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April 2005
Gerald Fiebig
für satt.org


Logan Bros.
» www.logan-tapes.com

»Irgendwie kanonisch«
Die süddeutschen US-Indiepop-Heroen Logan Bros. im Interview

Logan Bros.

Dass man in der süddeutschen Provinz veritable Indiepop-Nuggets schürfen kann, ist seit Notwist kein Geheimnis mehr. Schnell war die Presse im Fall der Band aus Weilheim bei München mit dem Etikett der "Weilheimer Schule" zur Hand. Diese Schublade tut guter Musik keinen Abbruch. Schlimmer ist es, wenn zwei mäßig interessante Acts aus einer kleinen Stadt gleich als "Augsburger Schule" herhalten sollen – wie es einige Medien kürzlich mit Roman Fischer und der Band Nova International versuchten. Beiden wird eine große Zukunft als Indie-Surrogate der dahinsiechenden deutschen Plattenindustrie prophezeit. Das wird den Untergang dieser Industrie nicht aufhalten und den Indiepop nicht stören. In Bezug auf Augsburg verstellt es lediglich den Blick auf eines: Dass es hier keine "Schule" und nicht einmal eine Szene gibt, dafür aber einige unbeirrte Individualisten, die seit Jahren ihren eigenen Stil entwickeln. So etwa die Logan Bros., eine der begabtesten deutschen Indiepop-Bands. Mit ihrem Label Logan Tapes haben sie, unbemerkt von der Ignoranz von Heimatstadt und –land, längst das geschafft, wovon die meisten deutschen Bands vergeblich träumen: den Sprung in die Staaten. Soeben erschien ihr neues Album "Cuddlecore Galore?" – jedem Indiepop-Liebhaber wärmstens zu empfehlen und Grund genug für ein E-Mail-Interview mit dem Duo Dan und Deke Logan.

Euer 2000er-Album trug den programmatischen Titel "Toy Pop Dragsters", der Nachfolger kündigt nun eine weitere Neuerfindung eures Stils an: "Cuddlecore Galore?" Das ließe eine Rückkehr zu eher rockorientiertem Sound erwarten ("Cuddlecore" als Steigerung von "Emocore"? ;-)), in Wirklichkeit klingt die neue Platte in meinen Ohren aber noch stärker wie ein sehr ausgereiftes Pop-Album. Nicht nur wegen der elektronischen Einflüsse, der tanzbaren Beats und der vielen Gastsängerinnen, sondern auch wegen der eklektizistischen Grundhaltung - von "Sweet Home Alabama" bis New Order wird da ja einiges an Zitaten mitgenommen. Ist der Begriff "Cuddlecore" also eher als selbstironischer Abgesang an die eigenen Indierock-Ursprünge zu sehen?

deke: Eigentlich nicht. Der Titel für das Nachfolge-Album stand im Grunde schon fest, als wir noch die letzten Songs für "Toy Pop Dragsters" aufnahmen. Aber damals lautete er noch "Cuddlecore Galore!", d.h., wir wollten uns was Melodien und Hooks angeht noch steigern. Das hat leider nur bei wenigen frühen Songs funktioniert, und auf einmal kamen diese doch eher düsteren Sachen. Also war letztendlich der Titel "Cuddlecore Galore?" adäquater - quasi als Warnung …
Es ist natürlich sehr ambivalent, von Indierock-Ursprüngen zu sprechen. Vielfach habe ich v.a. in Deutschland den Eindruck, dass Indiepop als trendiger Gegenpol zu Indierock betrachtet wird. Das ist nicht unser Indiepop. So gesehen verstehen wir Cuddlecore schon als Antithese zu dieser Form von Indiepop und der Begriff ist damit sehr positiv belegt. Aber das Album ist eben aus meiner Sicht nur bedingt Cuddlecore …

