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23. Juli 2011
Thomas Backs
für satt.org

 

Meine erste Depeche-Platte

Meine erste Depeche-Platte: Christina Mohr
Christina Mohr: See You, 7inch, 1982
  • Happy Birthday, Martin Gore! This was me when you entered my world...
Meine erste Depeche-Platte: Ingo Eicken
Meine erste Depeche-Platte: Ingo Eicken
Ingo Eicken: Everything Counts, 12inch und 7inch, 1983
  • Mit EVERYTHING COUNTS hat für mich vor 28 Jahren alles angefangen. Danke MARTIN für unvergessene und geniale Songs! Gratulation zum 50.!!!
Meine erste Depeche-Platte: Michael Posdziech
Michael Posdziech: Strangelove, 7inch, 1987
  • Keep going Mart, another 50! Cheerio - derMicha.
Meine erste Depeche-Platte: Janine Andert
Janine Andert: Black Celebration, Vinyl LP, 1986
  • »Let’s have a black celebration [...] tonight. [...] I look to you how you carry on when all hope is gone.« Happy birthday, Mr. Gore!
Meine erste Depeche-Platte: Matthias Berghoff
Matthias Berghoff: Blasphemous Rumours/ Somebody, 12inch, 1984
  • This Record was bought on a flee market in the early 90s. Happy Birthday!
Meine erste Depeche-Platte: Thorsten Ostermann
Thorsten Ostermann: Everything Counts (live), Maxi-CD, 1989
  • Martin, thank you so much for inspiring my life. And special thanks for »Somebody«, which is still the greatest love song!
Meine erste Depeche-Platte: Thomas Backs
Thomas Backs: Shake The Disease, 12inch, 1985
  • Thank you for the music, Martin! Make sure you have a good time!
Meine erste Depeche-Platte: Thomas Vorwerk
Thomas Vorwerk: See You, 7inch, 1982
  • All I want to do is HEAR YOU again (and again). Is that too much to ask for?

Happy Birthday,
Martin Gore!

»Als kleines Kind war ich ziemlich schüchtern«, hat Martin L. Gore Autor Steve Malins für die offizielle Depeche Mode-Biografie erzählt. »Ich hatte eigentlich fast keine Freunde und verbrachte die meiste Zeit in meinem Zimmer beim Märchenlesen. Ich versenkte mich tief in Märchenbücher und lebte in einer anderen Welt. Auch in der Schule fehlte es mir an Selbstvertrauen. Nur selten meldete ich mich zu Wort.« Wie schön, dass der kleine Martin sich irgendwann für die Musik entschieden hat.

So können wir ihm heute zu seinem 50. Geburtstag gratulieren. Und mit einer kleinen Bilder-Galerie »Danke« sagen für 30 Jahre Depeche Mode. »Meine erste Depeche-Platte« war das Motto einer kleinen Foto-Aktion, die wir für diesen Anlass vor einigen Wochen gestartet hatten. »Ein Bild, ein Tweet« waren dabei gefragt. Das Ergebnis könnt Ihr auf dieser Seite bewundern. Antworten wie »Mit DM kann ich nix anfangen« oder »Ich nehm' lieber eine Neubauten-Platte«, die gab es auch. Andere, die die Zeit mit Depeche Mode bis heute genossen haben, machten dafür gerne mit und kramten Schätze aus ihren Sammlungen. Ausweichen konnte den heutigen Superstars des Synthie-Pop sowieso fast keiner. Wer in den 1980ern und 1990ern Musikliebhaber war , der hörte auch – ob freiwillig oder nicht – Gore-Songs wie »Master And Servant« (1984), »Never Let Me Down Again« (1987), »Personal Jesus« (1989) und »Enjoy The Silence« (1990). Später, da wurden die Abstände zwischen den Alben größer, mit Songs Of Faith And Devotion (1993), Ultra (1997) und Playing The Angel (2005) waren unter fünf Longplayern dafür noch drei Werke, die gefeierte Megaseller wurden.


