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Mai 2008
Christina Mohr
für satt.org

WOOG RIOTS: PASP

„... we love cockney punk all day breakfast all night long good food groovy tunes outerspace gold kazoos no sex lack of passion no drugs lack of passion rock'n'roll lack of passion this is why we write songs naked“
(„Lack of Passion“)


People – Animals – Society – Places

Zwei Jahre nach „Strangelove TV“ gibt es endlich ein neues Album des Darmstädter Antifolk-Indiepop-Friendly-Punkrock-Duos Woog Riots! Silvana Battisti und Marc Herbert haben Freunde wie die Steinbach-Zwillinge Flavio und Fabrizio, Mathias Hill (Rockformation Diskokugel), Lolo Blümler und viele mehr ins Studio (bzw. in die Bar, in den Bus und in Marcs Wohnzimmer) eingeladen, um das Konzeptalbum „pasp“ aufzunehmen – Konzeptalbum? Ist das nicht grusel, igitt und bäh, peinliche Bombastmusik aus den siebziger Jahren, mit schaurigen Fantasy-Plattencovern? Nicht im Falle von „pasp“, die Abkürzung steht für die Themenkomplexe People, Animals, Society, Places, womit im Grunde ja das Leben an sich abgedeckt ist. Klingt nach einer großen Aufgabe, diese Topics auf einem Album abzuhandeln, aber den Woog Riots gelingt das mit ihrer charakteristischen Mischung aus awareness und revolutionärem Charme lässig. Schon nach den ersten Sekunden von „pasp“ wird klar, dass sich einiges verändert hat im Hause Battisti/Herbert: der Sound ist satter, rockiger, volumiger, tanzbarer. Die niedlichen lo-fi-Antifolker, als die die Woog Riots bisher hauptsächlich wahrgenommen und rezipiert wurden, existieren zwar noch, aber Silvana und Marc wollen nicht in der Niedlich-Nische stehenbleiben. Songs wie „People Working With Computers“, „Frank Backwards“ (ein Song für Knarf Rellöm) oder die Monks-Hommage „April '66“ leben von der Dynamik aus aufrührerischen Punkrockgitarren und treibenden Synthies, psychedelische Glöckchen in Verbindung mit tanzbarem Groove gibt es bei „Elephants & Mirrors“, das smarte „Art Museum“ könnte auch von Jonathan Richman komponiert sein. Überhaupt, das Songwriting: das haben Marc und Silvana deutlich perfektioniert. Haupterkennungsmerkmal der Woog Riots-Songs ist noch immer der harmonische Wechselgesang der beiden, doch die Melodien sind eingängiger, variationsreicher. Die Woog Riots machen große, beherzte Schritte nach vorn und nach allen Seiten, sie wollten mehr Beat, mehr Saft, mehr Groove, mehr Power und mehr Dancefloor – voilá, hier ist „pasp“!

 WOOG RIOTS
Foto: Per Schorn

satt.org: Ihr wart im Ausland auf Tour (England, Finnland...) – wie waren Eure Erfahrungen? Wie hat das Publikum auf Euch reagiert? Gibt es eine besonders schöne/schreckliche Episode? (Habe im Tourtagebuch von Silvanas kaputtem Knie gelesen, aber es sind ja noch mehr bemerkenswerte Dinge passiert).

Woog Riots: Wir touren sehr gerne im Ausland. Auch weil es für uns spannend ist, wie zum Beispiel Muttersprachler auf unsere Texte reagieren. In England ist das immer ein großes "Hallo" und nach den Konzerten besteht viel Redebedarf. Als wir im April diesen Jahres mit unserer neuen Platte dort auf Tour waren, gab es erfreuliche Kommentare wie "amazing how you bring so many serious issues amongst the happy tunes". Erleben kann man immer was auf Tour: In Finnland gab es zwar nicht die angekündigten -40 Grad Celsius, dafür aber eine "Tibia Infraktur" (ein Unterschenkel-Kopf-Bruch) von Silvana, die damit endete, dass die restliche Tour von ihr im Sitzen gespielt werden mußte. In England gab es dann Highlights, wie Auto in London abgeschleppt und dafür 260 Pfund berappen müssen, eine zerbrochene Heckscheibe in Manchester und die Fähre am letzten Tag verpaßt, da die komplette Autobahn gesperrt wurde. Trotz der Unwägsamkeiten kann uns das aber nicht abhalten, immer wieder dort zu spielen.

satt.org: Das neue Album klingt viel satter, volumiger als das erste – nicht mehr so lo-fi. Warum wolltet Ihr dieses mal einen anderen Sound? Oder war es gar nicht beabsichtigt, sondern entstand einfach so?

