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Januar 2008
Christina Mohr
für satt.org

Zehn Jahre Monika
und Karaoke Kalk

1997 war ein gutes Jahr für Unternehmensgründungen, zumindest im Bereich Independentlabels: Hazelwood Vinyl Plastics entstand, außerdem die Elektroniklabels sonig, Autopilot, Shitkatapult, Sonar Kollektiv, Monika Records und Karaoke Kalk. Und wann erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift de:bug? Ihr ahnt es schon, 1997 natürlich!

satt.org befragte die Labelchefs von Karaoke Kalk und Monika zur Entstehung, zu Zukunftsplänen und -wünschen.

Monika Bärchen.
Songs for Bruno, Knut & Tom

(Monika/Indigo)

Monika Bärchen

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Tracklist
  1. Robert Lippok: The Heart of Nuut picked by the Crows of Neu Koeln
  2. Èglantine Gouzy & Landini: L.A.
  3. Chica and the Folder: Kleines Hoppla
  4. Rosario Bléfari: Verdad
  5. Max Punktezahl: Dashes
  6. Masha Qrella: Goodnight Lovers
  7. Gudrun Gut: Monika in Polen
  8. Dorit Chrysler: Sweden
  9. Quarks: Willkommen
  10. Lile: Sticky Images (Ismael Pinkler Remix)
  11. Iris: Fever
  12. Milenasong: Streicheln
  13. Mico: I see a Soul
  14. Michaela Melián: Locke Pistole Kreuz (Edit)
  15. Barbara Morgenstern: Wilderness

Vor genau zwei Jahren gab es an dieser Stelle ein Interview mit Gudrun Gut, deutsche Elektro-Pionierin und Labelchefin von Monika Records. Jetzt feiert Monika zehnten Geburtstag – satt.org gratuliert herzlich! - und veröffentlicht anläßlich dieses Jubiläums die Compilation „Monika Bärchen: Songs for Bruno, Knut & Tom“. Alle Tracks wurden von Monika-KünstlerInnen wie Robert Lippok, Quarks, Milenasong, Masha Qrella, Michaela Melián und vielen anderen exklusiv aufgenommen, „Monika Bärchen“ ist also keine Zweitverwertung vorhandenen Materials und macht das Album so zu einem ganz besonderen Leckerbissen. Auch wenn nicht alle angefragten Künstler den vereinbarten Abgabetermin geschafft haben und also noch einige Tracks ausstehen, wie eine gutgelaunte Gudrun Gut satt.org am Telefon verrät.

satt.org sprach nach der 10-Jahre-Monika-Feier in der Berliner Volksbühne (4.11.07) mit Gudrun Gut, lest hier das Interview:


* Gudrun Gut benannte das Label angeblich nach ihrem Goldfisch Monika.

„Warum heisst die Compilation nicht Monika Fischchen, das läge bei Monika Records* doch nahe. Warum die Pelztiere?“, frage ich Gudrun Gut. Sie lacht: „Das war eine Schnapsidee nach einem Gespräch über Männer mit behaarter Brust. Und im vergangenen Jahr standen schließlich verschiedene Bären im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses – deswegen wollten wir Knut und Bruno diese Platte widmen!“ Und Tom? Das ist doch dieser myspace-Typ, oder? „Ja, genau!“

CM: Was sollte Monika werden, wo seid Ihr heute?

GG: Das ist eine schwierige Frage. Ich wollte schon länger ein Label machen, und dann war da diese Band (Quarks)... bei Monika standen von Anfang an die Künstler im Mittelpunkt, ausgehend von der Berliner Wohnzimmerszene, die dann durch Figurine aus Los Angeles erweitert wurde.
Wichtig ist bei Monika, dass jeder Künstler für sich steht, es gibt keinen „Einheitsbrei“, alle haben ihre eigene Berechtigung.

CM: Gab es ein Konzept am Anfang?

GG: Nein, gar nicht. Es muß sich nur lohnen, meine Zeit ist Gold wert (lacht laut)!

CM: Kommen Dir die zehn Monika-Jahre lang oder kurz vor?

