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30. Oktober 2017
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Thor: Tag der Entscheidung (Taika Waititi)


Thor: Tag der Entscheidung
(Taika Waititi)

USA 2017, Originaltitel: Thor: Ragnarok, Buch: Eric Pearson, Craig Kyle & Christopher Yost, Kamera: Javier Aguirresarobe, Schnitt: Zene Baker, Joel Negron, Musik: Mark Mothersbaugh, Kostüme: Mayes C. Rubeo, Production Design: Dan Hennah, Ra Vincent, Set Decoration: Beverley Dunn, mit Chris Hemsworth (Thor), Tom Hiddleston (Loki), Cate Blanchett (Hela), Tessa Thompson (Scraper 142 / Valkyrie), Mark Ruffalo (Bruce Banner / Hulk), Idris Elba (Heimdall), Jeff Goldblum (Grandmaster), Anthony Hopkins (Odin), Benedict Cumberbatch (Doctor Strange), Karl Urban (Skurge), Taika Waititi (Korg), Rachel House (Topaz), Clancy Brown (Stimme von Surtur), Tadanobu Asano (Hogun), Ray Stevenson (Volstagg), Zachary Levi (Fandral), Matt Damon (Actor Loki), Luke Hemsworth (Actor Thor), Sam Neill (Actor Odin), Charlotte Nicdao (Actress Sif), Scarlett Johansson (Natasha / Black Widow), Cohen Holloway (Lead Scrapper), Alia Seror-O'Neill (Golden Lady #1), Sophia Laryea (Golden Lady #2), Stephen Oliver (Cousin Carlo), Ashley Ricardo (Odin's Assistant), Taylor Hemsworth (College Girl #2), Stan Lee (Exotic Barber), Adam Green (New York Businessman), Ken Watanabe (Asgardian Noble), Jaimie Alexander (Sif), 130 Min., Kinostart: 31. Oktober 2017

Die Erkenntnis kommt bei den jahrelang gebetsmühlenartig ausgeworfenen Superheldenfilmen reichlich spät, aber ich glaube, ein Superheldenfilm kann - zumindest für mich! - nur funktionieren, wenn er einen gewissen Unterhaltungswert hat, der nicht zuletzt auch mit Humor zusammenhängt.

Mein Lieblingsfilm seit jeher (also jedenfalls aus der Zeit, als noch nicht der größte Teil solcher Filme synthetisch hergestellt wurden) ist Joe Johnstons The Rocketeer von 1991. Dave Stevens' Comicvorlage nimmt sich nicht so tierisch ernst und so läuft es auch im Film.

Angefangen mit Richard Donners Superman, über Tim Burtons Batman returns und Sam Raimis Spider-Man-Trilogie: die besseren Superhelden-Filme waren immer die, die Spaß gemacht haben. Auf eine andere Art würde ich dazu auch noch The Dark Knight zählen, aber da trübt die obligatorische Ration Chris-Nolan-Ernsthaftigkeit den Eindruck schon stark, die besten Elemente hängen für mich mit Grant Morrisons komplett überzogenem Arkham Asylum zusammen, inklusive des Details, dass der Joker jetzt mit etlichen Jahren Verspätung beinahe in Strapsen auftreten darf (das gefiel DC bei den Comic-Plänen so gar nicht).

Der dunklere Humor von Filmen wie Deadpool oder The Punisher (die Version mit Thomas Jane) hat am ehesten das Potential, es zu vermurksen, aber ich möchte an dieser Stelle auch betonen, dass nicht jeder witzig gedachte Superhelden-Film gleich super gelungen sein muss. Aber die sich extra ernstnehmenden Filme, die der Comicrevolution von 1986 (Watchmen, The Dark Knight Returns) nacheifern, sind meistens am anstrengendsten und dadurch auch am misslungensten. Wenn man einem Genre wie den Superhelden innerhalb des Medium Comics einen Schuss Ernsthaftigkeit und Politik gönnt, ist das eine Sache, wenn man ausgerechnet Superheldenfilme dazu benutzt, etwas über die Occupy-Bewegung oder den kalten Krieg unterzujubeln, dann fragt man sich schon zurecht: Geht das nicht auch ohne Superhelden?

