Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Juni 2005
Christina Mohr
für satt.org


Die Türen:
Unterwegs mit Mother Earth

Buback 2005

Die Türen: Unterwegs mit Mother Earth
   » amazon

   » dietueren.de

Die Türen:
Unterwegs
mit Mother Earth

Durch ihre letztjährige Performance konnte man Die Türen fälschlicherweise für eine durchgeknallte Comedytruppe nach der Bauart U-Bahnkontrollöre in Tiefgefrorenen Frauenkleidern halten. Witz-komm-raus-Ästhetik kombiniert mit dem Hang zur wilden, aber durchchoreografierten Bühnenshow überforderte viele musikalische Feingeister. Die LP Das Herz war Nihilismus sorgte zwar allenthalben für Furore und Rascheln im Blätterwald, aber insgesamt nur für unentschiedene, weil irgendwie noch nicht abgesicherte und legitimierte Begeisterung. Kann man die wirklich gut finden, ist das nicht Popkabarett oder sonst irgendwas komisches?



Die Türen
Die Türen (Foto: Britt Rode)

Aber jetzt, mit Mother Earth wird das anders: Das Cover verspricht rein optisch eine Reise mit den Stereo MCs zu Connected-Zeiten, unterwegs die trampenden Residents und Amon Düül einsammeln, und dabei mit den Red Hot Chili Peppers an Muttis Pfirsichen suckeln.

Und musikalisch - Man sollte besser erst gar nicht anfangen, eine Referenzliste zu schreiben, die wird sowieso nie fertig. Aber jeder Spuren- und Verweisesucher wird seinen Spaß haben, versprochen! Die Türen haben das Sammeln, cut-and-pasten, Zitieren und Kopieren zu ihrer Profession gemacht und zimmern aus ihrem Modellbaukasten Objekte zusammen, denen man zunächst nicht zutraut, daß sie fliegen können – aber das können sie, und wie!

Auf Unterwegs … trifft eckiger Funk (á la Talking Heads und Palais Schaumburg) auf flowigen Funk (à la Prince), besinnt sich zwischendurch auf die 33 Tage in Ketten- und Glut und Asche-Zeit der Fehlfarben und bekommt trotzdem – schlitternd aber elegant - die Kurve zu Texten wie "Danke Punk / für den Sex Shop / danke Punk / für eine eigene Republik / danke Punk / für das Leben in der U-Bahn / danke Punk / für den Pogo" (usw.). Ihre Liebe zum Wortspiel haben sich Ramin Bijan, Gunter Osburg und Maurice Summen bewahrt, zum Beispiel in Trauma Traumpaar lindenbergen sie "Oh' schau mal ein Traumpaar / Sie trauen sich / Oh`Alter oh schau mal / ein Trauma", aber die Texte gerinnen ihnen niemals zu blankem Nonsens, entlarven eher wie nebenbei das Happy-Happy-Vokabular deutscher Medienrealität: "Leben ist superschön / Liebe ist superschön / Gedanken ist superschön / Elefanten ist superschön" (Die wahnwitzigen Abenteuer des Elefanten Tuffi/Superschön).

Die Türen haben sich durch die neue Platte von ihren Mitbewerbern von Spar und Mediengruppe Telekommander insofern wegbewegt, daß sie zwar immer noch aufs heftigste und schrillste kombinieren und mixen, alles auf überdrehtem Dance-Level, aber ohne Nervcharakter. Wo Dir von Spar einen frisch gespitzten Bleistift ins Ohr drücken, schütteln Die Türen lieber noch einen schmoovigen Groove aus der Hüfte. Hört jemand, der kein Deutsch versteht, einen Song wie Nogo, könnte er glauben, gerade einen neuen Prince entdeckt zu haben, mit Falsettstimme und allem. Bei denjenigen, die des Deutschen mächtig sind, kommt noch der Mehrwert in Gestalt der Lyrics hinzu: "Baby, unsere Liebe ist ein Nogo / Sie hat ein Lächeln / Ein Lächeln wie ein Logo / Baby, unsere Liebe ist ein Nogo / Denn sie geht Tanzen / und ich geh ich geh Pogo"

Bei jedem erneuten Durchhören erstaunt die Fülle der Details, Schnickschnack und musikalischen Jelly Bellys, die Die Türen ohne viel Drücken und Quetschen auf Mother Earth unterbringen. Aber auf Mutter Erde ist ja Platz für alle/s, und schon allein wegen des Titelsongs (komm mit komm mit komm mit, zieht Euch nackig aus …) und des Tanzbodenfegers Drinnen wie Draußen lohnt die Anschaffung. Der Kauf der CD empfiehlt sich übrigens nicht nur für downloadresistente Gutmenschen, sondern auch für Freunde des aufwendig gestalteten Covers und der Bonus-DVD.