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Oktober 2005
Jörg Digmayer
für satt.org


Albert Uderzo:
Asterix Band 33:
Gallien in Gefahr

Egmont 2005

Cover
» amazon

Chronik eines
angekündigten Untergangs

Der 33. Asterix-Band wird nicht eben erfreulich aufgenommen. Das ist kein Wunder, denn die Erwartungen der Fans sind im Grunde unmöglich zu erfüllen. Zugleich aber zerstört Albert Uderzo systematisch die Funktionen, die den Erfolg der Reihe mit ausmachen.

Eigentlich hatte Albert Uderzo von Anfang an keine Chance. Soviel stand schon vor Veröffentlichung des 33. Asterix-Bandes fest. Die Fangemeinde wiegt sich in süßen Erinnerungen an den Witz und die Erfindungsmacht des genialen Szenaristen René Goscinny. Nur: die Abenteuer, die dieser bis zu seinem überraschenden Tod im Jahr 1977 verfasst hat, suchen in der Comic-Welt ihresgleichen. Zudem fallen sie in der Rückschau der nostalgischen Leserschaft mit jedem Jahr Abstand besser und geistreicher aus.

Auch ein hervorragender Texter könnte heute schwerlich vor den titanischen Ansprüchen der hartgesottenen Asterix-Fans bestehen - vermutlich würde selbst ein Goscinny vor seiner eigenen historischen Größe in die Knie gehen müssen. Brächte heute jemand ein Szenario mittelprächtiger Goscinny-Qualität hervor - sagen wir, so etwas wie den "Seher" - käme es vermutlich zum allgemeinen Aufschrei der Fans über den nicht endenwollenden Verfall der Asterix-Geschichten.

Insofern stand die negative Aufnahme des neuen Werks schon fest. Uderzo aber hat das Seine getan, um die Haltung der Leserschaft eindrucksvoll zu bestätigen. Die Story von "Gallien in Gefahr" tritt eine platte, dünne Idee (zwei konkurrierende Typen Außerirdischer kämpfen um den Zaubertrank) weiter breit. Stellenweise aufflackernder Dialogwitz kann sich nicht durchsetzen, wenn die Geschichte insgesamt extrem öde dahinschippert. Uderzo hat sich als Szenarist selbst unterboten und erzeugt schulterzuckende Langeweile. Hat der letzte Band "La Traviata" zwar einige Anleihen aus der eigenen Serie genommen, aber insgesamt solide Kost geliefert, so setzt sich der desaströse Trend von "Obelix auf Kreuzfahrt" mit diesem neuesten Band der Reihe fort.

Interessant ist es, dabei zu beobachten, wie Uderzo, seit er die Szenarien selbst schreibt, die Grundregeln und wohl auch einen Teil des Erfolgsrezepts von Asterix systematisch aushebelt.

Zu Goscinnys Zeiten galt ein eherner Rahmen: Die Serie schilderte annähernd realistisch die Lebensbedingungen ihrer Zeit. Sie bietet also einen, wenn auch humoristisch verfremdeten, so doch leidlich historisch "korrekten" Rahmen.

Als einzige Ausnahme, mit der die Weltgeschichte auf den Kopf gestellt wird, erlaubte Goscinny seinen Galliern den Griff zum Zaubertrank von Miraculix. Dieser Zaubertrank ermöglicht es den unterlegenen Galliern, dem römischen Eindringling zu widerstehen und das Kräftegleichgewicht auszugleichen, mit viel Witz und Verstand sogar umzukehren; der Trank ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichten.

Ausgangspunkt zahlreicher Abenteuer ist das Fehlen von bestimmten Zutaten, die Asterix und Obelix besorgen müssen ("Asterix bei den Schweizern", "Die große Überfahrt" - und auch noch bei Uderzo "Die Odyssee"), oder der Druide, der den Trank nicht mehr zur Verfügung stellen kann ("Asterix der Gallier", "Der Kampf der Häuptlinge", "Asterix bei den Goten") oder will ("Der Seher", "Streit um Asterix").

