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Januar 2008
Christina Mohr
für satt.org

Superpunk:
Why Not?

Superpunk: Why Not?



Superpunk (Foto: Mareike Foecking)
Foto: Mareike Foecking

Superpunk sind:
Lars Bulnheim - Gitarre
Carsten Friedrichs - Gesang und Gitarre
Tim Jürgens - Bass und Gesang
Thies Mynther - Tasteninstrumente
Thorsten Wegner - Schlagzeug



Tourdaten 2008
Sa. 19.01.08 A-WIEN Arena (FM4Party)
Do. 28.02.08 KIEL Hansa
Fr. 29.02.08 FLENSBURG Kühlhaus
Sa. 01.03.08 LINGEN Schlachthof
So. 02.03.08 KÖLN Gebäude 9
Mo. 03.03.08 ESSEN Grend
Di. 04.03.08 HEIDELBERG Karlstorbahnhof
Mi. 05.03.08 FRANKFURT Mousonturm
Do. 06.03.08 FREIBURG Waldsee
Fr. 07.03.08 CH-ST. GALLEN Grabenhalle
Sa. 08.03.08 SCHEYERN Rock im Treff 18
So. 09.03.08 MÜNCHEN Registratur
Mo. 10.03.08 STUTTGART Schocken
Di. 11.03.08 ERLANGEN E-Werk
Mi. 12.03.08 HALLE Tanzbar Palette
Do. 13.03.08 JENA Rosenkeller
Fr. 14.03.08 BERLIN Festsaal Kreuzberg
Sa. 15.03.08 ROSTOCK Mau
So. 16.03.08 HAMBURG Knust

Fast vier Jahre sind seit der Veröffentlichung des letzten Albums der Hamburg-Münchner Band Superpunk „Einmal Superpunk, bitte“ vergangen. Während dieser vier Jahre sah sich die Musikindustrie umwälzenden ökonomischen Veränderungsprozessen ausgesetzt, Downloads und Songtauschbörsen wurden für die Konsumenten wichtiger als das physische Produkt. Auch die Independentlabels, scheinbare Gewinner dieser Neudefinition des Popgeschäfts, mußten Federn lassen: das für die Bands der sogenannten „Hamburger Schule“ so bedeutende Label L’Age d’Or, ehemalige Heimat von Tocotronic, den Aeronauten und auch Superpunk, ging pleite. Rettung für die folglich labellosen Superpunk kam aus der direkten Nachbarschaft: Tapete Records, Plattenfirma des ehemaligen Jeremy-Days-Sängers Dirk Darmstädter, nahm die Hamburger Soulboys unter ihre Fittiche, das neue Album „Why Not?“ erscheint Ende Januar.

Bernd Begemann spart in seinen Linernotes für „Why Not?“ nicht an Lob und großen Worten, er schreibt: „Why Not?“ spielt im Spannungsfeld zwischen Selbstzerfleischung und Stolz, zwischen Resignation und Tatkraft. Es geht um einen Ausweg „zurück in die Moderne“. Tatsächlich ist „Why Not?“ ein erstaunliches Album geworden, die „Top Old Boys“ schlagen ungewohnt melancholische Töne an. In „Ja, ich bereue alles“ heißt es, „die schlechten Verstecke, die Herrengedecke, die verlorenen Wochenenden...“ Nicht weniger resignativ singt Carsten Friedrichs mit heiserer Croonerstimme im folgenden Song, „von sieben bis sieben, ich wär' gern geblieben, doch Baby, ich bin zu alt / von acht bis acht, ich hätt' es gern gemacht, Baby ich bin zu alt...“

Überhaupt sind Altern, Alkohol und Einsamkeit die bestimmenden Themen dieser Platte, statt Haudrauf-Humor hat Nachdenklichkeit Einzug ins Superpunk-Universum gehalten. Songtitel wie „Ich funktioniere nicht mehr“, „Ich trinke“, „Oh, alter Punk“ sprechen für sich. Der Opener heißt zwar „Ich find alles gut“, meint aber eigentlich, dass irgendwie auch alles egal ist. Dass man dennoch beim Hören von „Why Not?“ nicht in tiefe Depressionen verfällt, wird von der wie immer grundpositiven Musik verhindert. Der charakteristische Hanseaten-Soulpunk der Band sorgt bei aller Ernsthaftigkeit für die nötige „Komm’, ist nicht so schlimm“-Attitüde und klopft dem Hörer freundlich auf die Schulter.

