Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 
November 2003
Frank Fischer
für satt.org




Friends
Auf Pro7 läuft derzeit dienstags die neunte und samstags die fünfte Staffel. Der amerikanische Sender NBC strahlt immer donnerstags Staffel 10 aus, in Deutschland wird sie in der voraussichtlich wie immer guten deutschen Synchronisation ab 2004 zu sehen sein.

Die Screenshots stammen aus »The One With the Late Thanksgiving«, der achten Folge der zehnten Staffel (Erstausstrahlung 20.11.2003).

»Happy and OK«

Friends

Friends

Ende September hat auf dem US-Sender NBC die zehnte und letzte »Friends«-Staffel begonnen



Das viermalige Händeklatschen im Introsong »I’ll be there for you« ist so international wie das Mc Donald’s-Signet. Doch mitklatschen möchte so recht keiner mehr. Die gerade gestartete »Friends«-Staffel wird die letzte sein, im Mai 2004 läuft die allerletzte Folge. Das Ende der TV-Serie ist Teil eines Syndroms, auch die altgedienten Formate »Frasier« und »Sex and the City« laufen aus. Für das amerikanische Magazin »Newsweek« Grund genug, Sitcoms zur »vom Aussterben bedrohte Spezies« zu erklären. Reality TV takes over.


Friends

Friends

Friends

Friends

Friends

Friends

Friends

Fernsehserien müssen mit einer fixen Ausgangslage über Jahre ihre Existenz bestreiten. Dieser Kern ist bei »Friends« die Freundschaft von sechs New Yorker Twenty-, inzwischen Thirty-Somethings. Je mehr Figuren von außen herangezogen werden müssen, desto unübersichtlicher und beliebiger wird die Konstellation. Wenn man also den Zuschauer nicht mit zu vielen Personen und Lebensgeschichten überfordern will, muss eben mal jeder mit jedem: reden und sich umarmen, streiten und lieben.

Dass aber so kurz vor Schluss ausgerechnet Rachel und Joey eine Liason eingehen, hätte kein Buchmacher für möglich gehalten, doch mit dieser Geschichte endete im Mai 2003 die neunte Staffel. Inzwischen haben beide eingesehen, dass es nichts wird mit ihnen, weil die Libido versagt. Schließlich sind sie seit zehn Jahren befreundet und hegen ein eher geschwisterliches Verhältnis. Außerdem hat Rachel mit Ross eine gemeinsame einjährige Tochter, Ergebnis eines One-Night-Revivals ihrer vor Jahren beendeten Beziehung.

Nun erschweren auch zu viele Kinder die Übersicht. Wenn alle Babywitze einmal gerissen sind, macht ein zweites Serien-Kind keinen Sinn. So kurz nach der Geburt von Rachels Tochter Emma haben Chandler und Monica, seit Ende der siebten Staffel Mann und Frau, deshalb Probleme mit der Fruchtbarkeit und denken gerade über Adoption nach.

Diese beiden kurz skizzierten Episoden zeigen, dass die Drehbuchautoren gerade noch die Kurve gekriegt haben und es eigentlich vielleicht doch ein guter Zeitpunkt zum Aufhören ist.

Die lustige Soap Opera

»Friends« verfolgt ein ähnliches Konzept wie »Seinfeld«, die Neunzigerjahreserie mit den Achtzigerjahrefrisuren. Nur dass die vier »Seinfeld«-Figuren keine Freunde im Sinn der Cliquenbeziehung in »Friends« sind, sondern zur Freundschaft eigentlich unfähige Neurosenbesitzer. »Seinfeld« war in Deutschland nie erfolgreich, trotz Umschneiden und Auslassen der Intro- und Outro-Sequenzen. Die ehemaligen »Seinfeld«-Stars, die ihre Figuren zunehmend nicht mehr vom Hahnenstolz auf ihre durch die Serie erlangte Berühmtheit freihalten konnten, sind nach der letzten Folge 1998 alle abgestürzt und hatten mit Einzelunternehmungen wenig Erfolg.

Die »Friends«-Darsteller haben indes versucht, bereits neben ihrem Hauptprojekt ihre Zukunft vorzubereiten. Jennifer Aniston (Rachel) hat letzthin mit Jim Carrey in »Bruce Almighty« gespielt, David Schwimmer (Ross) in der zehnteiligen Fernsehserie »Band of Brothers« über eine Einheit der US-Army im Zweiten Weltkrieg, Matt LeBlanc (Joey) immerhin in den beiden »Charlie’s Angels«-Filmen und Lisa Kudrow (Phoebe) neben Robert De Niro in »Analyze That«. Alles keine großen Gesamtprojekte, aber ruhmerhaltende und gegen Ruhmverlust vorbauende Maßnahmen.

Der Clou von »Friends« ist die Verschränkung von Sitcom und Soap Opera. Die Dialoge sind witzig und stets auf Pointen ausgelegt, dabei bleiben die Figuren aber entwicklungsfähig, weil sie in einer fortlaufenden Handlung agieren, eine Sitcom-Seltenheit. Das Interesse am Werdegang der Figuren steigt, an deren Beziehungen, Verwandtschaften, Hochzeiten. Im Gegensatz zur Soap Opera sind komplizierte Situationen aber meist mit dem nächsten Lacher automatisch getilgt.

Der typische »Friends«-Scherz, der dem obligatorischen Zuschauerlachen vorangeht, funktioniert so:

-You did not want to …!
-No, of course not. (Pause.) Yes, I did. (Lacher.)

Diese Art einer verzögerten Zustimmung zu einer offensichtlichen Tatsache kennt man zur Genüge, am Ende geht es aber auch nicht um die Innovationskraft der Jokes. Dass die Scherze eher solide und homogen sind, ist kein Mangel, auch Wiedererkennung ist witzig. Zumal die Figuren ihrem Charaktertyp treu bleiben. Der selbstironische Klassenkasper Chandler und seine Frau Monica unterhalten sich gern über Sex und darüber, wie sie am besten trächtig wird. Dass Phoebe nicht gut singen kann, es in ihrer ignoranten Selbstüberzeugtheit aber immer wieder tut, mit haarsträubenden Texten und melodienferner Gitarrenbegleitung, ist immer noch eine schöne Wiedererkennungshommage. Und die Freude über Joeys Dummheit ist der Freude über das eigene sich nachträglich eingeredete Wissen beim Sehen der weltweiten »Who wants to be a Millionaire«-Derivate nicht unähnlich.

»Friends« gibt es jetzt seit 1994, also bald zehn Jahre. Je näher das Ende rückt, desto größer wird die Hysterie und desto lauter die Spekulationen über den Ausgang. Marta Kauffman, Executive Producer der Show, möchte die Figuren »happy and OK« aus der Serie entlassen. Das »Friends«-Finale im Mai nächsten Jahres wird ein kollektives Fernsehereignis wie sonst nur der Super Bowl. Das viermalige Händeklatschen aber wird in Zukunft höchstens Wiederholungen ankündigen.