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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




5. Dezember 2018
Thomas Vorwerk
für satt.org


Cinemania-Logo 194:
Gefährliches Flattervieh



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  Die Erscheinung (Xavier Giannoli)

Die Erscheinung
(Xavier Giannoli)

Originaltitel: L'apparition, Frankreich 2018, Buch: Xavier Giannoli, Co-Autoren: Jacques Fieschi, Marcia Romano, Kamera: Eric Gautier, Schnitt: Cyril Nakache, Kostüme: Isabelle Pannetier, mit Vincent Lindon (Jacques Mayano), Galatea Bellugi (Anna), Patrick d'Assumçao (Père Borrodine), Anatole Taubman (Anton), Elina Löwensohn (Docteur de Villeneuve), Claude Lévèque (Père Gallois), Gérard Dessalles (Stéphane Mornay), Bruno Georis (Père Ezéradot), Alicia Hava (Mérlem), Candice Bouchet (Valérie), 137 Min., Kinostart: 13. Dezember 2018

Regisseur Xavier Giannoli hat sich durch Filme wie Marguerite oder Quand j'étais chanteur »bewiesen«, seine Filme laufen regelmäßig auf den großen Festivals (also Cannes und Venedig), werden teilweise mit Nominierungen zum César fast überschüttet. Sein neues Werk L'apparation wirkt irgendwie wie eine Herzensangelegenheit, man hat das Gefühl, dass am Drehbuch lange ziseliert wurde, um sowohl dem schwierigen Thema als auch der komplexen Geschichte gerecht zu werden. Zu dumm, dass ich Ignorant diese Bemühungen eher mit einer Komödie von Shakespeare oder den Vollzeitkiffern Cheech und Chung in Bezug setzen würde.

Es beginnt mit der Vorgeschichte des »Ermittlers«, die traumatisch und politisch relevant sein muss. Dazu nutzt man eine Einführung wie in Hitchcocks Rear Window, nur dass die Kamera nicht nur kaputt, sondern blutbeschmiert ist. Reporter Jacques (Vincent Lindon, Welcome) verlor seinen Partner, den Fotografen Christophe, bei einer Explosion, die auch Jacques' Gehör stark beeinträchtigte. Der Arzt rät ihm psychologische Betreuung, er verkriecht sich lieber in seiner verdunkelten Wohnung.

Dann wird er zum Vatikan berufen, um im Auftrag der Kirche eine Marien-Erscheinung zu überprüfen. In einem kleinen Dorf im Südosten Frankreichs will die 18jährige Anna (Galatéa Bellugi) der Jungfrau Maria begegnet sein. Ihm stehen Experten zur Seite, die Gegend wird bereits nachträglich vom Pilgerstrom verändert, ein irgendwie suspekter deutscher Priester (Anatole Taubman) ist versiert im Umgang mit den Medien und hat große Pläne.

Und langsam und beharrlich überprüft Jacques die Umstände, befragt die ihm auf nicht-sexuelle Weise durchaus zugeneigte, bodenständige Anna, deren Konterfei bereits auf Plakaten und Bechern prangt.

So, wie der Regisseur sich selbst nicht ganz sicher ist, wo er in Bezug auf die Religionsfrage steht, durchläuft auch seine Hauptfigur mehrere Phasen von Zweifel und Verblüffung (»Es mag vielleicht etwas geben, aber ich gehe nicht in die Kirche.«). Es scheint tatsächlich eine Art Wunder stattgefunden zu haben, aber die einzelnen Puzzleteile passen nicht perfekt zueinander.

Giannoli und sein »Ermittler« befassen sich mit der Sache »auf Augenhöhe«, »offen« - doch der Film will dabei zu viel. Die Charakterstudien von Jacques und Anna ist für sich genommen hochinteressant, kammerspielartige Gespräche beleuchten das Thema Gläubigkeit von vielen Seiten. Doch gleichzeitig geht es noch um den Medienrummel und die suspekten Personen in der Kirche, und schließlich bringt das Drehbuch die Geschichte auch noch mit Jacques' traumatischen Erfahrungen im arabischen Raum zusammen. Ein kirchliches Bild taucht auf, dass Jacques wiedererkennt, eine gute Freundin von Anna ist verschwunden - und daraus bastelt man gut zwei Stunden eine Geschichte, die mich ein wenig an eine weniger abgehobene Version eines Dan-Brown-Romans erinnert hat.

L'apparition ist kein schlechter Film, er nimmt sich nur verdammt viel Zeit, um eine Geschichte zu erzählen, die mir viel zu hübsch konstruiert erscheint. Der Film hat etwas durchaus detektivisches, aber dem behandelten Fall fehlt in meinen Augen die »Dringlichkeit«. Das liegt natürlich auch an meiner persönlichen Abneigung sämtlicher religiöser Wahnvorstellungen. Ob die Busladungen von Pilger jetzt einer wirklichen Marienentscheidung neuen Lebensmut entziehen oder nur Opfer eines großen Nepps sind, macht für mich kaum einen Unterschied, denn für mich ist es ihre Entscheidung, an so etwas nicht festzumachendes und schließlich lapidares zu glauben, die für sie den Unterschied macht.