Superpunk verfahren getreu dem Motto „4 Great Chords! 5 Great Guys!!“, aber Herzen und Ohren der Band sind groß. Zwischen Soul und Sailor-Reminiszenzen, Beatles- und den Beach Boys-Harmonien entspinnt sich der unverkennbare Superpunk-Sound, Thies Mynthers Orgel ist Kern und Ornament zugleich. „4 Great Chords! 5 Great Guys!! 14 Great Songs!!! „Why Not? is a Knockout!!!!“ schreiben sich Superpunk selbst aufs Cover – dem bleibt nichts hinzuzufügen.


Ein Telefonat mit Carsten Friedrichs:

CM: Seid Ihr schon k.o. von den Promoterminen zur neuen Platte?

Carsten Friedrichs: Nein, gar nicht, kommt ja auch nur selten vor. Außerdem rede ich gern über mich, das finde ich sehr interessant – war nur ein Scherz!

CM: „Why Not?“ klingt teilweise sehr melancholisch, beinah resigniert, warum?

CF: Das ist eben so, wenn man ein bißchen älter geworden ist. Das Alter schlägt zurück und Melancholie bleibt dabei nicht aus. Unsere Musik hingegen ist immer ganz fröhlich, diesen Kontrast zwischen Text und Musik finde ich auch bei anderen Bands gut. Also machen wir das auch so (lacht)!

CM: Eine ganze Reihe von Songs auf dem neuen Album beschäftigen sich mit dem Thema Alter - „Baby, ich bin zu alt“, „Oh, alter Punk“ oder „Ich funktioniere nicht mehr“. Kokettiert Ihr mit dem Älterwerden?

CF: Klar kokettieren wir mit unserem Alter und dem eigenen Elend! Live mag das zwar ganz anders erscheinen, aber die Angst, dass es irgendwann mal nicht mehr so gut geht, spielt immer mit!

CM: „Alter“ scheint im Pop ja kein Thema zu sein – es gibt kaum Modelle. Nur Jugendkult überall...

CF: Das finde ich auch sehr interessant! Das Alter oder Altern beschäftigt jeden, aber keiner thematisiert es, und im Pop herrscht ja ausschließlich der Nimbus der Jugend. Eine Platte wie unsere, auf der das Thema endlich mal angesprochen wird, würde ich mir jedenfalls sofort kaufen!
Aber andererseits gab es ja auch Serge Gainsbourg und Lee Hazlewood als role models für cooles Älterwerden. Für würdeloses Altwerden gibt es natürlich zahllose Beispiele, aber das ist auch ok. Man sollte ohnhin alles nicht so ernst nehmen, sondern sportlich sehen.

CM: Würdet Ihr aufhören, wenn Ihr Euch zu alt vorkämt?

CF: Aufhören wäre Feigheit! Es gehört für uns auch dazu, sich mal lächerlich zu machen. Also wie gesagt – nicht alles so ernst nehmen!

CM: Seit dem vergangenen Jahr existiert das Lado-Label nicht mehr, auf dem Eure früheren Platten erschienen sind. Wie kamt Ihr mit Tapete Records zusammen?

CF: Wir haben uns vorher nicht gekannt. Gunther (Buskies) von Tapete hat bei meiner Mutter angerufen, um meine Telefonnummer herauszubekommen. Das fanden wir wirklich toll, dass sich jemand so um uns bemüht! Tapete und wir passen sehr gut zusammen, es war wirklich eine gute Wahl – und es macht uns sehr viel Spaß!