Und so sind Zack Snyder und Christopher Nolan so ziemlich das Schlimmste, was einem Superheldenfilm passieren kann, während Joss Whedon, Sam Raimi oder James Gunn die Heilsbringer sind. Und jemand wie Bryan Singer, der die Mutanten-Kiste dauerhaft als Metapher nutzt, schafft es meistens, das Ganze gleichzeitig wenigstens mit einer gewissen Lockerheit zu präsentieren. Für mich sind selbst sämtliche Fantastic-Four-Filme (okay, der mit dem Silver Surfer war schon ziemlicher Murks) besser als so ein düsteres Abmurksen plus griechische Tragödie wie Daredevil (obwohl ich hier die Vorlage liebe). Und Iron Man Robert Downey jr. hat zwar Humorpotential, aber die fatalistischen Kriegs-Szenarios machen vieles davon kaputt.

Thor: Tag der Entscheidung (Taika Waititi)

© Marvel Studios 2017

Noch ein Super-Beispiel: Edward Norton als The Incredible Hulk: Solange er in den Favelas herumirrt, ein ziemlich schöner Film, doch beim (leider in vielen dieser Filme unvermeidlichen) Showdown mit dem Tim-Roth-CGI-Monster ist der Glanz wieder dahin.

Joss Whedons erster Avengers-Film überzeugte mich dadurch, dass man auch während des Showdowns noch einige wirklich hübsche, charaktergestützte Dialog-Gags hat. In Guardians of the Galaxy musste auch ein Universum gerettet werden und es gab Opfertode, aber das Ganze blieb dabei spielerisch. Und das wollten Thor-Darsteller Chris Hemsworth und Komödien-Experte Taika Waititi (Eagle vs. Shark, What we did in the Shadows) auch mit dem von Kenneth Branagh und Alan Taylor (der hatte immerhin etwas mehr Humor) ziemlich in den Sand gefahren Thor-Franchise versuchen.

Ich bin hier keinesfalls maßgebend, aber die einzigen Thor-Comics, die ich je (mit Gewinn!) gelesen habe, waren die von Walter Simonson, wo unter anderem ein Alien mit mehr oder weniger »Pferdegesicht« die Heldenrolle vom üblichen Thor übernimmt oder Thor als Frosch überleben muss. Eine echte Frischzellenkur für eine Figur, die sonst abgesehen von ein paar fish-out-of-water-Gags und dem überzogenem Sprachduktus eher unwitzig daherkommt.

In Thor: Ragnarok, der jetzt vom Titel her nicht unbedingt wie eine Komödie klingt (und auch hier kämpft man um Welten, es gibt Konsequenzen und Helden opfern sich), kommt Thor zum einen sehr ironisch daher, und zum anderen macht er sich immer wieder zum Gespött, sein Heldenstatus wird dauerhaft durch den Kakao gezogen, was aber an seinen hehren Zielen und seiner Einstellung nicht wirklich was ändert. Und diese Humorquelle funktioniert erstaunlich gut und ziemlich lange (ehe dann der Showdown durchaus witziger und antiklimaktischer hätte ausfallen können).

Thor: Tag der Entscheidung (Taika Waititi)

© Marvel Studios 2017

Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) verwandelt zwischendurch Thors besten Kumpel, der Hammer Mjolnir, in einen Regenschirm, wodurch Thor schon mal weitaus lächerlicher aussieht. Mjolnir wird im Grunde genauso »dekonstruiert« wie sein »Herrchen«, denn schon gleich zu Beginn spielt Thor zwar mit seiner Waffe wie ein zu selbstverliebter Revolverheld, doch das Timing stimmt hier und da nicht wirklich. Zwischendurch setzt er den Hammer, den wie das Schwert von König Artus nur Thor allein tragen kann, auch mal clever ein: Bei einem riesigen Drachenwesen legt er Mjolnir mal in Maul des Drachen ab, wodurch dieser quasi am Boden klebt, egal wie fuchsteufelswild er versucht, sich freizumachen.

Der Großteil des Films spielt sich auf zwei Handlungssträngen ab: Während Thor ohne Hammer auf einem fernen Müllplaneten festhängt, macht sich die Todesgöttin Hela (Cate Blanchett) mit unglaublichen Kräften daran, Asgard zu vernichten oder zumindest die Einwohnerzahl auf ein Minimum herabzusetzen. Thors wichtigste Kumpane Hogun, Volstagg und Fandral können Hela nicht wirklich Paroli bieten und eine ganze Armee wackerer Krieger-Hünen wird von ihr mit einer Leichtigkeit massakriert, die etwa einem Kampf meiner Person mit einer Tüte Gummibären entspricht - sie hatten nie eine wirkliche Chance!