GG: Lang. Auch kurz, aber doch eher lang. Es war immer eine intensive, anstrengende Zeit. Die größte Überraschung für mich in diesem Jahr war, dass wir nicht die einzigen sind, die 10 wurden!
Man kennt sich ja untereinander, aber dass gleichzeitig mit Monika auch Sonar Kollektiv, Karaoke Kalk und andere ihr „Zehnjähriges“ feiern, war doch überraschend! Es heißt ja, dass es sowas wie Simultanreaktionen gibt, aber welche war das?

CM: Du meinst, man müßte wissen, welcher Schmetterling wo mit den Flügeln geschlagen hat, um diese Gründungswelle auszulösen?

GG: (lacht wieder) Ja genau!

CM: Gibt es eine Monika-Lieblingsanekdote?

GG: Hmmm.... als wir unsere erste Single veröffentlichten, das war „Wiederkomm“ von Quarks, aben wir in unserem Büro die Hüllen selbst ausgeschnitten und beklebt – und dafür Pattex genommen. Es war Hochsommer, es war heiß, und wir waren abends alle total high vom Quarks-Hüllenkleben! Das ist doch eine nette Geschichte!

CM: Wie geht es weiter? Wie sehen Monikas Zukunftspläne aus?

GG: Wir machen im Normalbetrieb weiter - unsere Hauptarbeit im letzten Jahr bestand darin, einen neuen Vertrieb zu suchen, weil unser alter Vertrieb (Hausmusik) leider dicht gemacht hat. Wir sind jetzt bei Indigo, die auch internationalen Export machen, dafür sind noch einige Verträge nötig. Dann wird es eine neue „4 Women No Cry“-Compilation geben, wenn auch die letzten beiden pressemäßig in Deutschland nicht so gut angekommen sind. Aber es ist eine tolle Möglichkeit, Künstlerinnen im Viererpaket vorzustellen, die noch nicht so bekannt sind.

CM: Apropos Künstlerinnen: Monika veröffentlicht vornehmlich Platten von Musikerinnen. Ist das Absicht?

GG: Nein, Jungs sind uns auch sehr willkommen! Und Robert (Lippok) sagt sogar immer, er sei unser weiblichster Künstler! Unser Hauptinteresse liegt schon auf Frauen, es ist außerdem eine Marktlücke! Es sind immer noch zu wenig Frauen in der Popkultur unterwegs.

CM: Zur Zeit könnte man ja denken, dass es wahnsinnig viele Künstlerinnen gibt – vielleicht liegt das daran, dass auf den wenigen, die es gibt, ein so starkes Medieninteresse liegt wie zum Beispiel Amy Winehouse.

GG: Ja, das ist ganz sicher so.

CM: Wer sind Deine WunschkünstlerInnen für Monika?

GG: CocoRosie hätte ich wahnsinnig gerne gehabt, es gab sogar schon Verhandlungen. Leider hat es dann doch nicht geklappt.

CM: Was ist die erfolgreichste Monika-Veröffentlichung?

GG: Sehr erfolgreich sind die Platten von Cobra Killer, Masha Qrella, Michaela Melián, Barbara Morgenstern – Barbara hat auch die meisten Platten bei uns veröffentlicht, ich glaube, vier. Barbara hat sich aber nicht nur verkaufsmäßig, sondern auch künstlerisch permanent weiterentwickelt, so muß eine Künstlerin sein! Ein bisschen schade finde ich, dass Masha nicht mehr bei uns ist... Ansonsten sind alle sehr erfolgreich, bei einer jungen Künstlerin wie Milenasong ist es zum Beispiel irre wichtig, dass sie ihr erstes Album fertig bekommen hat! Vorher hat sie bei Konzerten 10''s mit dem Titel „Can't Tape Forever“ verkauft – und ist die Platte fertig, das war schon toll!

CM: Was glaubst Du, warum sind Monika-KünstlerInnen international so beliebt und erfolgreich?

GG: Das liegt an der Entwicklung im Bereich der elektronischen Musik überhaupt, man ist international viel besser vernetzt, man kann Netzwerke viel schneller aufbauen. Früher mußte ich Briefe schreiben, um mit jemand in Kontakt zu treten, heute schreibe ich E-Mails, und da ist es ganz egal, ob ich das von Berlin oder Los Angeles aus tue. Dazu kommt, dass elektronische Musik aus Deutschland generell international einen guten Ruf hat, es gibt viele Spezialisten, die darauf achten, was passiert!

