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Februar 2005
Christina Mohr
für satt.org


Erasure: Nightbird
Mute 2005

Erasure: Nightbird
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Erasure auf Tour:
26.3.05: Berlin/Columbiahalle
27.3.05: Hamburg/CCH 3
28.3.05: Köln/E-Werk
29.3.05: Offenbach/Capitol
31.3.05: München/Muffathalle
1.4.05: Dresden/Alter Schlachthof
   » erasure.de

Wenn man Euch die Geräte zeigt …

Im Zusammenhang mit Erasure fallen oft unschöne Worte wie Dorfdisco, Synthietrash oder Plastikpop. Mir kommt es schäbig vor, die Musik von Erasure mit solcher Häme zu überschütten – klar, die neue Platte klingt nicht grundlegend anders als 1988, Discofox-Rhythmus ist vorherrschend und lädt zum "Schwofen" ein, aber trotzdem! "Nightbird" zeigt, wie stilbildend und genreprägend das Projekt von Vince Clark, dem ehemaligen fünften Mitglied (nicht der Beatles, aber der anderen wirklich bedeutenden Band aus UK, Depeche Mode) und dem gelernten Metzger Andy Bell seit über zwanzig Jahren ist.

Ich erinnere nur mal kurz an die Hits: "Sometimes" (Andy Bell tanzt in dem Video durch aufgehängte Wäsche), "The Circus", "I Love to Hate You" , "Blue Savannah Song", "Ship of Fools", "A Little Respect", "Stop!", "Victim of Love", "Oh, L’Amour" und nicht zuletzt die wunderbare Hommage an Abba, "Abba-esque", die die Schweden-Smasher auch für mich erträglich machten. Erasure lieben die Verkleidung, das große Drama auf der Bühne und hängen begeistert Discokugeln auf, wo andere sich mit einer Neonröhre begnügen.

Sicher, die Pet Shop Boys als das andere britische Synthie-Camp-Duo sind ungleich mehr sophisticated, erwachsen, intellektuell und melancholisch – den Pet Shop Boys wurde allenthalben breit Respekt gezollt, wo Erasure als die Band für Schwule mit besonders schlechtem Musikgeschmack belächelt wurden. Aber ich will eine Lanze brechen für Vince und Andy, ihre Songs voller Licht und Wärme, ihre Liebe zu überladenen Arrangements und kleinen Details, die ganz bestimmt auch Jens Friebe gefallen. Und für ihr inbrünstiges "Ja" zu Kitsch und Camp, aber mit Würde und Freude umgesetzt. Die neuen Songs wie "Here I Go Impossible Again" und "I’ll be There" sind uplifting wie einst im Mai, die Single "Breathe" hat einen tollen Houseanfang und läßt Andy Bells Stimme genug Raum zur Entfaltung. "Sweet Surrender" paßt musikalisch - oberflächlich betrachtet - in die Kategorie Dorfdisco, aber wer den Refrain "no, I won’t ever ask for your surrender …no religion and choruses again" nicht nach dem zweiten Mal strahlend mitsingt, kann wohl nur als wahrer Grobian bezeichnet werden. Die Texte drehen sich – natürlich – um das Thema Liebe und Beziehungen in all seinen Varianten, die Protagonisten sind älter geworden, ein bisschen ruhiger vielleicht ("what we need is all around us" singt Andy Bell in "Let’s take one more Rocket to the Moon"), aber nicht abgeklärter. Und die Musik paßt dazu. So wie immer. Danke, Erasure.