Und Thor, der über einen Mental-Link mit Heimdahl (Idris Elba) vom drohenden Untergang hört, wird immer hübsch gedemütigt und als Gladiator vom »Grandmaster« (Jeff Goldblum entdeckt seinen Sinn für Comedy zurück), einer Art Trump-Diktator mit farbenblindem Fashion Sense. Selbst die positiven Nachrichten, dass auch Thors Bruder Loki (Tom Hiddleston), eine zur Kopfgeldjägerin umgeschulte Walküre (Tessa Thompson) und ein Freund, den Thor »von der Arbeit kennt« (Mark Ruffalo in Grün) auf dem Planeten weilen (sowie Regisseur Waititi in einer Gastrolle als Steinmonster), helfen ihm erst mit einer guten halben Verspätung, weil eigentlich nur Steini aka Korg auf Anhieb bereit ist, dem blonden Recken, der übrigens inzwischen aussieht wie eine Mischung aus Mad Max und William »Braveheart« Wallace, zu unterstützen.

Thor: Tag der Entscheidung (Taika Waititi)

© Marvel Studios 2017

Seit Mark Ruffalo den Hulk spielt, hat die Marvelfigur, von der ich die meisten Comics besitze, keinen eigenen Film mehr bekommen, aber Hulk / Bruce Banner, das zeigt auch dieser Film wieder, funktionieren am besten als Nebenfigur. Hier gibt es zwar psychoanalytisch Motivationsgespräche mit Thor, der sowohl Banner als auch Hulk hoch und heilig verspricht, dass ihm die aktuelle persona weitaus sympathischer ist. Auch die Verbindung zu Black Widow / Scarlett Johansson wird wieder eingebracht und die vielen Facetten der Figur kommen alle zum Vorschein - aber der Hulk darf bei den Heldentaten auch mal zurücktreten, was eine echte Wohltat ist.

Bei aller Euphorie gibt es aber auch ein paar Steine im Getriebe. Karl Urban als Skurge ist so eine Figur, über die sich der Film anfänglich lustig macht (voller Schleim verliert er seine Gespielinnen), die dann zur bösen Seite wechselt (Hela lobt seine »keen survival instincts«, als er im richtigen Moment lieber niederkniet), aber immer nur mit halber Kraft bei den Metzeleien mitmacht, um zum Schluss eine Charakterwandlung vorzuführen, wie man sie früher in gefühlt jeder dritten Folge von Gunsmoke / Rauchende Colts miterlebt hat und die mich schon damals nicht recht überzeugte. (Übrigens wirkt Thor: Ragnarok passagenweise auch wie von der NRA gesponsert, obwohl man jetzt annehmen würde, dass die nordische Mythologie nicht für ihre Schusswaffenaffinität bekannt ist.)

Thor: Tag der Entscheidung (Taika Waititi)

© Marvel Studios 2017

In Guardians of the Galaxy hat man die obligatorische Heldenpose im Showdown weitaus überzeugender in den allgemeinen Tonfall eingearbeitet. Die statt aus den 1970ern nun aus den 80er Jahren übernommene Atmosphäre mit dem superbunt ge-colorgrade-eten Schrottplatz, einer Menge Star-Wars-mäßige Raumschiffe und Aliens, Synthiesoundtrack (bis auf den Immigrant Song von Led Zeppelin hat man hier die Guardians nicht zu deutlich nachgeäfft) und einem Gastauftritt von Matt Damon, der beinahe David Hasselhoff aussticht, fand für mich ihren Höhepunkt, als Banner in Ermangelung eigener Kleidung einen Anzug von Tony Stark anzieht, zu dem ein T-Shirt gehört, dass das Cover des Duran-Duran-Albums Rio (vom stylischen Popkünstler Patrick Nagel) schmückt.

Leider sind aber einige der Green-Screen-Effekte unsauber (die Szenen am Meer) und man spürt, dass Regisseur Waititi mit einigen der obligatorischen Superhelden-Elemente nicht wirklich warm wurde. Joss Whedon glaubt man ja sogar die überzogenen Heldennummern, weil die einfach Teil seiner Sozialisierung und seines Œuvres sind.

Fazit: Nicht so gut wie Ant-Man und Guardians (Vol. 1), aber definitiv der beste der drei Thor-Filme.