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Juli 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org


Jeff Smith:
Bone #55

Cartoon Books 2004

Jeff Smith: Bone #55

48 S., sw, $ 2,95
» boneville.com

Bone #55




Jeff Smith
Jeff Smith

Die zweite große US-Independent-Comicserie, die nach Dave Sims Cerebus in diesem Jahr abgeschlossen wurde, ist Jeff Smiths Bone. Im direkten Vergleich gegen die 300 Ausgaben Cerebus in knapp über 25 Jahren erscheinen die 55 Bone-Hefte in etwa der halben Zeit zwar etwas mager, aber der Erfolg von Bone gerade auch im Ausland lässt dafür Cerebus weit hinter sich. Wer so wie ich bei Bone einstieg, als man noch bei der einstelligen Heftnummerierung war und Heft #1 immerhin noch in der vierten Auflage beim Verlag bestellt werden konnte, wird vielleicht mit meiner Meinung übereinstimmen, daß die Serie über die Jahre viel von ihrer ursprünglichen Naivität verloren hat. Zwar wusste man in den ersten Heften nicht, was den Possum-Kindern passiert oder was Fone Bone beim gemeinsamen Bad mit Thorn mit der Seife anstellt, doch mit den Jahren wurde aus dem ursprünglichen sehr Disney-ähnlichen Stil der Serie eine mysthische und oft genug grauenerregende Geschichte von tolkienschen Ausmaßen, bei der Schlachten, Intrigen, Tod und Verstümmelung zwar nicht zum Normalzustand wurden, aber immerhin jederzeit möglich waren. Dementsprechend war auch der Erwartungsdruck sehr hoch. Wie würde Smith seine immer dystopischer erscheinende Mär zuende bringen? Würde das letzte Heft noch irgendetwas mit dem jugendlichen Charme des ersten Bone-Heftes gemeinsam haben?

Jeff Smith: Bone #55

Glücklicherweise hat Smith die Erwartungen übertroffen, wie er es in der eigentlichen Reihe lange Zeit nicht mehr vollbracht hat. Allenfalls Spinoffs wie Rose oder Stupid, Stupid Rat-Tails konnten in letzter Zeit noch so überzeugen wie Smiths Anfänge, zu denen er sich am Abschlußheft in grandioser Weise wieder besonnen hat.

Zwar beginnt das Abschlußheft mit einer atemberaubenden Verfolgungsjagd und der Einmischung von Mim, der wahnsinnigen (und wahnsinnig großen) Königen der Drachen, doch die vierseitige stumme Sequenz, die einen Großteil der Probleme auflöst, ist weniger ein großartiges Schlachtengemälde als eine Analogie auf den Kreislauf des Lebens. Es folgen danach über 30 Seiten Abschied (trotzdem kostet das Heft noch genausoviel wie Heft #1), doch die Rührseligkeit des Lord of the Rings-Epilogs umgeht Smith geschickt. Bis zuletzt befürchtet man als Leser, daß Phoney Bone sich wie der Scrooge von Dickens noch zum Besseren bekehren lässt, oder daß Fone Bones große unerfüllte Liebe zu Thorn irgendwie gegen alle Logik erwidert werden könnte, doch stattdessen schiebt Smith beispielsweise vier Seiten ein, die langjährige die hard-Bone-Fans bereits kennen. 1993 erschien als Beiheft zum Comic-Magazin Hero eine kurze Geschichte namens "Happy Winter Solstice!", bei der bereits als Begleittext folgendes zu vernehmen war:

"We peek ahead to the Bone cousins' second winter in the valley; and their first holiday celebrations with Thorn and Gran'ma Ben. This seasonal story was done especially for this HERO preview and will not be seen again until it is reprinted, in continuity, in a future volume of The Complete Bone Adventures."

Erstaunlicherweise ist es dann auch der (wieder mal überraschend plötzliche) Winterausbruch, der Heft #1 und #55 verbindet, den Kreis schließt. Und so, wie die Cousins (allerdings nicht zu dritt) das Tal verlassen und sich auf den Weg in das nach wie vor ungesehene Boneville machen, so endet Bone mit einem Höhepunkt des Smith'schen Schaffens. Diverse weitere Höhepunkte wie das Wiedersehen mit alten Bekannten und eine sehr pietätvolle Beerdigungszeremonie lassen nur einen Grund zur Klage: Daß es kein Bone #56 geben wird …