WR: Der Plan war von Anfang an, dass "pasp" auf dem Dancefloor funktionieren sollte. Wir haben beim Auflegen als DJs festgestellt, dass viele Indie-Lieblingsstücke leider nicht so tanzbar sind. Diese Lücke wollten wir schließen. Das haben wir auch allen, an den Aufnahmen Beteiligten, so vermittelt. Den für die Mixe zuständigen Co-Produzenten Lolo Blümler und Tobias Levin haben wir zum Beispiel gesagt, wir wollen klingen wie LCD Soundsystem. Herausgekommen ist natürlich eine Mischung aus dieser Vorgabe und irgend etwas sehr Woog Riots-spezifischem.


satt.org präsentiert:
Woog Riots live
  • 07.06.08 Göttingen / Anti-Fee Festival
  • 13.06.08 Esslingen / Komma
  • 15.06.08 Mannheim / Lebendiger Neckar Open Air
  • 16.06.08 Frankfurt / Das Bett (Record-Release-Party)
  • 17.06.08 Berlin / Intersoup
  • 18.06.08 Berlin / Schokoladen
  • 19.06.08 Hamburg / Frau Hedi
  • 20.06.08 Leipzig / Cafe Panam
  • 21.06.08 München / Babalu

satt.org: Ihr wurdet häufig in der Antifolk-Ecke verortet - seht Ihr das auch so oder sind Euch solche Genrezuschreibungen eher egal?

WR: Antifolk ist uns als Band-Netzwerk sehr wichtig. Wir haben das aber nie als stilistische Einschränkung gesehen. Freunde wie Knarf Rellöm spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Er hat uns auf den "Groove" gebracht! Dafür gibt es jetzt einen Song, der "Frank backwards" heißt.

satt.org: Würdet Ihr „pasp“ als Konzeptalbum bezeichnen? Oder als Vier-Konzepte-Album? Gab es noch andere Themenbereiche, die Ihr wieder verworfen habt oder stand die Konzentration auf "people, animals, society, places" von Anfang an fest?

WR: Ja, "pasp" ist ein Konzeptalbum. Zu der geplanten Orientierung in Richtung Dancefloor kam auch die Zielsetzung, textlich eindeutiger zu werden. Dabei kristallisierten sich nach kurzer Zeit vier Themenfelder heraus, denen man die einzelnen Songs zuordnen kann: People, Animals, Society, Places. Und das ergibt "pasp"! Dies ist auch ein Statement, dass es sich hier um ein künstlerisches Gesamtkonzept mit vier Kapiteln handelt. Ein Album im klassischen Sinne, das nicht auf ein paar einzelne Downloads reduziert werden sollte.

satt.org: Die Gästeliste auf Eurem Album liest sich beeindruckend - wie kam es zum Beispiel zu Kimya Dawsons Gastauftritt bei "Backstage Lemonade"?

WR: Kimya übernachtete nach einem Konzert mit ihrer Tochter und ihrem Lebensgefährten bei Silvana. Am nächsten Morgen haben wir dann unser Homerecordingstudio aufgebaut und Kimyas Vocals aufgenommen. In dem Song geht es um das Vorurteil, dass Mütter sich um ihre Kinder kümmern sollten und deshalb kein Rock'n'Roll-Star sein können. Kimya fand den Text super und hat gerne mitgemacht.

satt.org: Warum ist der Text von "Islam Punk" italienisch?

WR: Der Song ist inspiriert von der italienischen Punkband "CCCP Fedeli Alla Linea" und deren Song "Punk Islam" von 1987. Das Thema Islam Punk hat natürlich auch etwas mit Migration zu tun. Da war es naheliegend, dass Silvana, deren Vater in den 60er Jahren aus Italien nach Deutschland kam, den Text auf italienisch singt.

satt.org: Was ist die "Doormat Theory"?

Silvana: Die Doormat Theory hat Marc mal von einer Bekannten in Sardinien erklärt bekommen. Im Kern besagt die Theorie, dass in Beziehungen jeder seine eigene Türmatte inklusive Wohnung haben sollte, da dann auch niemand zum Fußabtreter des anderen wird.


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