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4. August 2008
Robert Mießner
für satt.org

Anne Hahn, Frank Willmann (Hrsg.): Satan, Rose Kemp: Unholy Majesty

Dunkler Dienstag

Im September erscheint »Unholy Majesty«, Rose Kemps neues Album. Haltet euch bereit. Vorher gibt sie ein Solokonzert in Berlin-Kreuzberg.

Die bessere Musik überrascht. Als Rose Kemp vorigen Sommer im Bastard Club im Berliner Prater auftrat, erwarteten nicht wenige, der Rezensent inbegriffen, einen Abend in Weird-Folk-Manier, also ätherischen Gesang mit wohldosiertem Gitarrenfeedback. Einmal in der tunnelartigen Lokalität, zwischen Garderobe, Tresen und Bühnenrand das gerade unter Mittdreißigern hochgradig beliebte Wartespiel beginnend, schwante uns schon, dass der Abend und die Nacht zum Morgen anders verlaufen sollten. Eine wahre Armada an Effekterzeugern war auf der Bühne aufgebaut. Dahinter stand ein sehr gigantisches Schlagzeug. Und als dann Rose Kemp und ihre Band anfingen, sich und das Publikum mit einer Doom-Metal-Improvisation in Trance spielten, wollten wir eine ganze Woche nur noch Black Sabbath hören. Das war laut, langsam und schlicht unerhört. Folk, auch in seiner freiesten Form, war es kaum mehr. Irgendwann haben wir auch einfach ignoriert, dass der Schlaf mal wieder ein kurzer werden würde.


Rose Kemp Solo-Set:
Dienstag, 05. August, 20.00 Uhr,
Westgermany, Skalitzerstr. 133,
10999 Berlin, U-Bahn Kottbusser Tor.

Den Bastard Club gibt es nicht mehr. Wahrscheinlich steht an seiner Stelle demnächst ein Fitnessstudio oder ein Museum, in dem Arbeitslose denen, die bald in ihre Wohnungen einziehen werden, den Prenzlauer Berg erklären dürfen. Dafür kann sich Rose Kemp beim Salat im Weinbergsweg noch gut an ihren Auftritt erinnern. Das heißeste Konzert, dass sie jemals gegeben hätte, sei das gewesen. Wer dabei gewesen sei, der habe ihr neues Album bereits in seiner Rohfassung gehört. Die Musik, die die Tochter Maddy Priors und Rick Kemps, Mitglieder der legendären englischen Folk-Rock-Band Steeleye Span, mittlerweile macht, lässt sich am ehesten zwischen Metal, Prog-Rock, Psychedelic und allerlei kunstsinnigem Lärm verorten. Wenn sie sich denn verorten ließe. Wäre sie eine solide Folksängerin, hätte sie auf eine weitaus sicherere Bank gesetzt. Aber gerade das wollte sie nicht, sagt sie. Viel lieber hört sie den hypnotischen, repetitiven und schleppenden Sound der Drone-Werker Earth, deren Album »The Bees Made Honey In The Lion’s Skull« (2008, mit dem eklektizistischen Jazzer Bill Frisell) sie in den höchsten Tönen lobt. Von Drone, jener Musik aus dem untersten Frequenzbereich, aus Echo und Hall, bei der der Boden unter den Füßen ein Eigenleben beginnt und auf den Nervensträngen Gespensterbahn gefahren wird, spricht Rose Kemp mit Verzückung.

Anne Hahn, Frank Willmann (Hrsg.): Satan, Rose Kemp
Foto © One Little Indian

Wenn sie nicht mit ihrer Band unterwegs ist oder wie letztes Wochenende mit den Free-Formern Jeremy Smoking Jacket auf dem kleinen, aber feinen Goldmund-Festival bei Berlin auftritt, gibt Rose Kemp auch Solokonzerte. Auf ihnen begleitet sie sich selbst mit mächtigen und fragilen Gitarrenläufen, jagt ihre hohe Stimme durch die verfügbare Elektronik und verwendet das Resultat als Arrangement und Rhythmustrack. Morgen lässt sich das in Berlin-Kreuzberg erleben. In einer ehemaligen Zahnarztpraxis, es sei erwähnt. Sie ist etwas skeptisch ob der Aura des Ortes. Aber keine Sorge, Rose Kemps Songs und Sounds bohren zwar tief, eine Strapaze sind sie nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall. Es handelt sich, wenn es so etwas gibt, um eine positive, energiegeladene Dunkelheit. Und die Betäubung, sie kommt aus dem Verstärker. Das nun ist gewiss.



»Unholy Majesty« erscheint
am 26. September 2008
auf One Little Indian.

» rosekemp.com
» myspace.com/rosekemp
» myspace.com/jeremysmokingjacket