Es gibt hier vielleicht unrechtmäßige Nutznießer (natürlich in den Reihen der Kirche), aber keine echten Opfer, und so hübsch, wie die ganze Geschichte dahindrapiert ist, wie sie ambivalente und moralische Botschaften an den Mann bringt, so wenig Drive und Relevanz hat das Ganze für mich auch.

Es ist zwar bewundernswert, wie Giannoli seine Geschichte in eine aktuelle globale Problematik »einwickelt«, aber ich vermisse den Bezug zu »meiner« Welt. Ich könnte mir vorstellen, in irgendeinem Provinznest in Frankreich zu sitzen, oder auch in einem afrikanischen Flüchtlingsheim, und an beiden Orten etwas man meiner Zeit, meinem Leben anzufangen, irgendwie einen Beitrag zum Dasein anderer zu geben - aber wie dieser Jacques hier voller Eifer auf der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen ist, wobei das Heu im übertragenen Sinne aus der Original-Krippe des Jesusbabys stammen soll, das geht einfach derart an mir vorbei, dass auch ein Ron-Howard-Film mit Tom Hanks, der ein ähnliches Problem mit weitaus breiteren Pinselstrichen ausmalt, für mich nicht viel uninteressanter klingt.

Hier und da gibt es wirklich interessante Ansätze im Film, etwa ein Gespräch über die »Globalisierung der Gleichgültigkeit«. Meine ganz persönliche Gleichgültigkeit kann, und das ist für mich außergewöhnlich, bei solchen Sujets sogar mein Interesse am Medium Film quasi »lähmen« (Exorzismus-Geschichten und Pferde-Abenteuer lassen mich ähnlich kalt, wie auch Formel-1-Rennen und Boxübertragungen im Fernsehen, obwohl ich denen - in Maßen - bei filmischer Aufbereitung etwas abgewinnen kann). Und so tut es mir fast ein wenig leid für Herrn Giannoli und seine teils guten Ideen und Umsetzungen, wie sehr mir sein Film am Arsch vorbeigeht.


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  Die unglaubliche Reise des Fakirs (Ken Scott)

Die unglaubliche
Reise des Fakirs,
der in einem
Kleiderschrank feststeckte
(Ken Scott)

Originaltitel: The Extraordinary Journey of the Fakir, Frankreich / Indien / Belgien 2018, Buch: Romain Puértolas, Luc Bossi, Lit. Vorlage: Romain Puértolas, Kamera: Vincent Mathias, Schnitt: Philippe Bourgueil, Musik: Nicolas Errera, Songs: Amit Trivedi, Kostüme: Valérie Ranchoux, mit Dhanush (Aja), Erin Moriarty (Marie), Bérénice Bejo (Nelly Marnay), Barkhad Abdi (Wiraj), Gérard Jugnot (Gustave), Ben Miller (Officer Smith), Abel Jafri (Captain Fik), Sarah-Jeanne Labrosse (Rose), Kay Greidanus (Pieter), Amruta Sant (Siringh), 100 Min., Kinostart: 29. November 2018

Die vermeintlich gewitzten Damen und Herren von den Verleihfirmen, die sich immer die deutschen Filmtitel ausdenken, haben hier mal wieder ganz tief in ihre Trickkiste gelangt. Weil Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand zum beachtlichen Erfolg auch auf deutschen Leinwänden wurde (was aber in nicht geringem Maße mit der Bestseller-Vorlage zusammenhing), bildete man sich wohl ein, dass abgeschlossene Kurzromane als Filmtitel besonders auffallen (auch, wenn man sie in der Berichterstattung aus Selbstschutz oft zusammenstutzt). Aber wenn man die Sache mal ganz unaufgeregt betrachtet, fragt man sich natürlich, ob dieser Titel wirklich ein abendfüllendes Kinovergnügen verspricht. Im günstigsten Fall stelle ich mir das wie die Maxi-Version des Videoclips von Close to me vor (mit Cure-Sänger Robert Smith, wie er an den Zinken eines Haarutensils zupft). Und damals riss auch noch die Musik eine Menge raus.

Laut Presseheft heißt die Romanvorlage aber Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Ikea-Schrank feststeckte (habe es versäumt, den Originaltitel zu recherchieren), und so kann man sich wenigstens zusammenreimen, warum die Titelvariationen des Films auf unterschiedliche Weise versuchten, das Product Placement loszuwerden. Im Film selbst ist zwar relativ offensichtlich, um welches skandinavische Möbelhaus es geht, aber man hat zumindest versucht, dieses Detail irgendwie etwas zu verschleiern.