Meinem Eindruck nach ist die Steigerung und zugleich Weiterentwicklung gegenüber dem Vorläuferalbum durchaus gelungen. Aber wenn Deke von "frühen Songs" spricht, nach denen "auf einmal" düstere kamen, klingt das so, als entstünden eure Platten - naja, nicht gerade organisch, vielleicht eher diskontinuierlich, aber eben aus den Wechselfällen des Alltags, vielleicht wie ein "singing diary". An welchem Punkt wisst ihr, dass ein Album komplett ist?

deke: Vielen Dank! Also wirklich fertig sind Alben nie, denn zumindest was die Texte angeht, geht es mir manchmal so, gewisse Sachen nicht weiterzuverfolgen, weil sie konzeptuell eher auf "Howard Hughes" oder "Toy Pop Dragsters" [zwei Vorgängeralben, Anm. d. Interviewers] passen. Aber wir haben uns schon bemüht, das Album soundmäßig etwas abzugrenzen. Aber um auf die Frage einzugehen. Es war nach gut drei Jahren einfach höchste Zeit …

dan: …und bei drei Jahren fällt es schwer von Kontinuität zu sprechen, da man aus seinem Flow auch regelmäßig durch diverse Projekte herausgerissen wird, um dann wieder das gesteckte Ziel des Releases anzupeilen. Rückblickend betrachtet gab es durchaus Alben die organischer entstanden - aber so ein Album spiegelt auch immer die momentane Lebensphase der Beteiligten wieder, sodass "Cuddle" aus diesem Blickwinkel durchaus seine Berechtigung hat. Normalerweise macht sich so ein Gefühl in der Bauchgegend immer stärker bemerkbar, das einem mitteilt "Langsam ist das Album fertig!" Dieser Indikator kam diesmal nicht so zum Zuge, da der lange Zeitraum, in dem das Album entstand, die Wahrnehmung etwas verzerrte. Diesmal sagte eher der Kopf "und nun ist es vollbracht!". Auf jeden Fall war genug passiert um diesen Band des "Tagebuches" schließen zu können. Und der Blick in die Zukunft ließ auch soundtechnisch, durch den Umbau und die Erweiterung unseres Studios, neue Klänge erwarten - ein Grund mehr einen Schlussstrich zu ziehen.

Aufgefallen - positiv aufgefallen, weil es die 26 Songs noch abwechslungsreicher macht - ist mir an dem Album, dass ihr sehr viel mit unterschiedlichen Gastsängerinnen gearbeitet habt - zum Beispiel mit der Gruppe My Bowling Trophies und Sophie, der Gesangspartnerin eures Labelmates Thorsten Propeller. War das Konzept dazu von Anfang an da, oder hat sich das aus besagten Lebensumständen ergeben?
Und vielleicht noch eine zweite Frage im Hinblick auf die Zukunft: Derzeit lebt ihr auf verschiedenen Seiten des Atlantiks, Dan in Deutschland und Deke in Minneapolis. Das müsste ja durch den Geist von Hüsker Dü (und Prince!) inspirierend wirken - aber wie arbeitet ihr bei dieser enormen räumlichen Entfernung als Band?

dan: Bezüglich unseren Sängerinnen …
Wir hatten schon zu Beginn der Aufnahmen den Plan möglichst viel Abwechslung durch diverse Gäste und vorallem durch weibliche Gesangseinlagen reinzubringen. Dieser Aspekt war uns wichtig und wir haben ihn auch weitgehend umgesetzt … allerdings wussten wir damals noch nicht, dass dieses Vorhaben unseren fiktiven Masterplan für das Album weit zurückwerfen würde. Aber die diversen zeitlichen Kompromisse haben sich im Rückblick auf das Endprodukt absolut gelohnt und unsere Mädels sind die Würze auf dem Album. Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch mal bei allen herzlichst bedanken.
Die transatlantische Weiterführung der Logan Bros. durch Deke und mich gestaltet sich durchaus nicht mehr ganz so easy wie vorher - aber zumindest die Arbeiten, die mit unserem Label "Logan Tapes" zu tun haben, leiden weniger drunter … man kann sich die zu erledigenden Arbeiten auch gut über den Atlantik hin und her schieben - und ein Logan-Tapes-Aussenposten … oder soll ich besser sagen … "Headquarter" in den Staaten war ja im Grunde schon immer ein Ziel von uns!
Beim Musikalischen wird es schon etwas schwieriger …. im Prinzip sieht es aber momentan so aus, dass jeder seine Ideen sammelt … musikalische Ergüsse die bereits in Form von Tönen das Licht der Welt erblickten und digital gebannt bzw. notiert wurden, werden umgehend dem anderen per Mail zugesandt, um schon mal vorab als Inspirationsquelle zu dienen. Durch halbwegs regelmäßige Besuche von Deke in Abständen von einigen Monaten in unserem Studio BallyhooValley werden diese und andere Song-Ideen dann umgesetzt. Wir wollten auf keinem Fall, dass Mr. Bush in irgendeiner Form auch am Niedergang der Logan Bros. beteiligt sein könnte.

