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Juli 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Swimming Pool
F/GB 2003

Swimming Pool (R: François Ozon)

Swimming Pool



Regie: François Ozon, Buch: François Ozon (in Zusammenarbeit mit Emmanuèle Bernheim), Kamera: Yorick le Saux, Schnitt: Monica Coleman, Musik: Philippe Rombi, Darsteller: Charlotte Rampling (Sarah Morton), Ludivine Sagnier (Julie), Charles Dance (John Bosload), Marc Fayolle (Marcel), Jean-Marie Lamour (Franck), Mireille Mossé (Marcels Tochter), Michel Fau (erster Mann), Jean-Claude Lecas (zweiter Mann), Lauren Farrow (Julia), Sebastian Harcombe (Terry Long), Frances Cuka (Frau in der U-Bahn), Kinostart: 14. August 2003



Swimming Pool (R: François Ozon)



Swimming Pool (R: François Ozon)



Swimming Pool (R: François Ozon)



Swimming Pool (R: François Ozon)



Swimming Pool (R: François Ozon)

Nach dem internationalen Erfolg mit dem Star-Vehikel "8 femmes" legt François Ozon nun wieder einen eher kleinen Film vor, bei dem er auf zwei seiner Lieblingsdarstellerinnen zurückgreift. Die abermals glorreiche Charlotte Rampling, mit der zusammen er schon "Sous le sable" (ab 21. August als Wiederaufführung) drehte, spielt hier die britische Kriminalautorin Sarah Morton, eine Figur, die teilweise an Patricia Highsmith oder Agatha Christie angelehnt ist.

Von ihrem Verleger wird Sarah empfohlen, sich auf dessem französischen Landhaus etwas zu erholen, um einer Schreibblockade zu entgehen und ihren Fans möglichst schnell den Nachfolger zu "Dorwell Wears a Kilt" zu präsentieren, ein Werk mit dem vielversprechenden Arbeitstitel "Dorwell on Holiday".

Doch dann taucht Julie auf, des Verlegers aufmüpfige und promiskuitive Tochter, gespielt von Ludivine Sagnier. Der Körper der Sagnier, die gerade die jüngste der acht Frauen (einen "Tomboy") gespielt hatte, wird von Ozon wie schon in "Gouttes d’eau sur pierres brulantes" mit unverhohlener Schaulust wie eine Landschaft abgefahren, wie eine "mediterrane Marilyn Monroe" wollte er seine junge Darstellerin inszenieren, was ihm auch gelingt.

Mit der verkniffenen Autorin und dem ganz auf "Sex, Drugs & Rock’n’Roll" fixierten Luder treffen zwei Welten aufeinander, von denen man zunächst annimmt, sie sollen die Herkunftsnationen der zwei Damen in stereotyper Weise repräsentieren.

Doch während dieser belustigende Kontrast "Swimming Pool" lange Zeit zu einer Komödie ganz im Stil von "8 femmes" zu machen scheint, genügt Ozon weder das homoerotische Moment der Geschichte noch die sich schließlich entwickelnde Kriminalgeschichte.

Eine kurze Exkursion.

Warum heißt der Film eigentlich "Swimming Pool"?

In Anlehnung an einen gleichnamigen Film mit Romy Schneider, der Ozon ja schon in seinem letzten Film seine Ehrerbietung zollte?

Weil "Swimming Pool" wie "Sitcom" zu den rar gesäten Anglizismen im frankophilen Raum zählt?

Vielleicht geben uns auch die Worte des Regisseurs innerhalb eines Interviews den nötigen Einblick:

     What does the swimming-pool stand for?
The swimming-pool stands for whatever anyone wants to see it. I have often filmed water, usually the ocean which is associated in my mind with shedding one’s inhibitions, or with a certain sense of fear. In this instance, I was interested in the swimming-pool as texture and also as water imprisoned. Swimming-pools, unlike the ocean, are manageable and controlled. The swimming-pool is Julie’s realm. It’s like a movie-screen against which images are projected and into which a character penetrates. Sarah Morton takes time before entering the pool: she does not do so until Julie has become a source of inspiration - and until the swimming-pool is at last clean.

Sehr geheimnisvoll, hochtrabend und gleichzeitig ausweichend formuliert. Aber vielleicht kommen wir mit folgendem auf den ersten Blick völlig unverwandten Zitat dem Rätsel etwas näher …?

Immersion is a metaphorical term derived from the physical experience of being submerged in water. We seek the same feeling from a psychologically immersive experience that we do from a plunge in the ocean or swimming pool: the sensation of being surrounded by a completely new reality, as different as water is from air, that takes over all of our attention, our whole perceptual apparatus. We enjoy the moment out of our familiar world, the feeling of alertness that comes from being in this new place, and the delight that comes from learning to move within it. Immersion can entail a mere flooding of the mind with sensations, the overflow of sensory stimulation [ …].
Janet H. Murray, Hamlet on the Holodeck: The Future of Narrative in Cyberspace. Cambridge, Mass. 2001, S. 99

Wer "Swimming Pool" gesehen hat und sich ein wenig mit Cyberculture beschäftigt hat, mag kaum glauben, daß es da keine Verbindung gibt. Vielleicht ist es ja auch nur ein Zufall, aber ich finde diesen Zufall sehr viel interessanter als folgende Statistik:

Anzahl der 27 offiziellen
Pressefotos zu "Swimming Pool", die …
den Swimming-Pool zeigen: 11 (ca. 40 %)
Charlotte Rampling zeigen: 15 (ca. 55 %)
Ludivine Sagnier zeigen: 18 (ca. 66 %)

Was beweist diese Statistik? Daß Ludivine Sagnier jünger, attraktiver und werbewirksamer ist als Charlotte Rampling? Und daß sie sich in der Nähe des Swimming-Pools zumeist in aufreizenden Bademoden zeigt, die es sicher in mehr Zeitungen schaffen als Charlotte Rampling in ihrem frustriert-britischen Strickjacken-Look?

Jedenfalls ist Charlotte Rampling in jeder Hinsicht die Hauptdarstellerin des Films und weder Ludivines Körper noch das azurblau schimmernde Wasser im Pool können ihr den Rang ablaufen. Regisseur François Ozon ist sogar nur auf einem Pressefoto zu sehen, doch für die allermeisten Besucher des Films ist er der wahre Held, denn es gelingt ihm, auf der Klaviatur der Zuschauererwartung zu spielen wie einst Alfred Hitchcock (man denke an die nicht immer stillen Wasser in "Psycho"), während er gleichzeitig (mal wieder) an Fassbinder (braungebrannte "Martha") oder Clouzots "Les diaboliques" erinnert (in dem der Pool ja auch keine kleine Rolle spielte). Es gibt unzählige kleine Stellen, die mich dazu animieren, mir diesen Film nochmal anzuschauen (und dann natürlich im Original …): Mal nimmt die Kamera unmerklich die Position einer Schreibmaschine ein, dann wieder nimmt mich die subtile Mimik Charlotte Ramplings gefangen oder ich frage mich, wie ich diesen Film sehen würde, wenn ich schon weiß, was das Geheimnis des Pools ist …

"Swimming Pool" ist ein jederzeit spannender und unterhaltsamer Film, der die Genres schneller wechselt als Ludivine ihre Bikinis. Und wichtig ist für diesen Film auch, daß man nicht zuviel verrät, und deshalb habe ich in dieser Rezension fast so viele falsche Fährten ausgelegt wie Ozon in seinem Drehbuch.