An dieser Stelle will ich auch gleich zur größten Schwäche des Films kommen: Der aus Mumbai stammende Kleingauner Aja (Dhanush) landet auf einer europaweiten Odyssee, die auch mit modernen Problemen im Zusammenhang steht, aber eher als märchenhafte Feelgood-Komödie die Probleme Flüchtender verharmlost. Nach einer Schilderung seiner Kindheit und Herkunft geht es sehr schnell darum, etwas über seinen ihm unbekannten Vater zu erfahren, zu dem eine Spur Richtung Paris führt. Dort lernt er beim Bestaunen des Möbelhauses (er kannte zuvor nur die prächtigen Kataloge, die Träume in seine Armut brachten) fast augenblicklich seine (vielleicht?) große Liebe kennen, die Amerikanerin Marie (Erin Moriarty), doch zum verabredeten Date am Folgetag kommt er nicht, weil er mangels Übernachtungsmöglichkeit im Ikea-Schrank übernachtet (Luftholen, jetzt kommt es), der des Nachts nach England gebracht wird...

WTF? Ein Ausstellungsstück aus einem Ikea-Laden wird im Ganzen (und ohne reinzuschauen, warum er so schwer ist) in ein anderes Land geliefert. Wo Ikea-Möbel doch dafür bekannt sind, dass sie platzsparend verpackt und in kurzer Zeit zusammengebaut werden können? Wie idiotisch kann die Anfangsidee eines Films sein, um dann darauf zu hoffen, dass man das Publikum zu einem späteren Zeitpunkt wieder versöhnen und packen wird?

Streng genommen muss ich sagen, dass mich auch schon die Kindheit mit der nervigen Erzählerstimme nicht wirklich erreicht hat. Erinnerte mich irgendwie stark an Slumdog Millionaire (oder die Romanvorlage Q & A). Ein bisschen Exotik, eine große Liebe und angerissene Probleme, die sich aber nie der großen Magie des Kinos in den Weg stellen dürfen - Der Fakir macht es einem (oder zumindest mir) nicht leicht, ihn zu mögen.

Dass Aja, kaum in Paris angekommen, genauso als Tourist ausgenommen werden soll, wie er es jahrelang praktiziert und perfektioniert hat, ist da vergleichsweise charmanter als Idee. Auch das meet cute mit Marie, wenn die beiden in der Ikea-Kulisse quasi »Mann und Frau« spielen, hat etwas von klassischen RomComs (und wenn ich klassisch sage, meine ich die 1930er und 40er, Ernst Lubitsch etc.).

Die Episödchen durch Europa (inkl. Gastauftritt Bérénice Bejo, bei der Aja quasi als »Amor« deren love story vorantreiben kann, während die Marie-Kiste ja längere Zeit eingefroren ist und sie in Paris wen anders kennenlernt) sind ganz passabel, aber überzeugen auch nicht so recht als schlüssiger Mittelteil der Geschichte, alles droht zu zerfasern oder sich zu verlaufen, und man muss schon sehr an der »großen Liebe« interessiert sein, um die sich aneinander reihenden Absurditäten (inkl. obligatorischer Tanzeinlagen) wirklich prickelnd zu finden. Und der eine große Storytwist zur Vorbereitung des Happyends ist leider schon fast wieder auf Ikea-Schrank-Niveau (narrativ gesehen).

Viel zu gewöhnlich, um extraordinary zu sein.


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  Anna und die Apokalypse (John McPhail)

Anna und die Apokalypse
(John McPhail)

Originaltitel: Anna and the Apocalypse, Buch: Ryan McHenry, Alan McDonald, Kamera: Sean Deane, Musik: Roddy Hart, Tommy Reilly, Tanz-Choreographie: Sarah Swire, Make-Up: Maxine Dallas, mit Ella Hunt (Anna), Malcolm Cumming (John), Sarah Swire (Steph), Christopher Leveaux (Chris), Marli Siu (Lisa), Ben Wiggins (Nick), Mark Benton (Tony), Paul Kaye (Savage), Kinostart: 6. Dezember 2018

Im Presseheft zu Anna and the Apocalypse hat man eine beachtliche Liste von Pressezitaten versammelt, die mich ehrlich gesagt am Geisteszustand der Kollegen zweifeln lässt. »Ein neuer Kult-Klassiker«, »Mit eingängigen, peppigen und unterhaltsamen Songs«, »Anna und die Apokalypse ist ein toller Zombiefilm, ein tolles Musical, ein toller Weihnachtsfilm - ganz einfach großartig.«

Okay, ich gehe das Ganze mal in drei Etappen an, inspiriert vom letzten Zitat. Ich habe durchaus eine Zombie-Affinität, mag Film-Musical (wenn auch nicht alle), bin aber kein riesiger Weihnachtsfan (Ostern finde ich viel spannender - ich färbe jedes Jahr Eier, aber in meine Wohnung hat sich noch nie ein Weihnachtsbaum oder auch nur Adventskranz verwirrt - allerhöchstens habe ich mal Adventskalender selbstgemacht, zu Nikolaus Süßigkeiten springen lassen oder mir eine rote Zipfelmütze aufgesetzt. Auf der letzten Weihnachtsfeier habe ich sogar lieber Salat als Gans oder Ente gegessen).