Abgesehen vom Zaubertrank aber geht alles mit rechten Dingen zu. Asterix und Miraculix bleiben als stets rationale Skeptiker allen Formen von Aberglauben oder Massenhysterien fern. Diese Haltung nur ermöglicht auch die Auflösung von kriminalistischen Handlungen wie im "Kupferkessel" oder bei den "Olympischen Spielen". Goscinny singt hier das Hohelied cartesianischer Klarheit, vertreten durch seine Helden.

Uderzo hingegen spielt zusehends mit der Realität und den Zeiten. In jedem der von ihm verfassten Abenteuer erlaubt er neue Wunder, die die schlicht-reale Logik der Handlung verwirren: Im "Großen Graben" bringt ein neuer Zaubertrank die Römer zum Schrumpfen, auf einmal singt Troubadix Regen herbei, und Teppiche können fliegen ("Asterix im Morgenland"), seltsame Atlantiden bevölkern Ozeane, die sonst den Mesopotamiern und den Piraten vorbehalten waren ("Obelix auf Kreuzfahrt").

Im neuesten Abenteuer mit seinen außerirdischen Protagonisten wird das auf die Spitze getrieben, genau wie der Zeitbezug als satirischer Spiegel sich auflöst. Goscinny hat noch unsere heutigen Zeiten satirisch aufs Korn genommen, indem er sie konsequent in die Antike transponiert hat: ochsengezogene Wohnwagen, die sich auf den Römerstraßen nach Hispanien gestaut haben, stille Banksafes in Helvetien. Alles war antikengerecht und doch bis zur Kenntlichkeit verfremdet, und darin lag die umwerfende Komik der Serie. Uderzo verwendet dagegen Raumschiffe und Computer, Klone und Roboter - ungeniert und skrupellos. Statt Goscinnys feinstichigem Florett führt er die grobe Gaudikeule.

Der Zaubertrank hingegen, der bei Goscinny eine wesentliche Quelle für Komik und Gefahr war, tritt bei Uderzo immer weiter in den Hintergrund. Im neuesten Abenteuer ist er nur noch der Anlass zum Streit, genauso gut könnten sich die Supermänner und Mangaroboter um die Wildsauen oder die Harfe von Troubadix prügeln; das feinaustarierte Machtgefüge zwischen Römern und Galliern - es wird im neuen Band zur reinen Staffage für die Duelle der Außerirdischen. Überhaupt wirken die Figuren wie Statisten. Auch wenn Uderzo einen comic-kultur-kämpferischen Anspruch der europäischen Art gegenüber Amerikanern und Japanern pflegen möchte: In seinem Szenario schauen die Gallier passiv und erstaunt zu, wie die andern um die Herrschaft kämpfen!

Selbst wenn man sich nicht der hämischen Schelte anschließen mag, dass dem Szenaristen Uderzo schlicht nichts mehr einfällt und er deshalb zu solchen Taschenspielertricks greifen muss, bleibt doch der Schluss, dass mit diesen immer neuen übersinnlichen und -irdischen Wendungen die Glaubwürdigkeit, ja: die Spannung der Abenteuer auf der Strecke bleiben muss, die den Leser über viele Alben hinweg begleitet haben. Wo alles möglich ist, gibt es eben keine ausweglosen Situationen mehr, kann man mit den Helden nicht mehr bangen. Wo Raketen und Superhelden durchs Dorf fliegen und alles in die Luft jagen können, welche Wirkung haben dann die römischen Legionen, die noch in "Streit um Asterix" oder im "Geschenk Cäsars" echte Spannung erzeugen konnten? Uderzo erzeugt den Overkill; vielleicht ist das modern, vielleicht kann man damit junge Leser begeistern, den Esprit der Serie Asterix aber, den hat er damit endgültig begraben.