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30. Oktober 2019
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Scary Stories to Tell in the Dark (André Øvredal)


Scary Stories to Tell in the Dark
(André Øvredal)

USA / Kanada / China 2019, Buch: Dan & Kevin Hageman, Guillermo del Toro, Patrick Melton, Marcus Dunstan, Lit. Vorlage: Alvin Schwartz, Kamera: Roman Osin, Schnitt: Patrick Larsgaard, Musik: Marco Beltrami, Anna Drurich, Kostüme: Ruth Myers, Szenenbild: David Brisbin, mit Zoe Margaret Colletti (Stella Nicholls), Michael Garza (Ramón), Gabriel Rush (August / Auggie), Austin Abrams (Tommy Milner), Dean Norris (Roy Nicholls), Gil Bellows (Police Chief Turner), Lorraine Toussaint (Lou Lou), Austin Zajur (Chuck), Nathalie Ganzhorn (Ruth), Kathleen Pollard (Sarah Bellows), 107 Min., Kinostart: 31. Oktober 2019

Alle Jahre wieder kommen unterschiedlich pünktlich zu Halloween ein paar mehr Horrorfilme in die Kinos. Filme, die sich so an ein bestimmtes Datum knüpfen, sind meist eher weniger ambitioniert (was aber nicht bedeuten soll, dass ein Film wie Zombieland: Double Tap, der in Deutschland scheinbar ganz entspannt eine Woche nach Halloween anläuft, automatisch in einer anderen, besseren Liga spielt. Bei Scary Stories to Tell in the Dark treffen sich gute und schlechte Indizien, je nach den Prioritäten der Zuschauer wird der Film entsprechend besser oder schlechter gefallen.

Mir gefällt beispielsweise, dass der Film im Jahr 1968 spielt (auch wenn eine der jugendlichen Protagonistinnen eine Spur zu lapidar ihre Kenntnis von Night of the Living Dead proklamiert, der nur wenige Wochen zuvor seine Premiere hatte und laut Rolf Giesens Lexikon des phantastischen Films zunächst vor allem als double feature mit Dr. Who and the Daleks verschlissen wurde).

Scary Stories to Tell in the Dark (André Øvredal)

© 2019 eOne Germany

Im Gegensatz zum It-Reboot und dem aktuellen 80er-Hype (Stranger Things) beschwört man also eine Zeit, die nur für den wenigsten Vertretern des Zielpublikums vertraut sein wird. Im Ansatz geht es auch um den gesellschaftlichen Umbruch dieser Zeit (Ramón, eine der Hauptfiguren, wird wegen seiner Herkunft offen drangsaliert, eins der Monster wirkt wie eine Vietnam-Metapher), aber im Grunde entspricht Scary Stories jener Art von psychologischem Horror ohne zu viel Splatter, den man auch Pre-Teenagern in Comics und Büchern zumuten kann (habe gerade meine Rutsche Gratis-Comics vom Halloween ComicFest durch, die sich teilweise konkret an solche Kids wenden).

Die Scary Stories stammen aus einer illustrierten Buchreihe aus den 1980ern, die damals ein Millionenpublikum fand und für Produzent Guillermo del Toro jene Amblin-Abenteuer-geschichten jener Zeit evoziert, also Filme wie The Goonies, Gremlins usw. (die Verbindung zu Steven Spielbergs Produktionsfirma ist eher vage, aber man versteht ja, was er meint).

Scary Stories to Tell in the Dark (André Øvredal)

© 2019 eOne Germany

Del Toro schnappt sich u.a. die Drehbuchautoren von The Lego Movie und man entscheid sich für die gelungensten der kurzen Horrorgeschichten, verwob sie aber in eine Halloweengeschichte um ein Spukhaus, ein junges Mädchen, das dort verstarb und in der Verarbeitung ihrer eigenen Leiden eine Art »Buch des Bösen« schrieb.

Inzwischen schreibt sich das Buch quasi selbst und nutzt die Ängste derer, die sich des Hausfriedensbruchs im Spukhaus schuldig machten, um die realen Figuren in Kurzgeschichten bekannter Muster »hineinzuschreiben«, die sich quasi zeitgleich abspielen, während die Kurzgeschichten-Versionen in blutroter Schrift im Buch auftauchen.

Scary Stories to Tell in the Dark (André Øvredal)

© 2019 eOne Germany

Das klingt alles ziemlich gut und hat auch einen hübschen old school drive, wo selbst so etwas heute unzeitgemäßes wie eine Vogelscheuche echten Terror verbreiten kann.

Nebenbei spielt man auch mit üblichen Ängsten pubertärer Figuren, übertreibt es aber hier und da auch ein wenig. Und was mich persönlich etwas abtörnte: statt auch mit old-school-Effekten ein klassisches Feeling aufzubauen, vertraut man hier allzu sehr auf selten wirklich überzeugende digitale Effekte.

Scary Stories to Tell in the Dark (André Øvredal)

© 2019 eOne Germany

Wenn unter der Leatherface-ähnlichen Maske der Vogelscheuche Krabbelgetier auftaucht, ist es heutzutage vermutlich unumgänglich, dass man keine Käfer mehr bei Filmarbeiten in Gefahr bringen darf, aber eine stärkere Kombination von Make-Up-Effekten mit digitalen »Verstärkungen« hätten für mich den Film deutlich aufgewertet. Leider bin ich mit dem Werk des norwegischen Regisseurs (Trollhunter) nicht vertraut genug, um ein Statement darüber abzugeben, inwiefern er womöglich in eine andere Richtung gerudert hat als del Toro.

Gerade, weil die meisten Monster eher unsichtbar im Dunkeln lauern, fallen solche Kreaturen wie der »Jangly Man« eher negativ auf, während eine alte Frau mit Dobermann, die in einem seltsamen »roten Salon« rumsitzen, schon erstaunlich gruselig sind.