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6. März 2014
Thomas Vorwerk
für satt.org


Beltracchi – Die Kunst der Fälschung (Arne Birkenstock)
Beltracchi – Die Kunst der Fälschung (Arne Birkenstock)
Beltracchi – Die Kunst der Fälschung (Arne Birkenstock)
Bildmaterial © Wolfgang Ennenbach/ Fruitmarket Kultur und Medien
Beltracchi – Die Kunst der Fälschung (Arne Birkenstock)
Beltracchi – Die Kunst der Fälschung (Arne Birkenstock)


Beltracchi
Die Kunst der Fälschung
(Arne Birkenstock)

Deutschland 2013, Buch: Arne Birkenstock, mit Wolfgang Beltracchi, Helene Beltracchi, Sofia Komarova, Henry Keazor, Henrik Hanstein, James Roundell, Niklas Maak, Ehepaar van Ommeslaghe, René Allonge, 93 Min., Kinostart: 6. März 2014

Eine naheliegende Herangehensweise im Umgang mit diesem Film ist die kritische Analyse des Umstands, dass Regisseur Arne Birkenstock der Sohn des Verteidigers des Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi ist. Man kann darüber sinnieren, inwiefern der Film der teilweise größenwahnsinnigen Selbstdarstellung Beltracchis dient, ihn heroisiert und letztlich auch manchmal wie ein Werbefilm daherkommt, der Teile des Kunstmarkts bereits für die Vermarktung noch nicht entstandener Werke »sensibilisiert«. Natürlich definiert sich ein Dokumentarfilm auch über die »Experten«, die er befragt und über die Fragen, die er nicht stellt. Doch ein anderer, womöglich kritischer an das Thema herangehender Filmemacher, hätte im Vorfeld auch irgendwelche Abmachungen mit den Protagonisten (»ein Film mit Wolfgang und Helene Beltracchi« heißt es im Vorspann) treffen müssen, kaum jemand autorisiert ja einen Dokumentarfilm mit hoher Eigenbeteiligung, bei dem man als mäßig begabter, rein von finanziellen Interessen geleiteter Megalomaniac daherkommt.

Doch unabhängig von den produktionstechnischen Umständen, die den Zuschauer mit Recht skeptisch stimmen dürfen (was aber auch bei Dokumentarfilmen nicht unbedingt eine Ausnahme ist), überzeugt der Film einfach dadurch, dass er unterhaltsam und interessant das Handwerk des Fälschers in etlichen (aber längst nicht allen) Facetten schildert und zumindest einen Einblick in die Person Beltracchi gibt. Und dabei auch längst nicht alle kritischen Ansätze schönfärbend überbügelt.

Dass Beltracchi nach wie vor gerne Preise für seine Werke erzielen würde, die sie zu früheren Zeiten einbrachten, gibt er etwa freimütig zu. Dass er der Meinung ist, auch einen Rembrandt leicht fälschen zu können, einen Leonardo (»gar nicht schwer«), wird nur der blauäugigste Zuschauer als bare Münze hinnehmen, und spätestens, wenn Beltracchi selbst bei einem großformatigen, aufwendig gestalteten Gemälde, an dem er – im »eigenen« Stil – arbeitet, zwar gerne seine Intentionen und Inspirationen demonstriert, auf Nachfrage aber nicht die geringste Leidenschaft oder ein künstlerisches Interesse äußert, sondern es nur als »Zeitvertreib« sieht, dann bekommt man einen Einblick, dass der Protagonist, der an seiner dokumentarischen Selbstdarstellung aktiv mitgearbeitet hat, dennoch kein netter Märchenonkel oder gar ein »Robin Hood« ist. Doch gerade diese Ecken und Kanten machen die Person ja interessant, es gibt ja auch ausreichend Spielfilme, in denen etwas Posträuber oder gar Auftragskiller als Sympathieträger durchgehen, die »begabt und sensibel« (eine Galeristin über Beltracchi) sind.