Mehr als 100 Millionen Tonträger haben Depeche Mode bis heute verkauft, viele davon in Deutschland. Die Heimat von Elektro und Industrial hatte dabei großen Einfluss auf Martin Gore, Depeche Mode und das Label Mute um Daniel Miller. Einstürzende Neubauten sah der DM-Songwriter 1983 bei ihrem »Metal Concerto« im Londoner Institut für zeitgenössische Künste. In diesem Jahr und dem darauf wurde Berlin zur zweiten Heimat der Band. Die Sample-Technik bereicherte den Synthie-Pop, das Album Construction Time Again (1983) mit »Everything Counts« wurde in den Hansa-Studios neben der Mauer abgemischt, Some Great Reward (1984) mit »People Are People« und »Master And Servant« enstand komplett dort. Die Fangemeinde, sie wuchs in einem rasanten Tempo. Martin Gore, Dave Gahan, DM und ihre Hörer hatten dabei in den 1980ern und 1990ern lange eines gemeinsam: Sie wurden nicht selten für Synthie-Pop, schwarzes Leder und schräge Frisuren belächelt. »Enjoy The Silence after listening to a Depeche Mode record« war da noch ein harmloser Spruch, den mir zu Schulzeiten mein Sitznachbar im Englisch-LK drückte. Irgendwann in den frühen Neunzigern. Wie das früher alles so war, beschreiben unsere Autorinnen Christina Mohr und Janine Andert:

Um Depeche Mode musste ich mal richtig kämpfen und zwar anno 1982 bei einer Klassenfete (»Parties« gab es damals noch nicht). Ich war im Besitz einer LP namens »Wave News«, super aufgemacht in lila Vinyl und durchsichtigem Plastikcover. Darauf waren Bands wie Eyeless in Gaza, Infa Riot, Dead Kennedys und zahlreiche heute vergessene Acts. Und die damals noch ziemlich unbekannten Depeche Mode mit »New Life«. Mein Schwarm M., unbestritten der coolste Typ der Klasse (Sitzenbleiber, schon 14 Jahre alt, rauchte, trank und trug Sex Pistols-Buttons an Opas Sakko), hatte die absolute Befehlsgewalt über den Plattenspieler und übte diese auch aus. Nach zehn Mal »Too Drunk To Fuck«, dessen Inhalt die Mehrheit unserer noch sehr unschuldigen KlassenkameradInnen ohnehin nicht verstand, reichte es mir aber. Ich wollte Depeche Mode hören und tanzen. Ich schritt zur Tat am Plattenspieler und riskierte einen ernsthaften Streit mit M. Egal. »New Life« lief und wir Mädchen tanzten. Danach waren wieder die Dead Kennedys dran. Und ein paar Stunden später knutschten alle zu Santanas »Samba Pa Ti«. Auch ich und M. (CM)

Als ich ein Kind war, stand im Müllschlucker-Raum unseres Neubaublocks in großen, weißen Lettern DEPECHE MODE. »Was ist das für eine Mode?« fragte ich meinen Papa. Der zog die »Black Celebration« aus dem Plattenregal. Ein Album, das programmatisch für meinen späteren Musikgeschmack werden sollte. SAT1 strahlte zu jener Zeit samstagmorgens das Musikmagazin »High Life« aus. Dafür schwänzte ich sogar die Schule. IMMER war ein Depeche-Mode-Song dabei. Mein Banknachbar sang mir ein ganzes Schuljahr lang begeistert »Somebody« vor. »Enjoy the Silence« stand fast zwei Jahre auf Platz 1 der BRAVO-Lesercharts. Meine Unschuld verlor ich bei »In Your Room«. Ich kann jedes bis 1995 erschienene Lied der Band rückwärts mitsingen. Mindestens ein Song landet auf dem imaginären Soundtrack meines Lebens – Kategorie »Kindheit und Jugend«. (JA)

