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Mai 2006


Das Bierbeben:
Alles fällt

Shitkatapult 2006

Cover
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Das Bierbeben:
Alles fällt



Das Bierbeben

Aus deutschen Landen kommen im Moment ja so einige Produktionen, die durchaus kontrovers zu diskutieren sind, oder anders gesagt: von überall her ruft es entweder pfui bäh! oder hurra! Erst werden Blumfeld endgültig zu Landschaftsgärtnern, dann kommen Phantom/Ghost mit einem Album daher, das in eine ähnliche Kerbe schlägt wie zuvor die Band Festland, nämlich (auch wenn Dirk von Lowtzow das abstreitet) mit der Wiederbelebung des Kunstliedes, und jetzt also ein neues Album des Kollektivs Das Bierbeben, das wiederum Teil des ominösen „Künstlerkollektivs im Namen des Volkes“ aus Hamburg und Berlin ist. Mit den vorgenannten Phantom/Ghost haben Bierbeben eine Figur gemeinsam, nämlich Thies Mynther, der „Alles fällt“ zusammen mit Jan Müller auch produziert hat.

Dass dieser Jan Müller, Bassist bei Tocotronic, die Fäden bei Das Bierbeben in der Hand hält und die Texte schreibt, hat sich mittlerweile auch herumgesprochen. „Suum cuique. We prepare no victory“ steht als Motto und Bekenntnis auf der Plattenhülle. Wenn man also schon vom Sieg reden muss, dann vom Sieg des Hedonismus über die Einmischung. Denn Das Bierbeben beschreiben die Dinge wie sie sind oder wie sie täglich scheinen („die ganze Kugel ist ein Brocken Pech“), ohne normativ Bescheid zu geben, wie man’s denn nun besser machen soll (abgesehen vielleicht vom abschließenden „Keiner wird Dein Herr sein“). Keine Spur von Sätzen wie „Mach deinen Fernseher kaputt!“, die das Vorgängeralbum„No Future No Past“ bevölkerten.


Das Bierbeben Live:
24.05.06 Jena - Kassablanca
27.05.06 Barcelona - Loft
07.07.06 Berlin - Maria
29.07.06 Rostock - "Wir wollen tanzen"-Festival

Dagegen sind die Texte Müllers hier von naiver Gesellschaftsverdrossenheit beeinflusst, oder, wie es das Info-Blättchen vermeldet, vom „Ekel, der uns beim Blick auf diese kulturelle Realität der heutigen BRD widerfährt“. Mal abgesehen davon, dass einem Ekel nicht widerfahren kann wie ein großes Glück oder „Gutes“ im Sinne von Asbach Uralt, so wissen doch insbesondere satt-Leser, was gemeint ist. „Warum faltest Du die Hände?/ wir waren doch schon weiter“ heißt es in „Warum faltest Du die Hände?“, und das könnte man als billige Religionskritik auffassen, hätte man vorher nicht gehört, dass wir leben werden, „Bis die Liebe nicht mehr weh tut“ („Wir glauben bis in alle Ewigkeit und können doch unsterblich sein/ wir spüren es in diesem Moment, wir werden nicht sterben“). Keine leichte Sache also für Menschen, die hier einfache Antworten finden wollen, denn die gibt es nicht. Dafür hält man sich an denen fest, die auf der guten Seite stehen und standen. Am schönsten ist denn auch die Coverversion von „Häuser“ gelungen, einem über zwanzig Jahre alten Titel von EA 80, vor allem, weil dort der Text von sich allein Faszination verbreitet: „Mein Haus ist schwarz und es steht allein/ es hat keine Fenster, und es kommt niemand rein“.

Musikalisch ist das immer noch das minimalistische Elektroniksparpaket, das mit Vehemenz auf die Tanzfläche treibt. Warum Das Bierbeben aber immer so penetrant Grenzen testen wollen? Spätestens wenn „Kein schöner Land“ mit müder Frauenstimme, Vogelgezwitscher und Orgel gänzlich ironiefrei den Text und die Melodie des nämlichen Liedes von Anton Wilhelm von Zuccalmaglio intoniert, werden sich jedenfalls einige entsetzt die Haare raufen. Insgesamt ist „Alles fällt“ aber eine überraschend gefälliges und tanzbares Ding geworden. Jedem das Seine eben. Ein Schelm, wer da an Buchenwald denkt.