CM: Wie offensiv geht Monika mit dem Thema Download um?

GG: Also offensiv sind wir schon mal gar nicht! Monika ist immer sehr zurückhaltend! Keiner muss, aber alle sollen!

CM: Sorry, „offensiv“ ist das falsche Wort – wie steht Ihr zum Downloaden?

GG: Das ist ganz wichtig für uns, ohne Downloads könnten wir dicht machen. Der CD-Markt ist total eingebrochen, die Leute kopieren unheimlich viel. Deswegen freuen wir uns natürlich über die

CM: Du hast ja vor kurzem Dein Soloalbum „I Put a Record on“ herausgebracht – gehst Du damit auch auf Tournee? Du hast ja mal gesagt, dass Du nicht so gerne live auftrittst...

GG: Doch, ich habe ein Liveprogramm zusammengestellt, mit dem ich demnächst einige Auftritte machen werde! Das Problem in Deutschland ist nur leider, dass die Locations fehlen! Viele Berliner Künstler spielen überall auf der Welt, aber nicht in Deutschland. Es gibt keine Underground-Kulturförderung wie zum Beispiel in Holland. Eigentlich läuft das überall in Europa besser als in Deutschland... hier gibt es ja leider nur sowas wie die Jägermeister-Contests, und wer da nicht reinpaßt, also nicht zu dieser Rock-Schiene gehört, hat eben Pech gehabt.

CM: Was wünscht sich Monika für die Zukunft?

GG: ERFOLG! Die Welt braucht mehr Monika, das ist ja unser Slogan!


◊ ◊ ◊

Auch Karaoke Kalk aus Köln konnte 2007 sein zehnjähriges Bestehen feiern – hier gibt's ein Interview mit Labelchef Thorsten Lütz:

Aktuelle Releases
bei Karaoke Kalk:

Donna Regina:
More
(Karaoke Kalk)

Donna Regina, More
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Pluramon:
The Monstrous Surplus

(Karaoke Kalk)

Pluramon, The Monstrous Surplus
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CM: Was glaubst Du: warum haben sich 1997 so viele Labels gegründet? Wie war die Stimmung im deutschen Pop vor zehn Jahren?

TL: Das ist schwer zu sagen. In meinem Fall war es so, dass es um diese Zeit in Köln einen kleinen Hype bezüglich elektronischer Musik gegeben hat. Es gab die grossen Elektrobunker-Events. Mike Ink machte den Kompakt-Laden/-Label und produzierte seine Studio-1-Serie. Da gab es recht große Aufmerksamkeit von aussen. Ich konnte die schon vorhandene Infrastruktur nutzen und hatte es relativ einfach, mit meinem neu gegründeten Label zum Beispiel einen Vertrieb zu finden. Ich glaube auch, dass es damals mehr sogenannte "Schlafzimmerproduzenten" gegeben hat. Musiker, die keine Lust mehr hatten, im Bandkontext zu veröffentlichen und lieber für sich am Rechner und mit Sampler ausgestattet Musik produziert haben. Diese Musik musste ja auch veröffentlicht werden. Generell herrschte Aufbruchstimmung für eine bestimmte Art elektronischer Musik, die man heute unter dem Schlagwort "Elektronika" zusammenfasst.

CM: Wofür steht der Name Karaoke Kalk?

TL: Ich habe sehr lange Zeit in Köln-Kalk gelebt. Ein Stadtteil Kölns, der auf der "falschen" Rheinseite liegt und von hoher Arbeitslosigkeit betroffen ist und war. Da wollte niemand wirklich wohnen und von daher musste man eine Art Lokalpatriotismus aufbauen. Karaoke passte phonetisch gut dazu. Von daher: Karaoke Kalk.

CM: Wie startet man eigentlich ein Label? Was steht am Anfang? Eine bestimmte Band, eine ästhetische Idee?

