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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




November 2005
Thomas Vorwerk
für satt.org

Harry Potter und der Feuerkelch
Harry Potter and the Goblet of Fire

UK 2005

Filmplakat

Regie:
Mike Newell

Buch:
Steve Kloves

Lit. Vorlage:
J. K. Rowling

Kamera:
Roger Pratt

Schnitt:
Mick Audsley

Musik:
Patrick Doyle

Production Design:
Stuart Craig

Darsteller:
Daniel Radcliffe (Harry Potter), Emma Watson (Hermione Granger), Rupert Grint (Ron Weasley), Brendan Gleeson (Prof. Alastor „Mad?Eye“ Moody), Ralph Fiennes (Lord Voldemort), Miranda Richardson (Rita Skeeter), Stanislav Ianevski (Viktor Krum), Robert Pattinson (Cedric Diggory), Roger Lloyd Pack (Barty Crouch), David Tennant (Barty Crouch Junior), Jason Isaacs (Lucius Malfoy), Matthew Lewis (Neville Longbottom), Katie Leung (Cho Chang), Clémence Poésy (Fleur Delacour), Robert Hardy (Cornelius Fudge), Frances de la Tour (Madame Olympe Maxime), Pedja Bjelac (Igor Karkaroff), Tom Felton (Draco Malfoy), Michael Gambon (Prof. Albus Dumbledore), Robbie Coltrane (Rubeus Hagrid), Gary Oldman (Sirius Black), Maggie Smith (Prof. Minerva McGonagall), Alan Rickman (Prof. Severus Snape), David Bradley (Argus Filch), Shirley Henderson (Moaning Myrtle), Timothy Spall (Wormtail), Warwick Davis (Prof. Filius Flitwick), Mark Williams (Arthur Weasley), James Phelps (Fred Weasley), Oliver Phelps (George Weasley), Bonnie Wright (Ginny Weasley), Devon Murray (Seamus Finnigan), Afshan Azad (Padma Patil), Shefali Chowdhury (Parvati Patil), Tiana Benjamin (Angelina Johnson), Eric Sykes (Frank Bryce), Jeff Rawle (Amos Diggory), Jarvis Cocker (Band Lead Singer)

157 Min.

Kinostart:
17. November 2005
Bilder © 2005 Warner Bros. Ent.
Harry Potter Publishing Rights © J.K.R.

Harry Potter characters, names and related indicia are trademarks of and © Warner Bros. Ent.
All Rights Reserved.

Harry Potter
und der Feuerkelch
Harry Potter
and the Goblet of Fire

Great Expectations
Der dritte Harry Potter-Film war ja für viele eine positive Überraschung, weil nach dem geschickten Handwerker Chris Columbus (verantwortlich für Adventures in Babysitting, Home Alone, aber leider auch Mrs. Doubtfire und Bicentennial Man) mit Alfonso Cuarón (Great Expectations, Y tu mamá también) ein echter Visionär in den Regiestuhl gesetzt wurde. Für den vierten Film ist nun abermals ein neuer Regisseur verpflichtet worden, und bei dem Briten Mike Newell, den man früher mal als außergewöhnlich eingeordnet hätte (Four Weddings and a Funeral, Donnie Brasco), dessen letzter Film Mona Lisa Smile aber höchstens durchschnittlich war, weiß zumindest ich nicht recht, was ich erwarten soll.

The Book
Harry Potter Band 4Harry Potter and the Goblet of Fire, der vierte (und somit mittlere) Roman der erfolgreichen Reihe, wird von vielen Lesern (der Autor reiht sich hier ein) als bisher bestes Buch eingestuft. Eine Auflockerung des bisher rigiden Narrationsmusters (statt des obligatorischen Qudditch-Schulpokalwettbewerbs wird diesmal die Weltmeisterschaft besucht und an der Schule ein internationales Kräftemessen zwischen drei europäischen Zaubereischulen durchgeführt), der bisher nur angedeutete Übergang der Hauptfiguren in die Pubertät mit ihren Irrungen und Wirrungen, sowie gelungene neue Figuren wie etwa der bisher mit Abstand interessanteste Lehrer im Fach "Defense against the Dark Arts", Alastar "Mad-Eye" Moody. Und einige unerquickliche Überraschungen, die für manche Leser wie ein Schlag in die Magenkuhle wirkten.

