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April 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Big Fish
USA 2003

 Big Fish (R: Tim Burton)

Regie:
Tim Burton

Buch:
John August

Lit. Vorlage:
Daniel Wallace

Kamera:
Philippe Rousselot

Schnitt:
Chris Lebenzon

Musik:
Danny Elfman

Darsteller:
Ewan McGregor (Edward Bloom, jung), Albert Finney (Edward Bloom, alt), Billy Crudup (Will Bloom), Jessica Lange (Sandra Bloom, alt), Matthew McGrory (Karl, der Riese), Helena Bonham-Carter (Jenny / Die Hexe), Steve Buscemi (Norther Winslow), Danny DeVito (Amos Calloway), Alison Lohman (Sandra Bloom, jung), Robert Guillaume (Dr. Bennett), Marion Cotillard (Josephine), Ada Tai (Ping), Arlene Tai (Jing), Perry Walston (Edward Bloom, 10 Jahre)

118 Min.

Kinostart:
8. April 2004

Big Fish



 Big Fish (R: Tim Burton)
 Big Fish (R: Tim Burton)
 Big Fish (R: Tim Burton)
 Big Fish (R: Tim Burton)
 Big Fish (R: Tim Burton)
 Big Fish (R: Tim Burton)
Als ich den Trailer zum neuen Tim Burton-Film zum ersten Mal sah, erkannte ich darin ein weiteres Indiz für den langsamen Niedergang dieses einst vielversprechenden Regisseurs. Beim zweiten Ansehen jedoch erkannte ich langsam etwas Sinn in den vielfältigen Kapriolen, und als dann auch noch die BAFTA-Nominierungen verkündet wurden, war ich doch etwas neugierig auf den Film geworden.

Immerhin hat die Hauptfigur in Big Fish denselben Vornamen wie die Titelhelden der beiden besten Burton-Filme, Ed Wood (1994) und Edward Scissorhands (1990) …

Edward Bloom (Albert Finney / Ewan McGregor) liegt im Sterben. Sein Sohn Will (Billy Crudup), der drei Jahre nicht mehr mit seinem Vater gesprochen hat, weil dieser selbst auf der Hochzeit seines Sohnes nicht umhin konnte, sein Leben als Abenteuergeschichte zu inszenieren, in der Will höchstens eine Fußnote ist, springt über seinen Schatten und besucht den alten Herrn nebst Mutter (Jessica Lange) zusammen mit seiner Frau. Doch ungeachtet seiner Lage ergeht sich Edward wieder in den hanebüchenen Lügengeschichten, die Will als kleiner Junge noch spannend gefunden hat - als er jedoch herausfand, daß es keine Hexen, Riesen und dergleichen gibt, wurde der Erzählwahn seines Vaters für Will nur zu einem Ärgernis. Und daß er über das wirkliche Leben seines Vaters so gut wie nichts weiß, und jede der Geschichten seines Vaters sich in Superlativen, märchenhaftem und Unglaublichkeiten ergeht, gibt Will das Gefühl, der Sohn des weltgrößten Hochstaplers zu sein. Und als Höhepunkt gibt Edward sogar vor, bereits über die Umstände seines Todes Bescheid zu wissen, die er als Kind in den blinden Augen einer Hexe sah …

Natürlich gibt der Film in zahlreichen Rückblenden nicht nur Ewan McGregor die Möglichkeit, sein Image als ewiger Sonnyboy in den Dienst der Geschichte zu stellen - auch für Regisseur Tim Burton gibt es reichlich Gelegenheit, Wunderwesen, seltsame Orte und Zirkuszelte zu kreieren. Big Fish stellt geradezu eine Retrospektive des gesamten Burtonschen Schaffens dar: Die Vorstadt sieht aus wie bei Edward Scissorhands, eine Pee Wee-mäßige Nonsense-Erfindung darf ebensowenig fehlen wie ein nebliger Wald á la Sleepy Hollow - und Danny DeVito bekommt eine fast so abgedrehte Rolle wie einst als Pinguin in Batman Returns.

Doch der Film geht weit darüber hinaus, nur die üblichen burtonesken Marotten zu pflegen: Der aus dem Trailer bekannten Zeitlupen-Szene folgt ein fast genauso beeindruckendes Gegenstück, der Riese Karl ist eine der beeindruckendsten Trickgestalten in Burtons Schaffen, es gibt eine schöne Indiana Jones-Hommage, eine Gesangsnummer mit siamesischen Zwillingen, und selbst bei so kleinen Details wie einem ausgeschalteten Fernseher gibt es viel zu entdecken.

"You were a big fish in a small pond …" wird dem Provinzling Bloom mal entgegengehöhnt, "but this is the ocean and you're drowning". Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Edward Bloom ist ein Held, der larger-than-life ist, nicht nur im Sinne eines mickrigen Forrest Gump, selbst den Riesen Karl stellt Bloom, der sein eigenes Leben erfindet, in den Schatten. Und was auf den ersten Blick wie die typische Tim Burton-Megalomania erscheint, basiert auf einem großen amerikanischen Roman, der wie geschaffen scheint, von Burton verfilmt zu werden. Selbst der Tod Edward Blooms, der von Anfang an wie ein Anti-Klimax erscheint oder allenfalls ein fauler Trick zu werden scheint, macht aus einem skurillen Stück Zelluloid eine wunderschöne Allegorie - und man kann sich nur wünschen, daß Tim Burton fortan nur noch Filme über seltsame Gestalten dreht, die Edward heißen.