»Devotees« ist eine Wortneuschöpfung, die irgendwer irgendwann in späteren Jahren für leidenschaftliche DM-Fans in die Welt gesetzt hat. Gerade in Deutschland gab und gibt es sehr viele davon. Für Martin Gore selbst war Berlin in den 1980ern zeitweise nicht nur musikalisch eine Wahlheimat, dort lebte er mit seiner deutschen Freundin. Die Sprache beherrscht er bestens, im englischen Basildon gehörte sie auch zu seinen Schulfächern. Ein kleines Nest namens Erfde brachte Gore im Sommer 1976 erste Eindrücke: Als 15-jähriger Austauschschüler war er dort, in der Provinz Schleswig-Holsteins, zu Gast. Weitere Besuche im winzigen 2.000-Einwohner-Ort folgten. Einen deutschsprachigen Song von Martin Gore, den gibt es auch. Aufgenommen wurde die Cover-Version allerdings erst im 3. Jahrtausend.. »Das Lied Vom Einsamen Mädchen« , ein Song aus den frühen 1950ern, erschien auf seinem zweiten Solo-Werk Counterfeit² (2003). Grund und Inspiration waren nicht Original-Sängerin Hildergard Knef und der Spielfilm Alraune (1952), sondern Nico: Die traurige Ikone und Warhol-Muse begeisterte Gore schon lange, auch mit ihrer Version des Lieds aus dem Jahr 1984. Überhaupt: Gores Solo-Werke Counterfeit e.p (1989) und Counterfeit² gehören auf eine ganz spezielle Art zu den Glanzlichtern seines Schaffens. Persönliche Interpretation seiner eigenen Favoriten sind hier zu hören. Songs wie »In A Manner Of Speaking« (Tuxedomoon), »Smile In The Crowd« (Vini Reilly), »Lost in The Stars« (Kurt Weill) oder »Loverman« (Nick Cave & The Bad Seeds) zeigen uns eindrucksvoll, wer Gores Lieblinge und Vorbilder sind.


2011: Revival mit Vince Clarke

Die Regie bei Depeche Mode hatte Martin L. Gore 1982 sehr plötzlich übernommen. Nachdem Vince Clarke sich verabschiedet hatte und mit Projekten wie Yazoo und Erasure eigene Wege ging. Mit »See You« und »A Photograph Of You« landeten so auch zwei Pop-Songs auf dem Album A Broken Frame (1982), die Gore bereits Jahre zuvor als Schüler geschrieben hatte. Der Minimalismus der frühen DM-Jahre, er verschwand in den Folgejahren immer mehr. Gut möglich jedoch, dass er bald ein kleines Revival erlebt: Es gibt aus offiziellen Quellen die Info, dass Vince Clarke und Martin L. Gore aktuell nach einer halben Ewigkeit wieder an einem gemeinsamen Projekt arbeiten. Wir dürfen also gespannt sein. Den eigenen, ganz persönlichen Stil, den hatte Martin Gore in den Jahren nach Clarke entwickelt. Erfolg und Ruhm waren für den Songwriter und Depeche Mode spätestens seit Mitte der 1980er gewaltig. Seine europäische Heimat, die hat Martin L. Gore inzwischen längst verlassen. Der am 23. Juli 1961 in London, geborene Künstler lebt heute im kalifornischen Santa Barbara und hat drei Kinder. Eines hat sich in all den Jahren nicht geändert: Mit ihrem Synthie-Pop wechselnder Färbung polarisieren Martin Gore und Depeche Mode, und das nicht zu knapp. Anerkennung kam langsam und spät, auch von anderen Künstlern. Die letzten Worte dazu sollen hier deshalb natürlich dem Geburtstagskind selbst gehören. Martin L. Gore im Jahr 2003 im Gespräch mit dem Magazin Visions:

»Es gibt viele gute Songs von mir, die nie wirklich ernst genommen wurden. Ich habe so lange Musik geschrieben, die niemand wirklich würdigte, dass ich es jetzt genieße, ein wenig Anerkennung zu bekommen. Dass Johnny Cash 'Personal Jesus' gecovert hat, ehrt mich sehr.«