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Dezember 2005
Christina Mohr
für satt.org




Erasure:
The Erasure Show Live in Cologne

Mute 2005

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Superpunk:
Können Sie das groß machen bitte?!

CD + DVD, Lado 2005

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Blondie:
Live By Request

Cooking Vinyl/ Indigo 2005

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22 Pistepirkko:
Sleep Good Rock Well

Bone Voyage/ BB*Island 2005

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Crossing the Bridge. The Sound of Istanbul
edel 2005

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DVD-Schau Teil II

Und weiter geht's mit fünf neuen Musik-DVDs, die gerne im Doppelpack mit CD daherkommen. Es ist also ratsam, sich für die kommenden Wochen nicht allzu viel vorzunehmen: mit den hier vorgestellten Produkten kann man so einige kalte Winterabende füllen.

Erasure – The Erasure Show
Live in Cologne (Mute)

Den Anfang machen Erasure, deren triumphale Frühjahrstournee zumindest bei mir noch in bester Erinnerung ist – das Konzert in Köln am 28.3.05 ließen sie aufnehmen und verschönern so mit der DVD The Erasure Show Live in Cologne die Herbst-/Wintersaison. Alle 25 Songs des Konzerts, die übrigens vom Fanclub online zusammengestellt wurden, werden hier präsentiert, inklusive Andy Bells anrührender Version des Ave Maria von Bach und der Blondie-Coverversion Rapture, die Vince Clarkes verstecktes Rap-Genie zeigt. Und natürlich alle Erasure-Hits von The Circus über Drama bis zu den neuen Songs vom letzten Album Nightbird. Schon allein die prächtige Kulisse der Show macht die DVD zu einem Erlebnis der besonderen Art: aufblasbare Bäume bilden einen Märchenwald, der in den verschiedensten Farben angeleuchtet wird (Vince Clarke berichtet im Interview, dass einer der Bäume während einer Show zusammenbrach, weil ein Kameramann versehentlich auf die „Wurzel“ getreten war und so die Luft entfleuchte); die Backgroundsängerinnen Valerie und Ann Marie treten als Schmetterlinge und in Marilyn-Monroe-Kleidern auf – alles in allem eine wahre Augenweide! Die Bonusfeatures zeigen Liveausschnitte des Kopenhagener Konzerts, ein Making Of plus Interview mit Andy und Vince, dazu die Videos der aktuellen Singles Breathe, Don't Say You Love Me und All This Time Still Falling Out Of Love. Laufzeit insgesamt: satte 250 Minuten.


Superpunk: Können Sie das groß
machen bitte?! (CD + DVD, Lado)

Einen Männergesangverein ganz anderen Kalibers gibt es im Kombipack Können Sie das groß machen bitte?! – Superpunk auf CD + DVD, insgesamt 206 Minuten mit den Hamburger Soulboys. Die Live-CD vereint 20 Stücke, die als Greatest-Hits-Sammlung durchginge (Von Ein Bisschen Seele über Matula, Hau Mich Raus bis natürlich Neue Zähne ist alles drauf) und allein schon ihr Geld wert wäre, aber die beigelegte DVD toppt alles. Schon der ergreifende Film, Ich mag den Mann nicht, der ich bin liefert interessante Details, und spätestens, wenn man das ganze Bonusmaterial durchgeguckt hat (zum Beispiel ein Interview mit Bernd Begemann, der das erste Superpunk-Album aufgenommen hat), bekommt man den Eindruck, seit Jahren aufs Engste mit Superpunk befreundet zu sein. Und nicht nur so easy-unverbindlich, sondern richtig dicke. Wer beim legendären Puch-Festival-Auftritt nicht dabei war, kann hier nacherleben, wie das komplette Publikum die Bühne stürmt. Wer schon öfters selbst bei Superpunk-Konzerten war, sollte mal unter „Zuschauerfotos“ schauen, ob man ihn oder sie nicht in besonders komprimittierender Pose abgelichtet hat. Und wer immer noch zögert, ob sich die Anschaffung von Können Sie … wirklich lohnt, bekommt als Zugabe noch fünf Videos in die Tüte: Ich kann nicht nein sagen, Man kann einen ehrlichen Mann …, Ich weigere mich, aufzugeben, Bitte, verlaß mich und Neue Zähne sind Dokumente hanseatischer Filmkunst ohne Vergleich.


