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Januar 2008
Robert Mießner
für satt.org

Das schönste Geräusch
Dave Day (1941 – 2008) revolutionierte mit den Monks die Popmusik, ist früh abgestürzt und konnte späten Ruhm ernten: Der Ehemann und Vater wurde 66 Jahre alt

Dave Day(Foto © Monks)
Dave Day (1941 – 2008)

Er hat dem Banjo, einem an sich eher ländlichem Instrument, absolut großstädtische Klänge entlockt, indem er es elektrifizierte und damit erst für den Rock 'n' Roll explosiv machte. Wenn Dave Day in die Saiten griff – und nicht etwa zupfte – klang das weniger nach wogenden Feldern denn nach einem zornigen Drummer, der mit Eisenhämmern eine Stahlbrücke bearbeitet. Mit das schönste Geräusch überhaupt, ekstatisch, rhythmisch und schrill, ein halbes Jahr, bevor John Cale bei der Aufnahme von European Son (The Velvet Underground & Nico) einen Stuhl in einen Stapel Metalltabletts warf. Der Sound, der Jahrzehnte später als Industrial zuerst schockieren und dann begeistern sollte. Es ist alles andere als ein Zufall, dass auf Silver Monk Time, dem von Play Loud! 2006 veröffentlichtem Tributalbum an die erste Avantgardeband des Pop, Genesis P-Orridge (Throbbing Gristle, Psychic TV), Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten) und Gudrun Gut (Monika Enterprise) vertreten sind.

Der Mann, der mit den Monks, mit Black Monk Time (1966), einen dicken schwarzen Schlussstrich unter Gesäusel und Zuckerwatte zog, verehrte Elvis und wollte anfangs Rhythmusgitarre spielen. Der Rock 'n' Roll sollte bringen, was die Army, Day war wie seine Mitstreiter in Gelnhausen / Hessen an der Frontlinie des Kalten Krieges stationiert, nur bedingt bieten konnte: Aufbruch und den Abschied von einer beengten Kindheit zwischen tyrannischem Stiefvater und verehrter Mutter. Als die beiden visionären Manager Walter Niemann und Karl-Heinz Remy aus den 5 Torquays, der Band, in der Day die Musik seiner Tage spielte, die Band von übermorgen formten, konnte er Zeitungsausschnitte nach Hause schicken: Der Junge aus Renton bei Seattle tourte durch das Deutschland der Sechziger, das auf die Kühnheit der Monks teils mit Begeisterung (Hamburg), teils mit Entsetzen (Süddeutschland) reagierte. Zwei Jahre vor 1968 machten die Mönche Musik für Köpfe, die entfesselt tanzen wollten. Mittendrin ein sichtlich begeisterter Dave Day, der es seinen Managern wohl nachgesehen hatte, dass sie ihn anstelle seiner geliebten Gitarre Banjo spielen ließen.

Die Musik der Monks war zu ihrer Zeit so künstlerisch gewagt, wie sie ökonomisch ein Desaster erlebte. Als sich die Mönche und ihre Manager nach nur einer Platte und zwei zugänglicheren und genauso erfolglosen Singles im Regen wiederfanden, eröffnete Day mit seiner deutschen Lebensgefährtin eine Kneipe in Bayern. Die Beziehung hielt nicht, und Day stand nicht mehr nur im Regen, sondern buchstäblich auf der Straße, eineinhalb Jahre lang. Nur seinem Bruder ist es zu verdanken, dass er die Heimreise in die USA antreten konnte, wo er sich langsam erholen und glücklich verheiraten sollte. Ausgerechnet Day, für den es nach der Musik tief bergab ging, war dann mit am enthusiastischsten, als es darum ging, das Reunionkonzert der Monks in New York 1999 anzustoßen und zu einer Feier sondergleichen zu machen. 2006 stand er, gerührt und überwältigt, im Großen Saal der Berliner Volksbühne. Vor sich ein Publikum, dass es nach wenigen Minuten nicht mehr auf seinen Plätzen hielt, gemeinsam mit den Monks und ihren Gästen: Mark E. Smith, den Raincoats, Schorsch Kamerun (Goldene Zitronen) und Peter Hein (Fehlfarben). Ein später Ruhm. Dave Day, der sich selber als den "sentimentalen Monk" sah, ist am Morgen des 10. Januar in Renton nach einem schweren Herzinfarkt verstorben.



Die DVD zu Monks – The Transatlantic Feedback,
Dietmar Posts und Lucia Palacios’ Dokumentarfilm
über ein aberwitziges und faszinierendes Kapitel Popmusik,
erscheint vorraussichtlich Anfang März diesen Jahres.
Vorbestellungen unter: www.playloud.org.