Dem Fälscher bei der (teilweise nur für den Zweck des Films nachgestellten) Arbeit über die Schulter zu schauen, das ist völlig unabhängig von ethischen Einwänden oder einem gesunden Zweifel an seiner tatsächlichen »Kunst«-fertigkeit auf jeden Fall ein Erlebnis. Wie er auf einem Flohmarkt ein altes Bild wegen des Rahmens ersteht, sich nebenbei gleich über Google erkundigt, seit wann die Kunsthandlung in Barcelona, von der hinten ein Stempel prangt, schon aktiv ist, wie er das alte Gemälde abbeizt und dann die Konturen eines Aktes, die noch schwach erkennbar sind, einfach uminterpretiert (»aus der einen Brust mach' ich ein Wölkchen und aus der anderen Brust mach' ich ein Haus«), wie er alten, extra gesammelten Dreck unter den Rahmen drückt, einen eigens gebauten »Heizschrank« und ein simples Bügeleisen zum Trocknen und Altern des Bildes verwendet, über typische Gerüche – und wie man sie nachahmen kann – philosophiert und Gattin Helene über den Kitzel beim Verkauf berichtet, den jeder in ähnlicher Weise schon mal bei »Spicken« in der Klassenarbeit erlebt hat, das ist schon Unterhaltungsdoku par excellence.

Auch wenn man keinen Schimmer hat über Künstler, die Kunstsammlern vermutlich ein Begriff sind, wie den »Fauvisten« Friesz und Braque – wenn Beltracchi seinen hübschen Ausblick in Südfrankreich, den auch schon bedeutende Künstler vor hundert Jahren bewunderten, gleich für ein gleichzeitig – und nebeneinander – entstehendes »Doppelbild« imitiert, dann ist das unglaublich vermessen, aber dennoch faszinierend, genau wie der große »Ernst Beltracchi«, der gleich zu Beginn des Films entsteht, und zu dem der Fälscher meint »Max Ernst fänd' es nicht lustig«, bevor er seine »Max-Ernst-Kiste« mit typischen Farben und Utensilien wegräumt, um sich dem nächsten Werk zu widmen.

Teilweise genauso unterhaltsam sind auch die interviewten Experten, Kunsthistoriker, Polizisten und Sammler, die auch eine kritische Stimme einbringen (»der gehört 10-15 Jahre ins Gefängnis« – das Urteil waren nur sechs Jahre im lässig wirkenden »freien Vollzug«) oder die Probleme des Kunstmarkts ansprechen, in dem keiner wirklich Interesse daran hat, Fälschungen aufzudecken, weil sie nur allen Beteiligten schaden. Meine persönlichen Favoriten sind hierbei das Ehepaar van Ommeslaghe, das nicht eben begeistert darüber ist, dass sie einem gefälschten Campendonk aufsaßen, das Werk aber dennoch liebgewonnen haben, an dessen Platz jetzt ein nicht ganz so hübscher Magritte hängt. Wenn man das andere Bild hätte behalten können, hätte es ja immer noch in einen Kellerflur oder die Küche gepasst, denn »es ist kein Kunstwerk mehr, sondern ein Dekorationsobjekt«. Dieses harte aber zarte Urteil über den Fälscher wirkt nur aufgrund derer, die es äußern, belustigend, aber auch diese Stimme ist halt Teil des Films. Aus unerfindlichen Gründen erwähnt Herr van Ommeslaghe sogar im Interview, dass es ja auch nicht das erste Mal gewesen wäre, dass die beiden auf eine Fälschung reingefallen wären, was die Gattin dann gleich »herausschneiden« lassen will, weil ihr Mann wohl »betrunken« sei – woraufhin dieser auf ihren Hals zeigt und sagt »Alles falsche Perlen«. Das ist wie eine Episode von »Inges Woche mit Klaus« im Milieu der Superreichen.

Die Qualität des Films lässt sich schon daran ermessen, wie viele kleine Details und Aussagen man erwähnen könnte (die »Inhaltsangabe« im Presseheft ist die längste, die ich je gesehen habe), und über deren Validität man jeweils diskutieren könnte. Ein »objektiver« oder gar »investigativer« Dokumentarfilm ist Beltracchi – Die Kunst der Fälschung ganz sicher nicht, aber obwohl ich normalerweise Purist bin, sehe ich sogar über die allzu deutlich inszenierten Szenen, zwei sehr seltsame Montagen, eine gänzlich dekorative Auktion oder die mal wieder hübsch auf 3D-Animation getrimmten Familienfotos hinweg. Einfach, weil ich mich unterhalten fühlte als in mancher Komödie oder Krimi.

Das euphemistisch wirkende Fazit, das Nachbarn in Südfrankreich sich über Beltracchi bildeten, gilt meines Erachtens auch für den Film oder seinen Regisseur: »Es ist nicht richtig, was er getan hat – aber wir sind voller Bewunderung.« Solange die Vorbehalte bestehen bleiben.