Casting
Ein nicht geringer Reiz der Harry Potter-Filmserie war immer die creme de la creme der britischen Schauspielerriege, die sich hier die Tür in die Hand gibt: John Cleese, David Thewlis, Julie Walters, John Hurt, Kenneth Branagh und Emma Thompson sind nur diejenigen, die diesmal nicht dabei sind. Und schon im Vorfeld war es interessant, zu erfahren, wer denn für die Neuzugänge besetzt werden würde. Brendan Gleeson scheint für „Mad-Eye“ Moody wie geschaffen, Miranda Richardson als Rita Skeeter ist auch etwas, auf das man sich freuen kann - und Ralph Fiennes als Lord Voldemort ist eine Wahl, die nicht nur Death Eaters mit Spannung ergreift.

Das Wachstum der jungen Schauspieler
FilmszeneDoch auch jene Darsteller, die vor dem ersten Harry Potter-Film nur ihren Eltern bekannt waren, werden für den Betrachter immer interessanter. Man erinnere sich, wie Daniel Radcliffe und Rupert Grint im ersten Film noch mit Piepsstimmen auftraten, während zumindest der Harry-Darsteller heutzutage aln veritables Boygroup-Mitglied inklusive Waschbrett-Bauch durchgeht. Für die Neuzugänge wurden auch wieder großartige Castingbemühungen veranstaltet, für Harrys love interest Cho Chang sollen etwa 5000 Mädchen vorgesprochen haben, und auch die drei Schulchampions Cedric, Viktor und Fleur sind neue Gesichter, die aber wie aus den Seiten des Buches zu stammen scheinen. Wirklich prächtig entwickelt seit dem ersten Film haben sich die Weasley-Zwillinge Fred und George, die im Film einige sehr nette Szenen bekamen, und auch bei Ginny Weasley, der Jüngsten des Klans der Rothaarigen, kann man durchaus bestaunen, welch glückliches Händchen die Casting-Verantwortlichen bereits beim ersten Teil hatten.

Humor und Attraktionen
Während der Film mit dem bisher dunkelsten Warner-Logo und einer nächtlichen Friedhofsatmosphäre beginnt, ist Harry Potter and the Goblet of Fire vor allem aufgrund seines ausgeprägten Humors eine positive Überraschung. Man merkt, daß Mike Newell sich im Timing von Pointen versteht, und mit diesmal teilweise auffällig subtilem Spiel geben insbesondere die Hogwarts-Schüler jede Menge Grund für Lachsalven, die durch das Kino gehen wie eine „La Ola“-Welle bei einer Sportveranstaltung.

Insbesondere in der ersten halben bis dreiviertel Stunde des Films gibt es außerdem eine schier nicht abreissen wollende Aneinanderreihung visueller Attraktionen, die den buchinformierten Betrachter auch vergessen macht, wie schnell man sich durch die ersten 300 Seiten des Buches arbeitet, um möglichst schnell zum Triwizard Tournament zu kommen. Der Portkey, die Pre-Game-Show des Quidditch-Worldcups, das dunkle Mal, die Verwüstung des Zeltlagers durch die gespenstisch aussehenden Death Eaters, die Ankunft der zwei Zaubereischulen, aber auch kleine Details, die nicht der Art Direction oder den Visual Effects zu verdanken sind (e. g. die derrières der Schülerinnen von Beauxbaton) lassen die Zuschauer nahezu genauso oft die Luft anhalten wie sie die Lachmuskeln strapazieren.

Die drei Aufgaben
FilmszeneWenn es jedoch um die drei Aufgaben des Triwizard Tournament geht, ist wieder alles auf Spannung konzentriert. Harrys Kampf mit dem Drachen ist hierbei besonders gelungen, doch auch der Ausflug in den dunklen See und das Heckenlabyrinth bringen Momente mit sich, für die man den Film liebt, so etwa die sehr gelungene Verwandlung des „Fischkopfes“ Krum oder die „Dünger-Beschaffungsmaßnahmen“ der Heckenwurzeln. (Mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten …)

