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März 2004
Christina Mohr
für satt.org


Mike Evans: New York City Rock
Ventil Verlag, Mainz 2003

Mike Evans: New York City Rock

290 Seiten, € 14,90
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Mike Evans:
New York City Rock



Evans spannt den Bogen weit: in elf Kapiteln erzählt der Autor die Geschichte des amerikanischen Rock in all seinen Schattierungen. Von Folk und Doo Wop über Punk und Wave bis zum heutigen Rock'n'Roll-Revival und dessen prominentesten Vertretern, den Strokes. Ein umfangreicher Anhang rundet das Buch ab: Die Strokes verraten Ausgeh- und Shoppingtipps, darauf folgt eine Zusammenstellung der wichtigsten Clubs und Bars in NYC. Die ebenfalls angehängte Disco- und Bibliographie ist zwar sehr subjektiv ausgewählt, aber trotzdem umfassend genug, um sich in das Thema New York City Rock noch intensiver zu vertiefen.

Gitarre

Die Idee, eine rein auf New York bezogene Popgeschichte zu schreiben, macht Sinn: unzählige Trends wurden in NY geboren und bis heute ist die Stadt ein unwiderstehlicher Magnet für alle Kreativen dieser Welt. Auf New Yorks Straßen wurde gerockt und gerollt, gedoowopt und geklampft und so manches Viertel ist untrennbar verbunden mit bestimmten Sounds und Stilen wie zum Beispiel Brooklyn oder die Bronx.

Umso unverständlicher erscheint es, dass Rap und HipHop, den sicherlich revolutionärsten Musikstilen der letzten Jahrzehnte, in Evans Buch so wenig Platz eingeräumt wird – und die Plattentipps zu diesen doch eindeutig von Schwarzen dominierten Stilen kurzerhand unter der Rubrik "Alternative Rock" subsumiert werden. Disco hingegen hat in Evans’ Musikuniversum einen wesentlich prominenteren Stellenwert; aber vielleicht trauert der Autor selbst den roaring seventies nach J

Europäischen Rockfans – wenn man den Begriff "Rock" einfach mal für alle amerikanisch dominierten Musikstile verwendet – ist nicht immer die gewaltige Bedeutung Bob Dylans und Bruce Springsteens bewusst, die die beiden in den USA haben. Diesen beiden Musikern wird deshalb verhältnismässig viel Raum gewährt, was durchaus zu rechtfertigen ist, aber Bruce Springsteen quasi als Wegbereiter des Punkrock zu bezeichnen, kommt mir doch etwas weit hergeholt vor (siehe Kapitel "Working Class Heroes"). Evans schreibt in den ersten Kapiteln sehr detailreich, erzählt Anekdoten, geht ausführlich auf Künstler wie Velvet Underground, Andy Warhol, Jonathan Richman, Blondie und die New York Dolls ein; der letzte Teil des Buches hingegen kommt ein wenig holterdipolter daher: Evans hechelt in einem wahren Parforceritt –zig neue junge Bands durch, deren Namen man glatt überlesen kann, weil bereits im nächsten Absatz eine andere Gruppe abgehandelt wird. Das Ansinnen des Autors, zu zeigen, dass es ausser den Strokes noch viele andere aufregende junge Bands in New York gibt, ist verständlich, aber sinnvoller (und lesbarer!) wäre es gewesen, sich auf ein paar wenige Bands zu konzentrieren und diese exemplarisch hervorzuheben.

Alles in allem aber eine lohnende Anschaffung, wenn man ein umfassendes Handbuch der New Yorker Szene seit den 1950er Jahren haben möchte. Ärgerlich sind nur die vielen Druckfehler und manchmal krassen Patzer im Text ("Generation X" war die Band von Billy Idol und keine Single von Blondie, wie auf Seite 144 behauptet wird. Die Platte hieß "X Offender"), aber kann ja mal passieren. Kleine Verlage müssen schliesslich alles selber machen, also auch Korrekturlesen …übersetzt hat übrigens Ventil-Chef Martin Büsser!