Anna and the Apocalypse spielt im Weihnachtsvorfeld. In der Schule wird eine Weihnachtsfeier vorbereitet, hier und da ist geschmückt, es findet eine Szene in einem Nadelbaumlager statt, ein Zombie läuft in einem Schneemannkostüm herum und eine übergroße Zuckerstange wird zu einer Waffe umfunktioniert. Es gibt ja einigermaßen viele Weihnachtshorrorfilme, die sich jeweils an Leute richten, die es nicht ertragen, jedes Jahr Little Lord Fauntleroy oder Sissi zu sehen. Richtig gelungen finde ich fast nur die Gremlins, weil da sogar die Plüschtiere mal anders interpretiert werden und das Ganze auf einem halbwegs putzigen Level vonstatten geht. So was wie Black Christmas oder Krampus langweilt mich eher, und falls ich mal jeweils in die Lage geraten sollte, für mich und andere zu Weihnachten einen Film auswählen zu müssen, würde ich vermutlich Billy Wilders The Apartment oder Frank Capras It's a Wonderful Life aussuchen. Der Weihnachtsaspekt von Anna and the Apocalypse spielt für mich also eine sehr untergeordnete Rolle. Weniger Weihnachten ist für mich eigentlich immer mehr.

Widmen wir uns den Zombies. Einige Kritikerkollegen unterscheiden wie Gralshüter zwischen den gesellschaftskritischen Mahnungen à la Romero (Zombies im Supermarkt, was will uns der Künstler damit sagen?) und dem puren Fun-Horror, der vermeintlich das Genre verrät. Da bin ich vergleichsweise entspannt, das Remake von Dawn of the Dead ist für mich nach wie vor der einzige gelungene Film von Zack Snyder (wobei James Gunn als Drehbuchautor und Sarah Polley in der Hauptrolle entscheidend zum Gelingen beigetragen haben). Je mehr Zombiefilme man sieht, umso mehr Machwerke bekommt man dazwischen, ich gehe da sehr unbelastet dran und wenn es passt, lasse ich sogar mal ein Happy-End durchgehen, auch wenn sich das nun wirklich nicht mit dem Genre verträgt. Ich bringe allerdings auch nicht den Elan auf, mich jahrelang mit den Walking Dead zu beschäftigen, für mich laufen Zombiefilme schon irgendwie nach dem Zehn-kleine-Ihrwisstschonwas-Schema ab, wenn sich das Überleben zu sehr in die Länge zieht, ist irgendwann die Luft raus.

Ich würde natürlich nie den Ausgang spoilern, aber ein Filmtitel wie Anna and the Apocalypse verpflichtet auch irgendwie (ganz abgesehen vom frühen Song mit der Refrainzeile »no such thing as a hollywood ending«), und obwohl die ca. fünf Hauptfiguren größtenteils leicht in Pärchen aufgeteilt werden können, wird der Umgang mir der zentralen Hauptfrage »kriegen sie sich oder kriegen die Zombies sie?« eigentlich ganz vernünftig gelöst. Nicht ganz so überzeugend wie in Shaun of the Dead, wo der Balance-Act zwischen Grauen und Humor beispielhaft vollbracht wird, aber Anna and the Apocalypse (übrigens mal wieder die Langfassung eines Kurzfilms) hatte auch ein knapp bemessenes Budget - insbesondere, wenn man bedenkt, dass man Weihnachtsdeko, Zombieeffekte und Songs nebst Tanzchoreographie benötigt.

Die Splattereffekte sind für mich in einem Zombiefilm nicht die Hauptsache, aber es gehört schon irgendwie dazu, und man bleibt hier ein wenig hinter den Möglichkeiten, das Make-Up-Design ist wenig innovativ oder einfallsreich.

Noch deutlicher ist das aber bei den Musicalelementen. Es ist ja nicht ganz einfach, es mit anfänglich unbekannten Songs zu schaffen, das Publikum irgendwann mitzureißen. Wichtig sind für mich dabei die Texte. In den klassischen Disney-Animationsmusicals von den Sherman-Brothers oder Menken und Ashman reißen mich schon diese - nahezu unabhängig von den Kompositionen - mit (und auch bei den Musicals von Joss Whedon (Dr. Horrible's Sing-Along-Blog bzw. die Buffy-Episode Once more with Feeling) findet über die Beziehung zwischen Text und den Figuren die Anbindung statt. Das klappt bei Anna eher etwas holprig, sowohl die Kompositionen als auch die Texte sind etwas ... luschig.

So was wie »I need a human voice [...] in all this static noise« wirkt wie ein fettes Klischee, bei dem die ironische Brechung nicht ganz gelingt. Da funktioniert der Humor im Film deutlich besser als die Musik, wenn man etwas das beliebte Gesellschaftsspiel »marry, shag or kill?« mit Zombie Beyoncé, Zombie Miley und Zombie Rihanna durchexerziert.