deke: Ja, wir hatten von Anfang an vor, noch mehr als auf Toy Pop Dragsters mit Sängerinnen zu arbeiten. Das hat dieses Mal in manchen Belangen sehr gut, an anderen überhaupt nicht funktioniert. Es ist einfach so, das ich "Girl Groups" oder von Musik von Frauen sehr gerne mag. Das geht von den Supremes bis - sorry für das Namedropping- zu der All Girl Summer Fun Band, Dear Nora oder The Badger King.
Zur zweiten Frage: Die Logan Bros. haben sich von jeher immer sehr in einem amerikanischen Bezugsystem gesehen. Letztendlich hier zu sein, ist an sich schon inspirierend. Minneapolis selbst ist dank einer der größten Unis im Land sehr spannend. Wo passiert es einem sonst, dass man drei seiner Lieblingsbands in zwei Wochen sieht?
Für die Logan Bros. ist diese räumliche Entfernung sicherlich ein Problem. Aber wie Dan schon angesprochen hat, arbeiten wir in letzter Zeit verstärkt mit Software und das mindert die Sache schon ab. Außerdem ist die Welt unglaublich kleiner geworden und ich bin wie gesagt ja ab und zu in Deutschland …

Die eben erwähnte All Girl Summer Fun Band, von der dann ja auch in Deutschland noch mehr zu hören war, hattet ihr ja schon 2002 auf dem tollen Logan-Tapes-Sampler "Zombies of the Stratosphere", ebenso wie die großartige Barbara Manning (mit einer Tocotronic-Coverversion!), für die ihr bei ihren Deutschland-Tourneen ja regelmäßig als Vorband spielt. Überhaupt waren die meisten der 24 Samplerbeiträge hier kaum bekannte Indie-Acts aus den Staaten. Wie kamen diese Kontakte zustande? Auch eure Website www.logan-tapes.com macht den Eindruck, dass ihr den größten Teil eurer Tonträger in den USA verkauft. Stimmt das?

deke: Für Zombies haben wir uns in der Tat auch sehr viel Mühe gegeben. Und es gab auch gute Reviews im Splendid oder auf den Indiepages, über die wir uns wirklich sehr gefreut haben.
Hinsichtlich der Kontakte ist es unterschiedlich abgelaufen. Teils waren wir befreundet, wie mit Barbara, manche Bands haben uns aus anderen Gründen kontaktet und wir sind auf sie zugegangen, oder wir haben einfach per Mail gefragt. Die AGSFB war super und schon nach kurzer Zeit klingelte FedEx bei uns. Es ist eben ein Sampler mit Indiebands, und somit ist es irgendwie Teil des Ethos, bei sowas nicht nein zu sagen.
Die Frage nach den Verkäufen beantwortet besser Dan …

