wie »This time it's personal«.
Vielleicht ist Humphrey Bogart ja ein besonderes Idol von Tom Cruise, weil er auch nur einen Zoll größer ist als der kleinwüchsige Cruise (der hier übrigens auch einen Kampf gegen einen anderthalb Köpfe größeren Widersacher austrägt, bei dem der Größenunterschied nicht eben heruntergespielt wird). Jedenfalls ist ein Film, bei dem man sich gleich mehrfach bedient, Casablanca (ein nicht geringer Anteil des Films spielt sogar dort, wenn man auch vom Lokalkolorit nur wenig mitbekommt). Die schwedische Partnerin heißt in beiden Fällen Ilsa mit Vornamen, es gibt eine wichtige Flugzeugszene und hier und da klingen Dialogsätze auch so, als hätten sie zwischen Humphrey Bogart und Claude Rains hätten fallen können: »Are you questioning my loyalty or my ability?« – »I can't decide«.
Das zweit- oder drittbekannteste Casablanca-Zitat »We'll always have Paris« scheint ebenfalls eine minimal kaschierte Inspiration gewesen zu sein. Nur auf die Frage »What brings you gentlemen to Casablanca?« kommt nicht die alte Mär von der Fehlinformation über die Heilquellen, sondern man zeigt wortlos einen im Lippenstift versteckten USB-Stick, dessen Dateien man mit einem schwer zugänglichen Computer entschlüsseln muss.
Ein kleines Problem habe ich bei den Ethan-Hunt-Abenteuern mitunter, wenn die Naturgesetze zugunsten angeberischer Stunteinlagen mal wieder gänzlich ausgeklammert werden und Motorräder Tango tanzen (Woo) oder man mit einem Hubschrauber in einen Tunnel fliegt (De Palma). Die entsprechende Szene hierzu prangt schon auf dem Filmplakat: Ein Flugzeug ist bereit, mit gefährlicher Ladung zu starten, und Ethan Hunt ist nirgends zu sehen. Simon Pegg taucht mit lächerlicher Verkleidung in einem Feld auf, es gibt eine Menge Funkverkehr und kurz bevor es zu spät ist, taucht Ethan doch noch auf, springt mal eben von einer Böschung auf die Tragfläche des Jets (keine Ahnung, warum der da so nah dran vorbeisauste), um dann entgegen jeder Logik direkt an den Turbinen vorbeizulaufen und sich erstaunlich lange an einer Tür festzuklammern, die sich erst mit reichlicher Verspätung öffnen lässt. Aber weil man nebenbei charmant mit ein paar running gags jongliert (»the package is on the plane«) und Cruise beinahe von der einen Tür gleich wieder durch eine andere das Flugzeug verlässt, lässt man sich das als Zuschauer gefallen. Denn es macht zumindest einen Heidenspaß. Und das man diese Einstiegsequenz dann mit einer nicht im geringsten aufgelösten Ellipse beendet, ist genau die Art von Chuzpe, die einen vieles verzeihen lässt.
Es gibt eigentlich kaum etwas zu bemängeln an dem Film, nur war ich wie einst Rick Blaine fehlinformiert (oder vielleicht auch nicht?) über ein Detail: Ich ging davon aus, dass Simon McBurney (Magic in the Moonlight) den Bösewicht spielt und wunderte mich dann, dass der so jung aussah. Des Rätsels Lösung: die beiden vermeintlichen »Auftraggeber«, mit denen vorrangig Ilsa Faust Szenen absolviert, werden von McBurney (erster Auftritt relativ spät) und dem etwas jüngeren Sean Harris gespielt, die eine nicht geringe Ähnlichkeit zueinander haben und auch beide im Film Brille tragen. Die Frisuren sind zwar sehr unterschiedlich, aber weil man ja in einem Mission: Impossible-Film mit einer Maskerade rechnet, überlegte ich eine Zeitlang, ob McBurney vielleicht eine Doppelrolle spielt und Ilsa entweder nichts davon merkt oder einfach das Spielchen mitspielt (auch, wenn es dabei keine Zeugen gibt, für die sie eine Show abziehen müsste). Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, ob das eine Castingschwäche des Films war oder eine gewollte Verwirrung. Denn immerhin sagt Ilsa auch mal: »Lane, Adlay, your government, my government – they're all the same!«. Wobei Sean Harris den Lane und Simon McBurney den Adlay spielt. Ich kann immerhin meine Leser von meiner persönlichen Verwirrung befreien: They're not the same guy! (und auch keine Zwillinge, Brüder, Klone oder sonst was – einfach nur zwei Typen mit einer nahezu gleichen Visage, von denen einer mit einer auffällig verstellten Stimme spricht).