Ein Zombie-Standard ist ja, dass die Menschheit sich auch unabhängig von der Zombiebedrohung dezimiert, weil die allgemeine Panik dazu führt, dass man gerne auch mal »Unschuldige« über den Haufen schießt, um auf »Nummer Sicher« zu gehen. Da setzt man gerne auch mal »Nicht-Zombie-Bösewichte« ein, in diesem Fall den brandneuen Schuldirektor mit Namen Savage (Paul Kaye), der sogar mal seinen eigenen Song bekommt und mit seinem extremen Overacting zwar nicht unbedingt glaubhaft wirkt, aber dennoch gut unterhält. So eine Art Severus Snape auf Amphetaminen.

Anna and the Apocalypse tut nicht weh, ist aber weit entfernt davon, ein »Kult-Klassiker« zu sein. Es gibt ein paar hübsche Ideen, die Darsteller sind sympathisch und durchweg engagiert, aber so richtig mitreißen tut einen weder die Musik noch die Zombiebedrohung. Irgendwie wirkt der komplette Film so, als hätte man immer nur so 50-70% des Potentials ausgeschöpft


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  Under the Silver Lake (David Robert Mitchell)

Under the Silver Lake
(David Robert Mitchell)

USA 2018, Buch: David Robert Mitchell, Kamera: Michael Gioulakis, Schnitt: Julio C. Perez IV, Musik: Disasterpeace, Kostüme: Caroline Eselin-Schaefer, Ausstattung: Michael T. Perry, mit Andrew Garfield (Sam), Riley Keough (Sarah), Topher Grace (Man at Bar), Grace Van Patten (Balloon Girl), Sydney Sweeney, India Menuez (Shooting Stars), Riki Lindhome (The Actress), Patrick Fischler (Comic Fan), Callie Hernandez (Millicent Sevence), Chris Gann (Jefferson Sevence), Jimmi Simpson (Allen), Zosia Mamet (Troy), Luke Baines (Jesus), Jeremy Bobb (Songwriter), Don McManus (Man of the End), Deborah Geffner (Voice of Sam's Mom), 139 Min., Kinostart: 6. Dezember 2018

Als Kritiker wird einem geradezu ein schlechtes Gewissen eingeimpft, wenn man mal einen vermeintlich wichtigen Film verpasst hat. In diesem Fall kann ich es nicht zur Verteidigung von Regisseur David Robert Mitchell nutzen, dass dieser zuvor den »Kult-Horrorfilm« (Presseheft) It follows drehte. Aus meiner Sicht führte der Erfolg des früheren Films eher dazu, dass man Mitchell freie Hand und ein nicht unerkleckliches Budget überließ, mit dem dieser Under the Silver Lake drehte. Und um erneut das Presseheft zu zitieren: »randvoll mit filmischen Anspielungen ist dieser nonchalante Mystery-Thriller ein Riesenspaß für jeden Filmliebhaber«.

An diesem Punkt muss ich dann doch widersprechen. Ich würde mich durchaus zu den Filmliebhabern rechnen und bin sowohl Filmanspielungen als auch dem Genre hard-boiled detective durchaus zugänglich, aber eine Mischung aus Verschwörungstheorien, Slacker-Mentalität, Los-Angeles-Mythologien, Film-Noir-Klischees und Versatzstücken der Filmgeschichte ist nicht automatisch ein »Riesenspaß«, sondern bei fast zweieinhalb Stunden Filmlänge, die mit Ausnahme einiger hübscher Ideen zu eigentlich gar nichts führen, eher ein mittelschweres Ärgernis.

Im Zentrum des Films steht Sam, gespielt von Andrew Garfield (Amazing Spider-Man, Never let me go), eine Figur, die ich als jüngere und sexuell aktivere Version von The Big Lebowski umschreiben würde. Ähnlich trantütig stolpert er durch eine Kriminalgeschichte à la Chandler, getrieben von einer großen Verschwörungstheorie auf der Suche nach einer verschwundenen jungen Frau, die ihm (wie erstaunlich viele Frauen in diesem Film) mal sexuell »entgegen« gekommen war. Wenn man sich zu dieser Prämisse noch den Wahnsinn von L.A. und die Begeisterung des Regisseurs für Filmanspielungen dazudenkt, hat man eine ziemlich gute Idee, wie der Film so verläuft.

Mitunter hat das auch einen immensen Charme. Wenn Mitchell minutenlang die typischen Autoverfolgungsjagden von Hitchcocks Vertigo zelebriert (inkl. deutlich »nachempfundener« Musik), nur um gut 20-30% Spannung reduziert und mit einer (gemächlichen) Verfolgung per Tretboot (!) gekrönt, so macht dies durchaus Spaß. Auch die Auftritte von mir geschätzter SchauspielerInnen wie Riki Lindhome und Patrick Fischler tragen zum Appeal des Films bei. Und aus dem filminternen Auftritt von mehreren Frauentrios (»Jesus and the Brides of Dracula«, eine mysteriöse WG, drei auch mal gemeinsam auftretende »Shooting Stars«) konstruierte ich auf der Suche nach dem Sinn des Films sogar schon einen Bezug zu den Eumeniden, auch wenn sich im nachhinein eher Charlie's Angels als Inspiration entpuppten.