dan: Nun, die Verkäufe …. zuersteinmal war unsere Marketingstrategie *räusper* soviele Exemplare von "Zombies" in die Staaten zu exportieren wie möglich. Dazu flog das Speditionsunternehmen 'Logan Logistic Boys' mit einer extra gecharterten Maschine nach California mit vieeeeelen Zombie-CDs im Frachtraum …
Nein, im Ernst - da eh wieder mal ein Trip nach Amerika angesagt war, packten Deke und ich unsere Koffer voll mit den Samplern, um sie vor Ort verschicken zu können - das ersparte uns eine Menge an Portokosten. Dadurch wurden auch alle teilnehmenden Bands aus den USA mit genügend Exemplaren versorgt. Amoeba-Musik wurde von uns natürlich persönlich beliefert … das sah dann so aus: Wir gingen mit einer CD rein und kamen mit dutzenden wieder raus - what a deal! :)
Wie Deke schon gesagt hat, das Zombie-Projekt lag uns sehr am Herzen und es war eine tolle Erfahrung mit diversen Indie-Größen Kontakt aufzunehmen. Allerdings steckte auch eine Menge Arbeit dahinter und es hat auch eine Weile gedauert, bis die Compilation kompiliert war!
Nochmal zurück zu den Verkäufen … abgesehen davon, dass uns dieser Aspekt nicht sonderlich wichtig ist, ist es für Indie-Labels prinzipiell ziemlich schwierig gute Vertriebswege zu finden. Momentan lautet unser Distribution-Motto daher: Wer uns findet wird es nicht bereuen!

Das kann ich nur bestätigen! Sind eigentlich zum neuen Album trotz der großen Distanz auch Livegigs geplant, vielleicht sogar in USA?

dan: Momentan ist nichts Konkretes geplant. Für Auftritte sollte man wenigstens ein bisschen vorher Proben können, was sich ja aus bekannten Gründen zur Zeit nur schwer realisieren lässt. Hinzu kommt, dass wir uns bei den Live-Auftritten seit einiger Zeit am Bass und am Schlagzeug mit den fantastischen Steinbach Zwillingen verstärkt haben, was auf der einen Seite eine Menge Spass bringt, aber auf der anderen Seite auch terminlich die Sache etwas eingrenzt, denn Flavio und Fabrizio sind meist in diversen musikalischen Projekten eingebunden und auch oft auf Tour … sei es mit "Crashing Dreams", Barbara Manning oder anderen. Aber Dank ihnen durften wir ein ganz neues Live-Feeling erleben, da es schon einen großen Unterschied macht, ob man mit Drumcomputer oder einem druckvollen Schlagzeuger auf der Bühne steht.
Um noch mal auf die Frage zurückzukommen … Live in Amerika zu spielen ist natürlich nach wie vor ein Traum der Logan Bros. …der sich ja vielleicht doch mal realisieren lässt.

deke: Das ist sicherlich einer der Nachteile unserer transatlantischen Situation. Wir müssen eben sehr deutlich Prioritäten setzten - und die lagen von jeher bei der Aufnahme von Songs. Wenn wir natürlich live spielen, dann würde ich das gerne mit den Twins machen, und das ist hier eben nicht so einfach …

Ich bin sicher, da werden sich Mittel und Wege finden lassen. Und wer durch das Interview angefixt wurde und außer dem neuen Album noch mehr Stoff von den Logan Bros. hören möchte, ist mit der beeindruckenden Backlist von Logan Tapes, die seit 1996 entstanden ist, erst mal eine gute Weile bestens bedient. Damit sollte sich die Wartezeit bis zum nächsten Gig/Album gut überbrücken lassen.
Zum Abschluss noch eine eher persönliche Frage an Dan und Deke, die ich nicht mehr stellen konnte, als ich euch das letzte Mal interviewt habe: Was ist euer Lieblingsalbum von den Beatles? Bitte jeweils mit einer Begründung in einem Satz.

deke: Auf die Schnelle fällt mir nur Fuckin' A, When Your Heartstrings Break, 2, 12 12, Urban Folk Legends, Damaged, Foreign Words, We'll Have a Time, Close Encounters of the Bump and Grind, How about San Francisco, New Day Rising, Mitsumeru, This Island, Art Contest, I am Not a Freemdoom, Fiction Romance Fast Machines, Beat Surf Fun, Holiday in Rhode Island ein, und vielleicht noch das Weiße, aber letzteres ist irgendwie kanonisch.