Blondie: Live By Request
(Cooking Vinyl / Indigo)

Ich möchte das Erscheinen von Live By Request dazu nutzen, die längst fällige Würdigung Debbie Harrys vorzunehmen und an ihren 60. Geburtstag im Juli dieses Jahres (ja, sie ist so alt wie unsere Mütter) zu erinnern: Doesn't every smart woman love Debbie Harry? fragt Shirley Manson von Garbage, und schiebt sich so selbst geschickt in die Reihe smarter Frauen, aber sie hat natürlich völlig recht. Ohne Debbie Harry wäre Punk eine ziemlich trübe Angelegenheit gewesen und ohne ihre Role-Model-Stylevorlage wären weder Madonna noch Courtney Love je ins Rampenlicht getreten. Dass Mme. Harry noch immer mehr Sex im kleinen Finger hat als ihre Epigoninnen in den operierten Brüsten, zeigt die DVD Live By Request, Aufzeichnung einer amerikanischen TV-Show. Die Fernsehzuschauer können sich Lieder wünschen, die die Band dann live im Studio performt. Also ist Live By Request natürlich sowas wie ein Greatest-Hits-Album mit Heart of Glass und Call Me, aber auch Songs, die nicht in den Charts waren (wie Rip Her to Shreds oder Accidents Never Happen), sind hier zu hören und zu sehen. Blondie agieren live erstaunlich unpeinlich, die Band (die ja gerne vergessen wird, wenn über Blondie gesprochen wird) spielt voller Energie: beobachtet mal Clement Burke an den Drums, der wird schließlich auch bald 60! Die drei Youngsters an Gitarre, Baß und Keyboards wirken wie Neuzugänge bei den Ramones oder den Toten Hosen: am besten sind sie, wenn sie nicht weiter auffallen und nicht etwa die Aufmerksamkeit von den Alten abziehen! Unter diesem Gesichtspunkt verhalten sich Paul Carbonara, Leigh Foxx und Kevin Topping recht brav. Live By Request gibt es übrigens auch als einfache CD ohne DVD, deren Sinn mir nicht recht einleuchten mag …


22 Pistepirkko: Sleep Good
Rock Well (Bone Voyage/BB*Island)

Die drei Finnen von 22 Pistepirkko spielen tatsächlich seit 25 Jahren zusammen – und können trotz ihres hartnäckigen Underground-Status von der Musik leben und ihre Miete bezahlen. Das alles ist erstaunlich und bewundernswert, vor allem wenn man die drei Musiker (die Brüder Asko und PK Keränen und Espe Haverinen) in all ihrer Verschrobenheit beobachtet und sich dazu ihre für-immer-independent-Musik, die aus Folk, Punk, Blues und 100.000 weiteren Einflüssen besteht, anhört (letzte CD: Drops & Kicks). In der „Rockumentary“ Sleep Good Rock Well erzählen die Musiker vom Nervenkrieg auf Tour, zu viel Alkohol und zu wenig Schlaf. Der Titel der DVD ist durch einen Ausspruch von Espe entstanden, als der seine Bandkollegen im Bandbus beim Schlafen beobachtete: (flüsternd) „Pistepirkko sleeps. That's good! Sleep Good, Rock Well, haha!"
Der Film begleitet Pistepirkko auf ihrer 2001er-Tournee, die unter dem Vorsatz stand, 50 Konzerte in 50 Tagen zu spielen. Der immensen Belastung entsprechend pendelt der Film zwischen Melancholie, Euphorie und Angepisstsein, wir erfahren, dass Schweden und Deutschland nerven (allerdings nicht, warum) und dass „Pistepirkko“ Marienkäfer heißt. Zusätzlich zum Film sind Kommentare der Band und des Regisseurs, eine Slideshow und Sessionaufnahmen zu sehen. Laufzeit insgesamt: 158 Minuten.


Crossing the Bridge.
The Sound of Istanbul (edel)

Regisseur Fatih Akin und Einstürzende-Neubauten-Bassist Alexander Hacke lernten sich bei den Dreharbeiten zu Gegen die Wand kennen: Hacke sollte den Soundtrack machen. Bald darauf entstand die Idee, eine Dokumentation über die vielfältige Musikszene Istanbuls zu drehen – der Film war wie Gegen die Wand in Deutschland sehr erfolgreich. Nun liegt die DVD vor, die neben dem Hauptfilm Szenen zeigt, die in der Kinoversion keine Aufnahme fanden (Under the Bridge zeigt das Nachtleben Istanbuls im Stadtteil Beyoglu); als Neuerung auf dem DVD-Sektor eine interaktive Sektion; außerdem gibt es Musikvideos bekannter türkischer Künstler wie zum Beispiel Sezen Aksu und Ceza zu sehen. In den Extras gibt es einen hübschen Kurzfilm, „Shaving Hacke", der den Neubauten-Mann beim türkisch-berlinerischen Barbier zeigt, dazu gibt es Liveausschnitte eines Konzerts, das die Einstürzenden Neubauten in Istanbul gaben. Hacke ist völlig begeistert vom türkischen Publikum und führt dessen Neugier und Begeisterungsfähigkeit auf den nur in kleinen Mengen konsumierten Alkohol zurück. Zu viel Alkohol nämlich macht aggressiv und lenkt von der Musik ab. Hackes kleine Tochter übrigens liebt türkische Musik: der artifizielle Krach der Neubauten jagt ihr Angst ein. Laufzeit insgesamt: 183 Minuten.