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Dezember 2002
Thomas Vorwerk
für satt.org

Milch der Zärtlichkeit
La lait de la tendresse humaine

Frankreich 2001

Milch der Zärtlichkeit

Regie:
Dominique Cabrera

Buch:
Dominique Cabrera, Gilles Marchand, Cécile Vargaftig

Kamera:
Hélène Louvart

Darsteller:
Marilyne Canto (Christelle), Patrick Bruel, Dominique Blanc, Sergi Lopez, Valeria Bruni Tedeschi (Josiane), Olivier Gourmet (Jean-Claude)

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Milch der Zärtlichkeit
La lait de la tendresse humaine






Milch der Zärtlichkeit

Milch der Zärtlichkeit

Milch der Zärtlichkeit



Ich weiß nicht genau, ob der Originaltitel wirklich die Entsprechung der Worte von Lady Macbeth darstellt (“Yet do I fear thy nature; It is too full o’ th’ milk of human kindness to catch the nearest way”, 1. Akt, 5. Szene, sehr gebildet, Friederike!), und inwiefern dann der deutsche Titel dieses wiederzugeben in der Lage ist, doch für den Film passt „Milch der Zärtlichkeit“ schon ziemlich gut.

Denn die Mutter, die ebenso panikartig wie impulsiv ihr Baby zurücklässt, während das Wasser unter der Tür des Badezimmers in den Flur läuft, stellt ihre Muttermilch schließlich bei der netten Nachbarin vom Stock darüber ab, bei der sie unterkommt, während der Mann und die zwei Kinder überall (außer im Haus) nach ihr suchen. Und aus der Umverteilung jener “Milch der Zärtlichkeit” entstehen all die kleinen bis größeren Probleme des Films. Die kinderlose Frau kümmert sich um den Säugling, ihr Mann fühlt sich vernachlässigt und geht fremd, der Liebhaber der Nachbarin kämpft ebenfalls um seine Streicheleinheiten, und nach und nach gerät alles ins Kippen, weil die eingefahrenen Wege verlassen werden müssen und sich dadurch plötzlich ganz neue Lösungen (und Probleme) offenbaren.

Die Nennung der Dardenne-Brüder (die den Film mitproduzierten) im Vorspann ließ mich einige Parallelen zu “Rosetta” finden. Abermals geht es um eine Alltagsbeschreibung, die durch eine überforderte Frau aus dem Ruder gerät (Bei “L’Emploi du temps” ist es ein Mann …). Und auch die Nähe der Kamera ist ähnlich, auch wenn hier nicht so zittrig und einzig auf eine Figur bedacht. Gerade die erste Szene zeigt, wieviel der Film trotz meiner geradlinigen Interpretation offenläßt. Von außen sehen wir in die recht vorbildliche Küche, können aber gleichzeitig auch die malerische Landschaft betrachten, die sich in den Fensterscheiben spiegelt. Das im Medium Film immer wieder allgegenwärtige Thema des Voyeurismus wird angerissen, doch gleichzeitig lebt diese Szene davon, daß man eben nicht alles sehen und hören kann, man als Zuschauer also fast genauso überfordert ist wie die Hauptdarstellerin. Und durch deren Flucht verändert sich konsequenterweise auch der Inszenierungsstil.

Durch eine interessante Geschichte, glaubhafte Charaktere und überzeugende Darsteller wird aus dieser kleinen Flucht ein wirklich großer Film.