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Mascha Kurtz
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Juni 2002
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- daily kurtz -


Dienstag, der 25. Juni 2002


Was tun mit der Landschaft?

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Die Hügel und Wälder, die Flussbetten, die Wiesen. Sie scheinen immer dagewesen zu sein, irgendwann entstanden, lange her, ohne menschliches Zutun. Wie ich mich verirre in meinen falschen Annahmen. Landschaft ist gemacht. Einige Pflanzenarten wurden begünstigt, andere erstickt, manche von Tieren gefressen. Wiesen waren Äcker, Waldränder sind beschnitten, und all das, was ich Natur nenne, ist gestutzt, gelenkt, kultiviert, angepasst. Eine Natur kann nicht so bleiben, wie sie war. Wo jemand ist, wird etwas verändert. ich greife in die Natur hinein und hole heraus, was mir passt. Eine Blumenwiese, einen Bachmäander, einen Berg. Ich dämme ein, mähe, pflanze, leite um, trage ab. Ich forme sie zur Landschaft. Dann laufe ich hindurch und genieße die Spuren meiner Arbeit. Ich habe die Natur gezähmt. Ein glatter Feldrand ist erfreulich, ebenso die Kastanienallee, die steifen Ähren bis zum Horizont, die Mauer, die meinen Weg flankiert. Die Landschaft ist mein Zuhause. Sie bedroht mich nicht. Ich kann mich darauf verlassen, dass sie sich an die Regeln hält. Die Landschaft ist nicht unberechenbar wie die Natur; das eine folgt aufs andere, schlimmstenfalls wird man bei Regen nass oder es gibt weniger Pflaumen als im Vorjahr. Ich halte sie nieder und recke meine Arme in den Himmel. Ich bin der Sieger. Einmal muss es anders gewesen sein, aber daran erinnere ich mich nicht.

 
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