Überhaupt ist das Frauenbild des Films problematisch. Zwar gibt es überdeutliche Bezüge zu Ikonen wie Marilyn Monroe oder Jayne Mansfield, aber Frauen werden im Film fast ausschließlich als Produkt präsentiert. Zwar gebärden sie sich wie hoffnungsvolle Schauspielerinnen am Anfang ihrer Karriere, aber die Käuflichkeit und Verfügbarkeit als »weibliches Grundprinzip« wird gerade durch die irgendwie wohl positiv aufzufassende Hauptfigur immer wieder demonstriert. Sam ist der profillose »Konsument« im Kontrast zu all den jungen Frauen, die er im Umfeld seiner Wohnung beobachtet (der Kinogänger ist ja auch nicht viel mehr als ein Spanner), die aus schwer nachvollziehbaren Gründen Sex mit diesem gutaussehenden Langweiler haben oder sogar zu einem Callring gehören, der ihren Anspruch darauf, »Shooting Stars« zu sein (»ich war mal in einem Film zu sehen!«), als prägende Verkaufsmotivation nutzen.

Das kaum eine dieser Frauen so etwas wie einen Charakter entwickelt, sieht man irgendwie auch daran, dass sie nicht einmal einen Rollennamen verdienen. Riki Lindhome etwa, die durch eine spektakulär lachhafte Sexszene (bei der ein Kurt-Cobain-Poster eine prägende Rolle spielt) eingeführt wird und mit Sam zeitweise zumindest so etwas wie eine »Freundschaft plus« führt, ist laut Abspann »The Actress«, eine Umschreibung, die auf gefühlt 80% der weiblichen Rolle zutrifft. Und mit Ausnahme von Sarah (Riley Keough, bekannt aus Mad Max: Fury Road), die die »Detektivgeschichte« ins Laufen bringt, bleiben die Frauen fast durchgehend namenlos. Es gibt »Shooting Stars« und »Actresses« und eine kaum abreißende Parade von »Rollen« wie »Beautiful Woman«, »Cute Art Woman«, »Bathroom Girl«, »Bikini Top Hat Girl«, »Balloon Girl« (die kann man immerhin zweifelsfrei zuordnen), »Emerald Beauty« oder »Yellow [...]«, »Green [...]« respektive »Blue Miniskirt«. Es geht sogar soweit, dass der von Topher Grace gespielte beste Kumpel Sams, mit dem er den ganzen Film hindurch abhängt, nur als »Man at Bar« aufgeführt wird.

Nun habe ich ausreichend Bücher von Dashiell Hammett gelesen, um zu wissen, dass der Großmeister des Detektivromans bevorzugt den Figuren in seinen Storys erst dann Namen gab, wenn der Detektiv als prägende Figur die Kenntnis dieser Namen erlangte. The Continental Operative betritt einen Raum, ein gutgebauter Kerl mit einer besonderen Kopfbedeckung wird kurz beschrieben, jemand anderes nennt diesen vielleicht zwei Seiten später »Joe«, der Name wird in der Erzählung übernommen, und vielleicht erfährt man zwei Kapitel später den kompletten Namen des Herrn. Vielleicht aber auch nicht. Oder erst, wenn ein Namensschild an seinem großen Zeh hängt. Der große Unterschied zu David Robert Mitchell besteht darin, dass ja selbst die Figuren, die durchaus eine größere Rolle spielen (zumindest im Alltag der Hauptfigur Sam), scheinbar nie im Zusammenspiel mit diesem beim Namen angesprochen werden. Womöglich soll dies irgendetwas über Besonderheiten von Los Angeles ausdrücken (wenn ich den Namen nie wusste, kann ich ihn auch nicht vergessen), aber wenn man sich als Zuschauer gut zwei Stunden mit einigen dieser Figuren befasst und sie nie so etwas wie eine Identität erhalten, fällt es einem auch irgendwie schwerer, sich für deren Schicksal zu interessieren.

Und leider verläuft das bei der Hauptfigur Sam kein Stück besser (der Slacker an sich kann ja durchaus charismatisch sein, vergleiche etwa Werner Enke in Zur Sache Schätzchen).

Dass eine der vielen Frauen wie einst Veronica Lake ins Licht tritt, eine Spur von knochenförmigen Hundekuchen zu einer makabren Mischung aus einer Schnitzeljagd und dem Märchen Hänsel & Gretel wird, Sam sich gegen einige Halbstarke durchsetzen muss, die bevorzugt parkende Autos zerkratzen, überall vermeintlich aussagekräftige Filmposter hängen oder die rudimentäre Handlung schließlich den Boden spannt von einem Playboy-Cover, das in Sams sexueller Initiation eine große Rolle spielte, zu einem tatsächlichen Mordfall, ist hier und da ganz putzig, aber nicht wirklich abendfüllend.