Die „vierte Aufgabe“
Doch der Film unternimmt die Wandlung vom Humor zur Spannung sehr flexibel, denn zwischendurch gibt es ja noch den Yule Ball, für den die Jungs sich eine Tanzpartnerin organisieren müssen (und ich meine hier weniger den Tanzunterricht zwischen Ron und Minerva), und die verwirrenden Hormone für einige der schönsten Momente des Films sorgen. Wenn Hermione in ihrem Ballkleid auftaucht, fühlt man sich für einen Moment wie in eine Jane Austen-Verfilmung versetzt, und im Zusammenhang mit dem Sturz in die Pubertät keineswegs unerwähnt bleiben darf die Szene mit „Moaning Myrtle“, die zwar nicht durch den allersubtilsten Humor hervorsticht, aber einen klaren Höhepunkt des Films markiert. War das Gejaule von Myrtle in Chamber of Secrets teilweise noch unerträglich, entwickelt sie sich hier (auch durch die talentierte Darstellerin Shirley Henderson) zu einem echten scene stealer.

“Weird Sisters“
FilmszeneEinen Auftritt auf dem Yuleball haben auch die „Weird Sisters“, eine Band, die in den Büchern immer mal wieder am Rande ewähnt wird, und offenbar innerhalb der magischen community einen ähnlichen celebrity status einnimmt wie der Buchautor Gilderoy Lockhart oder die Sportskanone Viktor Krum. Ursprünglich sollten Mitglieder von Franz Ferdinand hier die Chance auf ein Millionenpublikum bekommen, doch da die band sich gerade auf Tour befand, wurde Jarvis Cocker ausfindig gemacht, der für den Soundtrack gemeinsam mit Steve Mackey von Pulp, Phil Selway und Jonny Greenwood von Radiohead, sowie Steve Claydon und Jason Buckle von Cockers neuer Band Relaxed Muscle gleich drei Songs einspielte. Interessanter als die allesamt nur kurz im Film angespielten Songs mit Titeln wie „Magic works“ oder „Do the Hippogriff“ ist aber das für Cocker außergewöhnlich grelle Make-Up im Glamrock-Stil, das jeden Pulp-Fan auch bei absolutem Desinteresse für Harry Potter ins Kino rennen lassen wird.

Und die allermeisten Musikliebhaber werden es auch zu schätzen wissen, daß Komponist John Williams (Star Wars, Jaws, Indiana Jones, gääähn) für den vierten Film von Patrick Doyle (Carlito’s Way, Bridget Jones’s Diary, Gosford Park) abgelöst wurde.

Feuer! Feuer! Feuer!
FilmszeneSchon im Titel findet sich das Hauptthema des vierten Films nach der Konzentration auf „Zeit“ im Prisoner of Azkaban. Eine geschätzte satt.org-Kollegin, die mal bei unserer Partnerseite www.filmkritiken.org fremdgeht, konzentriert sich in ihrer Interpretation ganz auf dieses und andere Themen des Films, mich persönlich interessiert aber vor allem, warum der Kurzauftritt von Sirius Black im Kamin nicht durch eine für das Floo Powder typisch grüne Feuerwand hindurch geschah, sondern die verglühenden Scheite selbst sich zum Gesicht des Darstellers Gary Oldman formierten. Visuell genauso interessant wie das riesengroße Display im Qudditch-Stadion, aber für den Leser teilweise etwas verwirrend.

Buntglasfenster und andere Gemälde
Eine andere visuelle Veränderung, die in jeder Weise eine Bereicherung wurde, betrifft die nach drei Filmen inzwischen nicht mehr ganz so spannenden „lebenden Gemälde“ auf Hogwarts. Diese treten relativ in den Hintergrund, dafür gibt es aber an zwei prominenten Stellen Buntglasfenster (wie man sie aus Kirchen kennt), die die Handlung sogar kommentieren. Zum einen wird der Gemütszustand von Neville Longbottom gespiegelt, zum anderen gibt es in der Badeszene neben der gänzlich bekleideten Myrtle zumindest auch eine Nixe, deren Haarpracht sich partout nicht von den Brüsten wegbewegen will, wodurch das voyeuristische Element der Szene sich auf beide Geschlechter verteilt. Mindestens genauso pfiffig ist aber auch das Schriftbild des Daily Prophet: Da der Kinobesucher sich nicht wie der Leser durch Zeitungsartikel kämpfen will, versinnbildlichen neben den Schlagzeilen und Photos auch noch die zum Beispiel in Herzform arrangierten Fülltexte die Inhalte der jeweiligen Artikel.