CM: Was wäre gewesen, wenn Tapete nicht auf Euch zugegangen wäre? Hättet Ihr dann selbst nach einem neuen Label gesucht?

CF: Irgendwas hätten wir uns natürlich einfallen lassen müssen. Eine richtige Plattenfirma muß schon her, ganz alleine oder nur über myspace funktioniert es doch nicht. Vielleicht hätten wir einfach einen Cassettenrecorder im Hof aufgestellt und neue Songs aufgenommen – irgendwie weitergemacht hätten wir auf jeden Fall.

CM: Wie wichtig ist Hamburg für Superpunk?

CF: Hamburg als Stadt ist überhaupt nicht wichtig für uns, mal abgesehen von unseren Freunden und den städtischen Strukturen, also dass es dort Möglichkeiten zum Auftreten gibt, die wir nutzen können und sowas. Aber Superpunk würde auch in jeder anderen Stadt funktionieren – dieses „Heimat- und Wurzeln-Ding“ wird sowieso überschätzt, das ist ideologischer Kokolores. Der Mensch hat schließlich Beine und keine Wurzeln! Es gibt viele, die aus Karrieregründen ihre Herkunft aufbauschen und glorifizieren, aber die Herkunft oder Geburt ist eine Tatsache, für die keiner was kann. Jeder kommt schließlich irgendwo her. Und Musik machen und Kreativsein geht überall dort, wo eine Steckdose ist. Vielleicht ist für viele Musiker am Anfang gerade die dörfliche Enge wichtig, weil man da raus will – Elvis kam ja auch nicht aus New York oder Los Angeles, sondern war ein echtes Landei.

CM: Für Euch gibt es also keine Hamburger Cliquenwirtschaft?

CF: Nein, solche Erfahrungen hab ich nie gemacht, ich habe mich aber auch nie um die Aufnahme in irgendeine Clique bemüht. Ich hatte immer das Glück, Freunde zu haben, die auch Musik machen wollten. Ohnehin sehen wir uns mit niemand in Konkurrenz. Es ist sehr eigen, was wir machen, und egal, ob wir damit Erfolg haben oder nicht, wir stehen außer Konkurrenz.

CM: Wie dehnbar ist das musikalische Superpunk-Konzept? Was paßt noch zu Eurem energetischen Soul?

CF: Wir bedienen uns bei allem, was wir gut finden und was man leicht nachmachen kann (lacht). Rock'n'Roll, Velvet Underground... also im Popuniversum eigentlich uralte Vorbilder. Alles was uns gefällt, fließt auch unbewußt in unsere Musik mit ein. Wir spielen vieles nach, und dann kommt etwas eigenes dabei heraus. Wir legen es nicht darauf an, neue Musik zu erfinden, dafür sind wir nicht fit und schlau genug.

CM: Kennst du das neue Album von den Türen, „Popo“? Die haben auch den Soul für sich entdeckt und kombinieren das mit sehr sozialkritischen Texten...

CF: Gehört habe ich die Platte noch nicht, aber ich bin schon öfter darauf angesprochen worden – ich werde sie mir gleich besorgen, klingt sehr interessant! (Gespräch fand am 27.11.07 statt, wir dürfen also davon ausgehen, dass Carsten Friedrich „Popo“ mittlerweile gehört hat/Anm. cm)

CM: Welches Stück auf „Why Not?“ fiel Euch besonders schwer?

CF: Songs, aus denen nichts werden kann, werden schon in frühen Stadien eingestellt, die fallen vorher durchs Raster. Was nervt und doof ist, wird nicht weiter verfolgt.

CM: Wer hat das letzte Wort im Studio?

CF: Das entwickelt sich meistens, wir haben keinen Studio-Diktator. Allerdings kennt sich Thies (Mynther) als einziger wirklich gut mit dem Studioequipment, also mit der technischen Seite aus. Wenn er sagt, dass ein bestimmter Sound nicht so funktioniert, wie wir ihn uns vorstellen, dann glauben wir ihm. Thies hat also zumindest in technischen Dingen das letzte Wort.

