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März 2008
Thomas Vorwerk
für satt.org

Soundtrack
John C. Reilly:
WALK HARD

Soundtrack: Walk Hard (John C. Reilly)

Zwischen der Sichtung des Films und dem Besitz des Soundtracks lagen bei mir etwa sechs Wochen, während derer ich mir auf youtube öfters den Song “Let’s Duet” und den Beatles-Auftritt reingepfiffen habe, doch während “Let’s Duet” nach einmaligem Schauen des Films wahrscheinlich die besten Chancen hat, im Gedächtnis zu bleiben, bietet der Soundtrack doch einige Schmankerl, die dieses zweideutig-schlüpfrige Duett noch weit übertrumpfen. Ich will es wieder in der Reihenfolge der Tracklist angehen, dabei aber unterschiedlich stark ins Detail gehen.

  1. Walk Hard
    Der Titelsong, der (wie auch Hauptdarsteller John C. Reilly) für den Golden Globe nominiert wurde, lehnt sich natürlich stark an Walk the Line an und ist einer der drei Songs des Albums, bei denen man die Inspiration klar Johnny Cash zuordnen kann. Dieser Song, der im Film den Durchbruch von Dewey Cox mit sich bringt, besticht vor allem durch seine Simpli- nein, dieses Wort würde schon zu kompliziert wirken, Einfachheit trifft es besser. In Zusammenhang mit dem Namen des Sängers impliziert das Adverb zwar eine Erektion, doch es geht um eine viel simplere Lebensphilosophie (die sich übrigens auch in der Instrumentierung wiedererkennen lässt) “walk hard / hard / down life’s / rocky road”. ‘Nuff said.
  2. Take my Hand
    Eines der unvermeidlichen Liebeslieder, das ich nicht so genau musikhistorisch zuzuordnen vermag wie anderen Songs, weil es nicht mit einem besonderen Star zusammenhängt, sondern mit einer sehr produktiven Epoche. Auffällig, wie Dewey hier das typisch dilletantisch klingende Auseinanderziehen von Silben bereits perfektioniert: “Take my ha-a-and.”
  3. (Mama) You Got to Love Your Negro Man
    Hier eine Stelle aus dem Film, wo Dewey in einem Nachtclub, der sich auf farbige Klientel und “erotisches Tanzen” spezialisiert hat, für einen ausgefallenen Künstler einspringt, was gleichzeitig auf den Diebstahl des Rock’n’Roll durch Weiße wie Elvis Presley anspielt, aber auch noch weitere politisch unkorrekte Details ins Spiel bringt. Im Gegensatz zu Oliver Pocher (als Bernd Darnell) haben es sich die Filmemacher aber verkniffen, ganz platt zu werden.
  4. A Life Without You (Is No Life At All)
    Deutlicher kann man Roy Orbison wohl nicht parodieren, ohne dabei die Kraft des Songs zu verlieren. Das Crooning geht hin bis zu typischen Orbison-Vokabeln wie “Crying”, und die Instrumentierung sitzt bis zum i-Punkt. Eines der Beispiele des Film, wo der Song wirklich hundertprozentig in die Zeit passt (und dort auch nicht auffallen würde), aber dennoch durch den Kontext extrem witzig wirkt.
  5. Let’s Duet
    “In my dreams you’re blowing me ... some kisses” ist noch eine der harmlosesten Zweideutigkeiten dieses Songs, die im Film noch durch eindeutige Bilder vom Eislecken, Hämmern und Sägen unterstützt werden, wodurch es schon etwas plump wirkt. Das sich bei Walk the Line in den Vordergrund spielende Duett wird hier gut persifliert, die Betonung des Titels als “Let’s Du---et” (“we know it’s only natural...”) ist dann der Meisterstreich.
  1. Darling
    Auch hier wird “Darling” eindeutig wie “Darlene” ausgesprochen, wodurch der Ehebruch (relativ) subtil zum Thema wird. Musikalisch wieder eher einer Epoche als einem bestimmten Künstler zuzuordnen (oder ich habe halt nicht genug Ahnung).
  2. (I Hate You) Big Daddy
    Dieser Song hat natürlich innerhalb der Geschichte des Films (“the wrong kid died”) eine wichtige Bedeutung, ähnlich wie Track 3 (mit Mama im Titel) ist es aber auch eine große Elvis-Verarsche, der bekanntlich seinen Durchbruch schaffte, weil er für seine Mutti einen Song aufnahm (was im Film auch thematisiert wird).
  3. Guilty as Charged