Auch die große Verschwörungstheorie des Films, die vom Subtext eines selbstgefertigten Comichefts (das natürlich jeweils in Animationspassagen umgesetzt wird) über geheime Botschaften der Buchstaben-Umdreherin Vanna White (die US-Vorgängerin von Maren Gilzer) bis zur verschwundenen Sarah führt, soll zwar an David Lynch erinnern, kann aber nicht mal mit den schwächsten Szenen von The Big Lebowski oder Brick mithalten. In diesen Filmen klammert man sich nämlich nicht nur an gewisse Genrekonventionen, sondern schafft es, damit zumindest eine Geschichte zu erzählen. Selbst, wenn man die nicht dauerhaft ernstzunehmen hat. In Under The Silver Lake fühlt man sich eher wie auf dem Rücksitz eines Autos, das sehr langsam an einem Auffahrunfall vorbeifährt.

Selbst die Kabinettstückchen des Films wie der Auftritt eines durchaus charismatischen Sängers / Komponisten faszinieren selten länger als einige Minuten. Und der Film ist auch einfach schludrig inszeniert. So (nur ein Beispiel aus vielen) hat Sam mal ein Zusammentreffen mit einem Stinktier und auf einer weit offenen Straßenkreuzung wundern sich mehrere Passanten über die so verbreitete Duftspur. In der darauffolgenden Szene befindet sich Sam in geschlossenen Räumen und niemandem fällt mehr auf, dass er bestialisch stinkt. Gags werden nur dann benutzt, wenn sie dem Herrn Regisseur in den Kram passen, es geht aber fast nie um eine fortgesetzte Handlung.

Sicherlich kann man auch dies als Statement über die oberflächliche Welt von L.A. interpretieren, aber wirklich interessanter wird es dadurch auch nicht.


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  Peppermint: Angel of Vengeance (Pierre Morel)

Peppermint: Angel of Vengeance
(Pierre Morel)

Originaltitel: Peppermint, Buch: Chad St. John, Kamera: David Lanzenberg, Schnitt: Frédéric Thoraval, Musik: Simon Franglen, mit Jennifer Garner (Riley North), John Ortiz (Detective Moises Beltran), John Gallagher jr. (Detective Stanley Carmichael), Juan Pablo Raba (Diego Garcia), Annie Ilonzeh (Detective Lisa Inman), Jeff Hephner (Chris North), Pell James (Peg), Clifford »Method Man« Smith (Detective Barker), Cailey Fleming (Carly North), 96 Min., Kinostart: 29. November 2018

Meine Lieblings-Kritikerkollegin hat mir nach dem Film erklärt, dass sie für solche Filme keinen Platz in ihrer Jahres-Shitlist hat. Da gäbe es einfach anderes, was sie mehr erzürnt als die immer wieder stumpf runtergedrehten Versionen eines ohnehin immens suspekten Subgenres (hier schiebe ich ihr einige Worte in den Mund, aber so habe ich es verstanden). Ich persönlich habe indes eine lange Tradition darin, mich über menschenverachtend-zynische Filme aufzuregen, wenn sie nicht wenigstens durch Humor die Grundhaltung etwas »durchsetzen« und somit erträglicher machen.

Peppermint ist so ein Rache-/Selbstjustiz-Actioner, bei dem der Ansatz eines Twists darin besteht, dass hier mal nicht Charles Bronson, Mel Gibson oder ein vergleichbarer »Punisher« das Verbrechergesocks niederstreckt, sondern Jennifer Garner (einst bekannt geworden durch die Fernsehserie Alias, gefolgt von zwei Kinoauftritten als Elektra) eine Art Action-Comeback versucht, das sich auf unschöne Weise mit ihrer aktuellen Standard-Filmrolle als liebender Mutter (The Odd Life of Timothy Green, Miracles from Heaven, Love, Simon) vermischt.

Ganz wie der Marvel-Richter-plus-Henker Frank Castle muss sie miterleben, wie Mann und Tochter von einer Mafia-Killertruppe niedergemäht werden (sie selbst kriegt auch was ab). Und als sie als Augenzeugin die Mörder in den Knast bringen will, muss sie feststellen, dass das (geschmierte) Justizsystem so gar nicht funktioniert. Deshalb stählt sie fünf Jahre lang in Europa ihren Körper (Batman lässt grüßen), ehe sie zum Jahrestag der Morde das Drogenkartell aufmischt.

Die vielleicht noch interessanteste Idee des Films ist ein Polizist (John Gallagher jr. als Detective Stan Carmichael), der an der anfänglichen Ungerechtigkeit zur zerbrechen droht und fünf Jahre später (unrasiert und mit Alkohol im Kaffeebecher) wieder auftaucht, was für den Handlungsverlauf ein gewisses Potential entwickelt, das man dann aber achtlos liegen lässt.

