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November 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org

Das Versprechen
(The Pledge)
USA 2001

Sean Penn: Das Versprechen (The Pledge)

Regie:
Sean Penn

Buch:
Jerzy Kromolowski, Mary Olson-Kromolowski

Lit. Vorlage:
Friedrich Dürrenmatt

Kamera:
Chris Menges
Schnitt:
Jay Cassidy

Musik:
Hans Zimmer, Klaus Badelt

Darsteller:
Jack Nicholson, Aaron Eckhart, Robin Wright Penn, Benicio del Toro, Mickey Rourke, Vanessa Redgrave, Michael O'Keefe, Harry Dean Stanton, Helen Mirren, Sam Shepard satt.org-Partner:
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Das Versprechen
(The Pledge)



Jack Nicholson in der Rolle, die man hierzulande (je nach Alter) entweder mit Heinz Rühmann oder Joachim Król verbindet, die mittlerweile vierte Verfilmung der Geschichte des pensionierten Polizisten, der nicht glaubt, daß man einen Fall von Kindesmord schließen darf, nur weil ein geständiger, verwirrter Hauptverdächtiger Selbstmord begangen hat, und der sich stattdessen auf die Suche nach einem Riesen, einem Zauberer mit einem schwarzen Auto macht, den er von einer Kinderzeichnung eines Opfers kennt.

Auch wenn man die Geschichte schon kennt, einen das Geheimnis der Igel nicht mehr zu verwundern vermag, so ist Sean Penns dritter Film ein Erlebnis, denn die Inszenierung spielt zwar mit genreüblichen Spannungsmomenten, konzentriert sich aber mehr auf die Charakterdarstellung und auf einige unterschiedlich stark ausgeführte Themen.

Da ist natürlich das Alter. Der wohlverdiente Ruhestand des Jerry Black erschöpft sich nicht in Angelausflügen. Die Ähnlichkeit dieses Hobbys mit den Ermittlungsmaßnahmen wird spätestens durch den Einblick in einen dieser Freizeitfernsehkanäle auch dem letzten Zuschauer klar, wenn einer der professionallen Fischer den Vorteil eines lebenden Köders preist. Hier will der alte Mann seinen Raubfisch aber nicht im Meer oder anderen Gewässern zur Strecke bringen, sondern an einer vielbefahrenen Straße, und sein Köder ist natürlich ein kleines Mädchen, das so ganz den Vorlieben des Täters entspricht. Wie er sich für die gute Sache das Vertrauen des Mädchen und seiner Mutter erschleicht, macht ihn nur geringfügig besser als den Mörder, was ihm selbst aber zu spät klar wird, denn mit dem Alter kommt natürlich auch die Einsamkeit, und wenn man soviele Probleme gleichzeitig bekämpfen kann, entgeht einem schon mal die Unverhältnismäßigkeit.

Ähnlich wie in den Filmen "The Sweet Hereafter" und "Fargo" oder bei David Lynch stellt Penn unter Mitarbeit seines Kameramanns Chris Menges (Der sich auch schon mal als Regisseur von Filmen wie "A World apart" bewies) die Schönheit der Landschaft gegen die Häßlichkeit der Menschen, die in diesem Film nicht nur psychisch festgemacht wird. Wenn einmal bei einer Parade eine Schönheitskönigin zu sehen ist, so würde die nicht einmal eine Statistenrolle in einer amerikanischen Seifenoper ergattern können, so erdig und uneindringlich ist ihre Schönheit. In diesem Film wimmelt es von alten, dicken, prickligen und entstellten Menschen, die wie ein Krebsgeschwür das Antlitz der Erde verunzieren. Selbst das "Land of Christmas" ist ein schmieriges Altersheim der Kuriositäten und die Truthahnfarm als Anlieferbetrieb für Thanksgiving, den amerikanischsten aller Feiertage wird hier als ästhetisch reizvolles, aber häßliches Sinnbild verwendet, daß den Mord an der Tochter der Naturausbeuter fast wie eine Rache erscheinen läßt. Doch die Unschuld der kleinen Mädchen an den Verbrechen ihrer Elterngeneration ist unbestritten, das harmlose Spiel und die naiven Kinderzeichnungen zeigen nur, daß die Kinder ebenso wie die Natur hilflose Opfer der Erwachsenenwelt sind. In diesem Zusammenhang muß ich an Neil Gaimans Kurzgeschichte "Babycakes" denken, die das Ganze noch etwas drastischer ausführt.

Engel werden auch oft als kleine blonde Mädchen dargestellt, und die Religion in mannigfaltigen Ausprägungen ist auch ein wichtiger Teil des Films. Die Kamera schwebt oft über den Dingen, man unterhält sich darüber, wie Gott derlei Verbrechen zulassen kann, das Versprechen, den Mörder zur Strecke zu bringen, darf nicht gebrochen werden, selbst, wenn unser pensionierter Kommissar daran zerbricht, und die Kirche ist hier kein Ort der Zuflucht, sondern eine potentielle Gefahr.

Selbst ein putziges Tier wie ein Igel, der keinem Menschen etwas zuleide tun will, und allenfalls als Roadkill typisches Opfer der Zivilisation ist, wird hier zum Symbol des Bösen.

Der Leser wird längst bemerkt haben, daß sich der Rezensent in seiner Begeisterung für den Film etwas verirrt hat. Es soll noch der Schnitt erwähnt werden, der durch Überblendungen zunächst verwundert, doch später dieses Stilmittel gewinntbringend einsetzt, die fulminante Musik und die allesamt oscarverdächtigungen Darstellungen, insbesondere von Aaron Eckhart, Benicio del Toro, Mickey Rourke und Vanessa Redgrave, die mit leisen Berührungen und subtilen Körperspiel in wenigen Minuten Welten eröffnen, aber natürlich auch Jack Nicholson, der mit seinem Schnurrbart aussieht wie aus einem Max Frisch-Roman entstiegen, und der hier nur in zwei, drei Sekunden durch ein fast unmerkliches Lächeln daran erinnert, daß er in "The Shining" die vielleicht blödsinnigste Besetzung eines langsam irre werdenden darstellte. Hier nimmt man ihm die Entwicklung ab, was eine Leistung ist, die ihm eigentlich erstmals einen Oscar verdient haben läßt. Da er aber schon so viele hat, muß das nicht sein.