CM: Apropos Thies Mynther: Wie bekommt er eigentlich alle seine Projekte unter einen Hut? Ist er geklont? (Thies Mynther spielt außer bei Superpunk noch bei den Bands Stella, Phantom/Ghost und Das Bierbeben, Anm. cm)

CF: Ich weiß auch nicht, wie er das alles schafft. Wahrscheinlich fühlt er sich sowieso schon limitiert – wenn er sich teilen könnte, würde er das tun. Er ist ein kreatives Faß ohne Boden.

CM: Superpunk kommen immer so als Jungs-Bande rüber – wäre ein weibliches Mitglied bei Superpunk denkbar?

CF: Dagegen spricht überhaupt nichts. Als unser jetziger Schlagzeuger mal unpäßlich war, hatten wir auch zwei Drummerinnen zur Auswahl eingeladen. Das Geschlecht spielt keine Rolle – es muß menschlich und vom Humor her stimmen. Dann ist es völlig egal, ob es ein Mann oder eine Frau ist.

CM: Also nicht das Tote-Hosen-Konzept?

CF: Um Gottes willen, nein!

CM: Superpunk sind immer sehr lange auf Tour und spielen dann auch noch sehr lange Konzerte – gibt es sowas wie Tourkoller bei Euch?

CF: Also einen „Tourkoller“ hatte ich persönlich noch nie. Es gibt immer mal kleine Reibereien, aber es macht immer wahnsinnig Spaß, unterwegs zu sein. Bei einer Klassenreise geht man sich ja auch nicht auf die Nerven! Ich finde, es gibt nichts besseres, als rumzukommen und seine Musik vor Publikum spielen zu dürfen – dafür macht man das Ganze doch!

CM: Gibt es Leute, die Euch hinterherreisen?

CF: Wenn Leute zu mehreren Konzerten kommen, ist das die größte Auszeichnung überhaupt, herrlich – und für mich einer der Gründe fürs Musikmachen, da fühlt man sich schon sehr geschmeichelt. Wenn wir uns als Stars inszenieren würden – das ginge gar nicht. Ich mag es auch bei anderen Bands am liebsten, wenn ich im Publikum stehe und das Gefühl habe, „das kann ich auch.“

CM: Erinnerst du dich an die eine Platte, die dich zum Musikmachen gebracht hat?

CF: Bei mir war das ein Film! Ich erinnere mich noch ganz genau, das war nach John Lennons Tod und im Fernsehen lief der Beatles-Film „Hi-Hi-Hilfe“, also „Help!“. Ich war damals acht Jahre alt und wollte sofort auch Musiker werden, sowas wollte ich auch machen! Der Film hat mich wirklich „geflasht“ und bis dato habe ich „Hi-Hi-Hilfe“ bestimmt hundertmal gesehen... also eigentlich nicht sehr originell, dass man durch die Beatles zum Musikmachen gekommen ist.

CM: Welche aktuelle Musik magst du?

CF: Vor ein paar Tagen habe ich mir zuhause Internet eingerichtet, das hatte ich vorher nicht. Jetzt hocke die ganze Zeit davor und suche nach Musik. Dieser Jack Peñate gefällt mir sehr gut... ich setze mich auch nachher gleich wieder ran!

Dass das neue Superpunk-Album den gleichen Titel wie die letzte Platte von Alter Ego trägt, ist natürlich Zufall. Superpunk sind der Ansicht, dass es an der Zeit sei, dass auch sie endlich reich, berühmt und erfolgreich werden. „Why Not Superpunk?“ also. Tatsächlich wurde kurz überlegt, ob die Platte umbenannt werden sollte – aber: why not sollen zwei Platten nicht den gleichen Titel haben? In diesem Sinne...



» www.superpunk.de
» www.tapeterecords.de