Ich bin ja dafür bekannt, dass ich mich oft über Kleinigkeiten aufrege und darüber gewisse formale Mängel eines Films nicht so dezidiert ausarbeite, aber eine Beweisführung dafür, dass dieser Film komplett misslungen und größtenteils spannungsarm und einfallslos manipulativ (Blutflecken auf den Erinnerungsfotos der Familie) ist, erscheint mir überflüssig, weshalb ich mich exakt auf die Details konzentriere, die mir besonders idiotisch erschienen - und die auch gut demonstrieren, wie lieb- und gedankenlos der Film entstand.

Der Rachezug der Riley North beginnt mit drei bildkräftig an einem Riesenrad befestigten Leichen. Mag mancher für ein hübschen ausdrucksstarkes Motiv halten, aber ich habe mich da gefragt, mit welcher Bergsteigerausrüstung Riley die drei Körper da unbemerkt und schnell hochgeschafft haben will.

Später will sie sich Eintritt zu einem gut gesicherten Grundstück verschaffen und versteckt sich hinter einer Limousine, deren Insassen längst tot sind. Das von Leichen gesteuerte Auto bietet ihr also Deckung - und fährt fügsam um leichte Kurven, überwindet Steigungen und Gefälle, während sie jeweils gebückt dahinter her geht.

Gleich zu Beginn des Films erleidet eine Figur eine Schnittwunde, aus der das Blut herausschießt wie aus einem Plastikbeutel. Riley selbst wird mal ins Bein gestochen, und man sieht, wie sie die riesige Wunde selbst verarztet. Interessanterweise sah man vorher auch das Loch in ihrer Jeans, das vielleicht nur ein Viertel so groß ist.

Auch der für solche Filme typische Schlusskampf mit dem Oberschurken ist eine riesige Witznummer, aber was für mich der absolute »Genickbruch« des Films war, ist eine Szene, die ich etwas umständlicher erklären muss.

Zu Beginn des Films sieht man »Peg« (Pell James), die Mutter einer Klassenkameradin von Tochter Carly, die äußerst unsympathisch daherkommt, Carly abschätzig behandelt (»I don't think you're Firefly Troop material«) und bei einer Geburtstagsfeier Carlys durch einen Telefonanruf recht verdächtig nach einer perfiden Saboteurin der Feier klingt (Beweise für diese Interpretation der Sachlage gibt es aber nicht einmal im Ansatz). Die ausgefallene Geburtstagsfeier führt dazu, dass man zum Rummelplatz geht, wo dann zwei Drittel der Familie abgeschlachtet werden. Shit happens (especially in shitty movies), aber eigentlich keine Kausalkette, die man Peg ankreiden könnte. Fünf Jahre später taucht Riley dann wieder auf, verschafft sich Zugang zu Pegs Haus (die lebt inzwischen allein, und der Film / Riley stellt das ganz selbstverständlich als Folge von Pegs schlechtem Charakter dar), fesselt die verängstigte Frau, hält ihr u.a. eine Schusswaffe an den Kopf, und als Peg sich dann einnässt, sagt Riley mit einer ganz widerwärtigen Art »Oops!« Und weil das wohl noch nicht reicht, um den Racheaspekt zu verdeutlichen (zu Lebzeiten schlug Tochter Carly vor, die Mutter solle Peg eine reinhauen), erklärt Riley dann »I'm gonna burn your house down with you in it!«, gefolgt von dem Nachsatz »Stop squealing, Peg, I'm only kidding!«

Sorry, aber »kidding« ist für mich etwas anderes. Als Zuschauer war für mich an der Stelle Jennifer Garner ungleich widerwärtiger als die böse Snob-Mutter. Ich finde auch die vergleichbaren Szenen in der Halloween-Folge von The Big Bang Theory oder Saul Rubinek in Unforgiven nicht wirklich »witzig« oder würde keinesfalls aufgrund fehlerhafter Blasenkontrolle in Stresssituationen irgendein charakterliches Urteil über die betroffenen Personen fällen, wie man es liebend gerne in Filmen verwendet (bereits in Kinderfilmen: der kleine Tintenfisch in Finding Nemo). In Zeiten, wo man sich überall an bodyshaming erzürnt, sollte man vielleicht mal langsam diese Art von »Humor« loswerden. Oder Bösewichte, die sich schon aufgrund ihrer fettigen Haare disqualifizieren etc.

Jennifer Garner ist für mich in diesem Film der Beweis dafür, dass die Gutaussehenden nicht automatisch auch die »Guten« sind - ganz unabhängig davon, dass der Film ja versucht, mir genau dieses weiszumachen.

Echte, nicht zu leugnende Bösewichte - und das auch im normalen Alltag - sind für mich übrigens (unter anderem) Leute, die beim Autofahren mit ihrem Handy hantieren. Das finde ich weitaus verdammenswerter als einen russischen Akzent. Aber das führt hier zu weit...


Demnächst in Cinemania 195 (Sinneswandel):
Startaktuelle Rezensionen, vermutlich zu Ben is back (Peter Hedges), Colette (Wash Westmoreland), Drei Gesichter (Jafar Panahi) und Mary Shelley (Haifaa Al Mansour).