Brendan Gleeson und Miranda Richardson
FilmszeneDie Darsteller der impertinenten Reporterin Rita Skeeter und des neuen Lehrkörpers „Mad-Eye“ Moody (der im Kampf gegen die dunkle Magie bereits mehrere Organe eingebüsst hat) verzücken ebenfalls. Miranda Richardson (The Crying Game, Enchanted April) ist zwar fast ausschließlich nur für den comic relief zuständig, doch gerade bei Brendan Gleeson (Braveheart, Gangs of New York, Kingdom of Heaven) verbinden sich komische und tragische Elemente auf einzigartige Weise, und er dürfte wohl die zweitwichtigste Bereicherung zum Regular Cast sein, die man diesem Film zu verdanken hat.

Lord Voldemort
Neben Harrys Rückkehr mit dem Triwizard Cup ist einer der emotionalen Höhepunkte (schudder!) des Films sicher die Rückkehr von Lord Voldemort, der ja seit seinem missglückten Anschlag auf Baby Harry in den „unfreiwilligen Ruhestand“ musste. Ralph Fiennes, der bereits als KZ-Kommandeur in Schindler’s List, als Serienmörder in Red Dragon sowie als (last, and in this case also least) Stimme eines blutrünstig-aristokratischen Jägers in The Curse of the Wererabbit bereits mehrfach überzeugende Darstellungen als Bösewicht bot, übertrifft sich als schlangengesichtiger Lord Voldemort diesmal selbst. Wer seinen achtjährigen Kinder noch den Prisoner of Azkaban als DVD zum Geburtstag geschenkt hat (“Mami, was bedeutet eigentlich freigegeben ab 12 Jahren?“), sollte sich diesmal den Film vorher mal alleine anschauen oder sich darauf einstellen, daß die lieben Kleinen nach dem Film erstmal eine Woche bei Mutti und Vati im Bett schlafen wollen. Und dies soll kein Vorwurf an den Film sein, ich bin durchaus auch mit den dunkleren Momenten sehr glücklich.

Was fehlt?
Um aus einem dialoglastigen Roman-Ungetüm von 800 Seiten einen Film zu machen, der auch das Sitzfleisch junger Kinogänger nicht zu sehr strapaziert, bedarf es natürlich einiger Kürzungen oder Streichungen, die bei Goblet of Fire besonders gehäuft auftreten. Ganze Figuren wie Ludo Bagman, Bill Weasley oder Winky werden nicht mal erwähnt, die obligatorische Dursley-Episode wurde ebenso ausgespart wie das eigentliche Endspiel der Quidditch-Weltmeisterschaft (eine sehr geschickte Ellipse, weil der Spielverlauf und insbesondere der Spielausgang wie im Buch Nichtleser klar überfordern würde …).

Dobby, S.P.E.W. und die House-Elf Liberation Front mussten ebenso weichen wie Hagrids Abstammung und seine geliebten Blast-Ended Skrewts. Oder die Wetteinkünfte der Zwillinge oder die Auflösung, wie Rita Skeeter sich ihre Informationen besorgt - weg damit, lenkt nur ab! Doch alle Streichungen stärken den Film nur, und selbst, wenn man als nichtinformierter Zuschauer schon recht ausgeschlafen sein muss, um zu kapieren, was Priori Incantatem bedeutet oder wer jetzt eigentlich für die im Wald gefundene Leiche verantwortlich ist (das wiederkehrende whodunit-Element ist in den Büchern sehr viel ausgeprägter), wird wahrscheinlich auch jeder Zuschauer bestätigen, daß die letzte Viertelstunde des Films mit den Auflösungen und Erklärungen (und einem erhöhten Kitsch-Faktor) auch in der letztendlichen Version nicht eben zu den dramaturgischen Höhepunkten gehört, weshalb Drehbuchautor Steve Kloves (laut www.imdb.com soll man für den fünften Film auf diesen verantwortungsbewussten Mitschöpfer der Filmserie verzichten) sich wohl auch entschieden hat, eine nicht unwichtige Komplikation am Schluß (die Reaktion des Ministeriums) fast gänzlich auf den nächsten Teil zu verschieben.