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3. Januar 2010
Christopher Pramstaller
für satt.org

  Rita Fürstenau: Raum kommt von Räumen
Rita Fürstenau:
Raum kommt von Räumen

rotopolpress 2009
16 Seiten, farbig, 10€
» rotopolpress


Finde deinen Weg

Wimmelbilder sind großartig. In keine andere Art von Bild kann der Betrachter derart tief eintauchen. Die vielen kleinen Ereignisse auf engen Raum lassen den Blick schweifen und fesseln die Aufmerksamkeit immer wieder im Detail. Dutzende Ereignisse, jedes für sich genommen ein kleines Abenteuer, werden durch einen gemeinsamen Rahmen zusammen gehalten – mal der Zoo, mal eine Stadtlandschaft. Im Kopf des Betrachters entfaltet sich ein facettenreiches Gesamtereignis, das er mit seiner eigenen Fantasie wesentlich mitgestaltet. Nur durch den aktiven Akt des Betrachtens werden die statischen Szenen lebendig und verbinden sich zu einem vitalen Gesamtereignis. So interessant diese Bilder sind, so bedauernswert ist es, dass es nicht viel mehr von ihnen gibt – gerade für Erwachsene. So muss bis in alle Ewigkeit immer wieder das in Einzelteile sich auflösende Ali Mitgutsch-Buch herhalten. Dabei gibt es in der Kunstgeschichte eine durchaus lange Tradition dieser Bilder, beginnend bei Hieronymus Boch und dem „Garten der Lüste“

Eine ganz eigene Art des Wimmelbildes hat Rita Fürstenau mit „Raum kommt von Räumen“ geschaffen. Es ist ein Leporello, ein Faltheft, welches den Leser auffordert, seinen eigenen Weg durch die von ihr entworfene, fantastische Bilderwelt zu finden. Auf 16 kleinformatigen Seiten versammeln sich Menschen, Vögel, Fische, Pflanzen und Gebäude. Alle liebevoll eingefangen in weichen Buntstiftzeichnungen. Nach und nach entfaltet sich die gezeichnete Welt in der modernen Bilderrolle, wenn eine Faltung nach der anderen ausgepackt wird. Nun gilt es zu drehen, zu falten, zu schauen – und eben zu fantasieren. Wie tief sich die sozialisierten Lesekonventionen in die Windungen des Gehirns eingegraben haben, fällt dabei schnell auf. Denn es braucht Zeit und Einfühlung, bis sich die Bilder erschließen und man als Leser einen ganz eigenen Modus gefunden hat um mit der Fülle an vagen Eindrücken und oft nur sehr lose zusammenhängenden Bildern umzugehen.

Rita Fürstenau: Raum kommt von Räumen
Ein Labyrinth an Möglichkeiten entfaltet sich in der modernen Bilderrolle.

Früher oder später hat man das Gefühl den Beipackzettel einer Medikamentenpackung in den Händen zu halten. Dann wird hier gedreht und da gedrückt, in Form gepresst und passend gemacht, was von Rita Fürstenau vielleicht so nie intendiert war. Nur mit wilden Verrenkungen lassen sich die Seiten halbwegs in Zaum halten. Doch es scheint der Ansatz der in Kassel lebenden freien Illustratorin zu sein, den Leser zur Eigenverantwortung und Kreativität zu zwingen. Sie entwirft nur einen losen Rahmen. Was daraus wird – ob überhaupt etwas daraus wird – das bleibt jedem selbst überlassen. Wer die Muse nicht aufbringen will oder kann, der wird mit den Bildern schlicht nichts anfangen können. Wer sich darauf einlassen will, dem bietet sich der Einstieg in eine schier endlose Reise durch die kleine Traumwelt und immer neue kleine Geschichten und Entdeckungen.

Auch wenn „Raum kommt von Räumen“ noch etwas grobschlächtig erscheinen mag, so ist es eine helle Freude, sich in die Fantasiewelt zu vertiefen. Endlich gibt es Wimmelbilder, die nicht ausschließlich nur für Kinder gedacht sind.