TL: In erster Linie die Musik. Ich hatte keine strategischen Überlegungen. Freunde von mir produzierten Musik, die mir sehr gut gefallen hat. Da ich kein so grosses Interesse am Produzieren hatte (habe selber bis heute viel lieber Platten aufgelegt), gründete ich mit ein wenig erspartem Geld das Label Karaoke Kalk, um diese Musik zu veröffentlichen. Am Anfang hatte ich weder einen Vertrieb, noch irgendeine Ahnung, wie das alles funktioniert. Ich hatte aber genügend Bekannte und Freunde, die ich jederzeit fragen konnte und so kam halt eins zum anderen. Ich habe dann relativ schnell einen Vertrieb gefunden. Die erste Platte lief so gut, dass ich das Geld für eine weitere Veröffentlichung hatte. Am Anfang habe ich nur 12" veröffentlicht. Ein Jahr später dann die erste CD von Senking. Die zweite CD-Veröffentlichung von Wunder war dann so erfolgreich, dass ich plötzlich vom Label leben und mich nur noch auf die Labelarbeit konzentrieren konnte.

CM: Vor einiger Zeit hieß es, die kleinen Labels und Verlage hätten gegenüber der Majors bestimmte Vorteile: kleine Investments, flache Hierarchien, wenig Druck, riesige Vorschüsse wieder einzuspielen. Wie ist das bei KK? Seht Ihr das auch so, oder was hat sich inzwischen wieder verändert? Gibt es die Krise im Musikgeschäft (noch)?

TL: Die Dinge sind im Begriff, sich zu verändern. Ich glaube, das klassische Label, so wie ich es kennengelernt habe, wird es im Laufe der Zeit nicht mehr geben. Natürlich habe ich den Vorteil. alleine zu arbeiten, den Kostenapparat niedrig zu halten, andererseits sind auch meine Mittel begrenzter geworden. Labelarbeit wandelt sich mehr und mehr zum Management für den einzelnen Künstler. Das heisst, die Schwerpunkte ändern sich. Der Tonträger wird zwar nach wie vor seine Bedeutung haben, aber genau so wichtig wird es sein, eine gute Promotion für deinen Künstler zu erarbeiten und vor allem, dem Künstler die Möglichkeit zu verschaffen, sich live zu präsentieren. Ich denke, dass Konzerte im Moment die einzige Möglichkeit sind, mit Musik Geld zu verdienen.

CM: Wie geht es weiter bei KK? Welche Releases sind für die nähere Zukunft geplant?

TL: 2008 steht eine Veröffentlichung von einem tollen Projekt namens "The 23s" an. Musikalisch geht es in Richtung Filmmusik. Ein weiteres Projekt heisst Maluco, dahinter verbergen sich die bekannten Produzenten Pier Bucci, Argenis Brito (Sänger von Senor Coconut) und Max Loderbauer (Sun Electric, Chica and the Folder). Weiterhin hoffe ich auf ein neues Hauschka-Album und dann gibt es ja noch mein zweites Label Kalk Pets, auf dem ich eher Club-Musik veröffentliche. Da wird es unter anderem Remixe zum letzten Donna Regina-Album geben.

CM: Was war der bisher erfolgreichste KK-Release?

TL: Das erfolgreichste Projekt ist mit Abstand immer noch die Wunder-Platte von Jörg Follert.

CM: Donna Regina sind von Anfang an bei KK (oder?) - was verbindet Euch?

TL: Nein, sind sie nicht. Sie haben vorher schon Platten auf dem Hamburger Label Strangeways veröffentlicht. Ich würde sagen, dass uns Freundschaft verbindet und von meiner Seite auch eine große Portion Respekt dafür, dass man auch nach dem zehnten Album sich immer noch selbst treu bleibt und die Qualität der Musik von Album zu Album (auch wenn es nur Feinheiten sind) immer besser wird.

CM: Wen würdest du gern für KK signen?

TL: Prefab Sprout

CM: Eine besondere/typische/lustige/tragische Anekdote rund um KK:

TL: Da fällt mir im Moment nichts besonderes ein... einzig, dass ich 1997 oder 1998 ein Tape bekommen habe von einem Künstler unter dem Pseudonym "Farben". Das war ein Projekt von Jan Jelinek. Ich habe es, aus welchen Gründen auch immer, nicht veröffentlichen wollen. Ich bereue es manchmal heute noch :-)

CM: Was wünscht Ihr Euch selber für die nächsten Jahre? (Gudrun Gut rief einfach nur: ERFOLG!!!)

TL: Dem schließe ich mich nahtlos an.