Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Februar 2002
Andreas Geil
für satt.org

Geliebter Spinner
Billy Liar

GB 1963

Geliebter Spinner (Billy Liar)

Regie:
John Schlesinger

Buch:
Willis Hall, Keith Waterhouse

Kamera:
Denys N. Coop

Schnitt:
Roger Cherrill

Musik:
Richard Rodney Bennett

Darsteller:
Tom Courtenay, Wilfred Pickles, Mona Washbourne, Ethel Griffies, Finlay Currie, Gwendolyn Watts u. a.

Weitere Informationen:
german.imdb.com

» amazon:
VHS | DVD

Der Spinner braucht sein Umfeld

Berlinale-Retrospektive: Billy Liar


Dauerregen am Samstagabend - der neue Berlinale-Chef Dieter Kosslick betonte doch im Programm: "Und dann sind wir das einzige große Festival, wo es richtig kalt ist. Da es noch Winter ist, wollen wir mit den Filmen des Festivals bei den Berlinern und unseren Gästen die Stimmung anheizen."

Diesen Satz haben sich die Betreiber des Cinemaxx wohl sehr zu Herzen genommen. Da es ja keine Platzkarten gibt, sollte sich der Besucher mindestens 15 Minuten vorher vor dem Kino stauen lassen. Schön, wenn dann die Heizung vorher auf Winter eingestellt ist wie im Cinemaxx - Atemlos machen uns solche Momente.

John Schlesingers 1963 gedrehter Film "Billy Liar" ist jedoch süße Entschädigung für den durch MTV und Kinowerbung à la Zeitgeistmanie - Hauptsache: schnell und knallbunt - geplagten Augenmenschen.

Tom Courtenay verkörpert den versponnen Tagträumer William Fischer, welcher in seiner Welt so sehr der Chef ist, dass er ein ganzes Reich mit Charme und Anstand regiert. Nicht wie die Welt seiner Eltern, Chefs, Freunde und Freundinnen, die sich um einen Verlobungsring streiten oder nur auf den kleinen Vorteil schielen. Die Eltern unseres William Fischers sind die geborenen Mittelklassespießer. Ein Vater, der weiß, wo es lang geht und wie man Zucht und Ordnung vermitteln kann. Eine mildere Mutter, die mit ihm unter einer Decke steckt und vermutlich noch immer von einem Cowboy als Mann träumt.

Die Kleinstadt verändert sich jedoch. Das England der sechziger Jahre findet seinen "Wiederaufbau" in dieser Zeit - als bei uns, nach den Fresswellen, langsam so etwas wie Nachdenken über die Vergangenheit eingetreten sein soll. William Fischer will nach London gehen und dort Script-Writer für einen bekannten Comedy-Star werden.

Er setzt also seinen Job aufs Spiel, wagt den Absprung vom Elternhaus und verlässt auch seine beiden Halbfreundinnen, die in ihm den Ringspender sehen. Es ist schließlich Liz, gespielt von einer unschlagbar hübschen und natürlichen Julie Christie ("Der Himmel kann warten", "Dragonheart", "Afterglow"), die William Fischer ermutigt, den Weg nach London mit ihr zu gehen.

William kauft sich ein Single-Ticket nach London, allerdings verlässt er den Zug kurz vor der Abfahrt. So fährt Liz alleine nach London. William marschiert seine Straße hinauf und hat im Geiste seine Armee hinter sich. Glücklich wird er sein Zimmer erreichen. Der Spinner braucht sein Umfeld, um sich seine Träume leisten zu können.

Doch viel wichtiger war seine Entscheidung, sich dieses Ticket zu kaufen, um sich zu beweisen, dass er es kann, wenn er nur will …