    Der dritte Johnny Cash-Song (“I’m a wanted man”), der auf die seltsame Mariachi-Phase Cashs und seine Knast-Auftritte (und -Aufenthalte anspielt).
  4. Dear Mr. President
    Ein Bonus-Track, der nicht im Film vorkommt, und der so politisch unkorrekt ist, dass man sich eigentlich fragt, warum auf der CD keine “explicit lyrics”-Warnung prangt. Großartig, auch als Vorbereitung auf Deweys Protest-Phase (In der CD gibt es einige schöne Plattencover, bei denen “I sing for those who can’t” ins Auge fällt). Von der Instrumentierung könnte dieser Song von Cat Stevens oder Simon & garfunkel stammen, und wer mehr über die Lyrics wissen will, soll bei Google “Dear Mr. President Lyrics Walk Hard” oder so ähnlich eingeben.
  5. Let Me Hold You (Little Man)
    “All the elevator buttons / so incredibly high / I stand today for the midget / half the size of a regular guy.” Nicht nur der Songtitel klingt wie das Selbstgespräche eines Mannes vorm Pissoir, textlich wird hier die politische Korrektheit anhand eines Protestsongs, der der Minderheit, für die er kämpft, gehörig auf die Schippe nimmt, ad absurdum geführt. “Your big day will come / when they remake The Wizard of Oz”.
    “Little shoes / little pants / little song / little dance” - Von wegen, großartig!
  6. Royal Jelly
    Bob Dylan selbst hätte diesen Song nicht besser hinkriegen können (und ich zweifle hier wirklich, ob John C. Reilly alle Songs selbst gesungen hat), der Text ist ein einziges Wirrwarr von hochtrabendem Gewäsch, und am Schluss kommt auch noch das dem Publikum zugeworfene “You’re a liar”. Funktioniert aber leider als Parodie weitaus besser als als eigentlicher Song wie auch beim folgenden ...
  7. Black Sheep
    Dieser Rip-Off der Beach Boys-Phase um Pet Sounds (teilweise auch mit den Beatles zwischen Revolver und Magical Mystery Tour zu vergleichen) wirkt zunächst auch wie eine “Nur-Parodie” (im Film heißt es mal “I want fifty thousand didgeridoos”), die nicht annähernd mit den Melodien dieser Meister mithalten kann, doch je öfter man es hört, umso mehr geht es ins Ohr, trotz all der willentlichen Verzerrungen und dem Schafsgeblöke.
  8. Starman
    Wenn man diesen David Bowie-Song nicht kennt, könnte man annehmen, der Text wäre auch eine großartige Parodie der Siebziger (“far out”), aber abgesehen vom disco-mäßigen Arrangement wird hier einfach nur ein Klassiker der Ziggy Stardust-Zeit gecovert, der aus heutiger Sicht auch damals schon recht lächerlich gewirkt haben muss. Damals nahm man Außerirdische einfach noch ernster (Und es gab noch nicht den Carpenter-Film mit Jeff Bridges).
  9. Beautiful Ride
    Das Gegenstück zu Track 1 (“it’s about the good walk / and the hard walk”), das nochmal die Karriere und den neugefundenen Lebenswillen Deweys thematisiert. Im Film stirbt er ironischerweise (“accepting your mortality”) nach der ersten Präsentation des Songs (bei einem Tribute-Konzert mit Eddie Vedder, Jewel und Lyle Lovett) und im Nachspann läuft dann ...
  10. (Have You Heard The News) Dewey Cox Died
    Der Abgesang, den Dewey vorsorglicherweise schon zu Lebzeiten geschrieben und aufgenommen haben muss. Ein weiterer (textlicher wie musikalischer) Höhepunkt des Soundtracks, insbesondere die andauernden Reaktionen der “erwachsenen Männer (und Frauen und Kinder”) angesichts des Todes Deweys und der Chor “No - Say it isn’t so - Dewey Cox died”.
  • Fazit
    Einer der besten Soundtracks, den ich kenne. Lohnt die Anschaffung selbst für jene Leute, die sich auch die DVD beschaffen wollen oder aber den Film an sich teilweise zu plump fanden. Je mehr man über die Musikgeschichte weiß, umso mehr weiß man diese Geschichtsklitterung zu schätzen. Und selbst wenn John C. Reilly für manche Songs womöglich eine Woche in einem Studio-Keller eingeschlossen wurde, muss man den Hut vor ihm ziehen.



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