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Dezember 2002
Thomas Vorwerk
für satt.org

Michael Ballhaus, Tom Tykwer:
Das fliegende Auge.

Michael Ballhaus.
Director of Photography.
Im Gespräch mit Tom Tykwer.
Berlin Verlag 2002

Das fliegende Auge

261 Seiten, geb.
22,00 EUR
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Das fliegende Auge

Michael Ballhaus im Gespräch mit Tom Tykwer

In den vergangenen Jahren fand ich mich je zweimal auf Veranstaltungen, auf denen Michael Ballhaus bzw. Tom Tykwer interviewt wurden, und ich wurde jedesmal vorzüglich von diesen Herren unterhalten. Wen soll es da verwundern, daß auch ihr gemeinsames Buch, inspiriert von Truffauts "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?", ein voller Erfolg wurde …

In der chronologischen Abfolge und bei den Appetithäppchen am Anfang jedes Kapitels halten sie sich auch an das Vorbild, dessen Titel sie aber nicht wie zuvor schon Robert Fischer umwandeln wollten. In den ersten Kapiteln erschien es zumindest mir so, als sei Tykwer zu sehr darauf bedacht, bereits früh Querverbindungen auszumachen, doch später entspannt er sich, und man kann sich einfach in dem Interview verlieren.

Ballhaus schildert nicht nur seinen Ausflug zu den "Lola Montez"-Dreharbeiten, die erste Kreiselfahrt bei "Martha" und ähnliche Erlebnisse, die man als Ballhaus-Jünger schon oft wiedergegeben hörte, sondern das Buch hält einige Überraschungen bereit. Wer wußte etwa, daß der Bettler der Peter Lorre in "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" eben diesen Kreide-Buchstaben auf die Jacke drückt, Michaels Onkel Carl Balhaus war? Doch von der Familiengeschichte und dem Theater-Background kommen wir schnell in Ballhausens frühe Karriere, die mithilfe einer ausführlichen Filmographie teilweise auch Dinge zutage bringt, an die Ballhaus selbst sich kaum mehr zu erinnern vermag. So war es mir etwa völlig neu, daß Ballhaus unter Pseudonym auch das Sexfilmchen "Das sündige Bett" drehte, laut eigenen Angaben "im Vergleich mit den Dreharbeiten mit Fassbinder geradezu keusch", "absolut sachlich, nüchtern", "technisch und professionell".

Die Zeit mit Fassbinder, seine Psycho-Spielchen und des Kameramanns selbstgewählter Status als Außenseiter in einer kommunenartigen Gemeinschaft nimmt natürlich einen Hauptteil des Buches ein, der andere ist die Arbeit in den Staaten, insbesondere zusammen mit Martin Scorsese.

Bei der sehr extensiven Filmographie und der beschränkten Interview-Zeit ist es klar, daß einige Filme schnell abgehandelt werden, doch dafür nimmt man sich bei den interessantesten Arbeiten wie "Whity" (der ersten Zusammenarbeit mit Fassbinder), "After Hours", "The Fabulous Baker Boys" oder "The Age of Innocence" dabei um so mehr Zeit.

Und man darf auch nicht versäumen, daß das Buch durch eine gediegene Ausstattung und überzeugende Bildauswahl überzeugt. Schlüsselszenen werden oft mit längeren Bildreihen illustriert, und generell bekommt man denn dringenden Wunsch, viele der Ballhaus-Filme nochmal oder zum ersten Mal zu sehen, um dieses Mal besonders auf manche Probleme und deren Lösungen zu achten.

Das beste und mit Abstand unterhaltsamste Filmbuch des ausgehenden Jahres.