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9. Juli 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Cedar Rapids (Miguel Arteta)


Willkommen in
Cedar Rapids
(Miguel Arteta)

USA 2011, Originaltitel: Cedar Rapids, Buch: Phil Johnston, Kamera: Chuy Chávez, Schnitt: Eric Kissack, Musik: Christophe Beck, mit Ed Helms (Tim Lippe), John C. Reilly (Dean Ziegler), Anne Heche (Joan Ostrowski-Fox), Isiah Whitlock Jr. (Ronald Wilkes), Stephen Root (Bill Krogstad), Kurtwood Smith (Orin Helgesson), Alia Shawkat (Bree), Rob Corddry (Gary), Mike O'Malley (Mike Pyle), Sigourney Weaver (Macy Vanderhei), Inga R. Wilson (Gwen Lemke), Mike Birbiglia (Trent), Seth Morris (Uncle Ken), Craig Janos (Jack Nicholson Impersonator), Tracey Maloney (Flight Attendant), 87 Min., Kinostart: 7. Juli 2011


  Company Men (John Wells)



Company Men
(John Wells)

USA 2010, Originaltitel: The Company Men, Buch: John Wells, Kamera: Roger Deakins, Schnitt: Robert Frazen, Musik: Aaron Zigman, mit Ben Affleck (Bobby Walker), Tommy Lee Jones (Gene McGlary), Chris Cooper (Phil Woodward), Maria Bello (Sally Wilcox), Kevin Costner (Jack Dolan), Craig T. Nelson (James Salinger), Rosemarie DeWitt (Maggie Walker), 104 Min., Kinostart: 7. Juli 2011

Auf den ersten Blick verbindet diese beiden Filme vielleicht wenig. Sie haben den selben Starttermin, kommen aus den USA, und es geht um Geschichten, die mit dem Arbeitsalltag zusammenhängen. Doch Cedar Rapids ist eine Komödie, während The Company Men das ist, was man in Verachtung der Wortherkunft zumeist als Drama bezeichnet. Die größte Gemeinsamkeit ist persönlicher Natur: beide Filme haben mich ziemlich enttäuscht – und das hängt auch ein bisschen mit ihren Hauptdarstellern zusammen.

  Cedar Rapids (Miguel Arteta)
Bildmaterial zu Cedar Rapids © Twentieth Century Fox
Cedar Rapids (Miguel Arteta)
Cedar Rapids (Miguel Arteta)

Bevor ich nach dieser Einleitung auf Ben Affleck einschlage (nur ein Scherz!), zunächst etwas zu Cedar Rapids. Ed Helms, der diesen Film auch mitproduzierte, dürfte den meisten Menschen aus The Hangover und dem dazugehörigen Sequel bekannt sein. Damals verglich ich Helms mit Bastian Pastewka und Alan Ruck, während ich Cedar Rapids sah (vor The Hangover 2, weshalb ich Helms auch nicht sofort einordnen konnte), dachte ich auch noch an eine langweilige Version von Steve Carell. Gerade eben, bei der Recherche, habe ich dann auch noch herausgefunden, dass Helms mit Carell sogar bei der US-Version von The Office jahrelang zusammenarbeitete und auch kurz in Evan Almighty durchs Bild huscht (sein Rollenname: »Ark Reporter« – davon gibt's im Film mindestens sieben). Womöglich ist Steve Carell ja Ed Helms großes Vorbild, und er versucht, dessen spießige Verklemmtheit kurz vor der Katastrophe nachzuahmen. Dummerweise ist er nur eine ziemliche Trantüte (ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass er den langweiligen Zahnarzt in The Hangover spielen musste), so ein Beamten–Typ, auf dessen Namen man bei Klassentreffen ums Verrecken nicht kommt.

Cedar Rapids erinnert außerdem sehr stark an The Hangover. Wieder gibt es eine Männergruppe (keine eingeschworenen alten Freunde, sondern Vertreter, die eher zufällig bei einer Convention ein Zimmer teilen müssen), die innerhalb eines Wochenendes in so manches Fettnäpfchen treten. Nur geht es hier nicht um einen Junggesellenabschied, der aus dem Ruder läuft, sondern um eine Firmenrepräsentation, für die Helms als Tim Lippe kurzfristig einspringen muss, und die seine Kollegen / Konkurrenten so gar nicht interessiert, solange es Alkohol, einen Hotelpool und die Seitensprüngen nicht abgeneigte Joan (Anne Heche) gibt. Ein bisschen erinnert Cedar Rapids somit auch an Up in the Air (Arbeits-Techtelmechtel contra Eheleben zuhause). Und John C. Reilly könnte die Sache womöglich ins Rollen bringen – wäre da nicht Ed Helms als Tom Lippe.

Wie langweilig Helms / Lippe ist, lässt sich schon daran ablesen, dass er diesmal kein unglücklich verheirateter Zahnarzt ist, sondern eine seltsame Beziehung mit seiner früheren Lehrerin (Sigourney Weaver) führt, die offenbar Mitleid mit der Mimose und ihn längst abgesägt hätte, wenn sie nicht Angst hätte, ihn unnötig zu verletzen. Und Helms kriegt dabei sowenig mit, dass man Sheldon Cooper aus The Big Bang Theory damit verglichen zum anthropologischen Superchecker erklären könnte. Besonders hübsch: Lippes Begegnungen mit einer an diesen Messestandorten unumgänglichen Prostituierten (Alia Shawkat).

Dass Alexander Payne (Sideways, About Schmidt) diese Komödie, bei der man anderthalb Stunden lang vergeblich darauf wartet, dass sie zündet, mitproduziert hat, mag man gar nicht glauben. Einfach ein sehr überflüssiger Film, bei dem man sich im günstigsten Fall an ähnliche bessere Szenen aus anderen Filmen erinnert.

Und das, obwohl Regisseur Miguel Arteta mich zuvor mit Youth in Revolt begeisterte und mit The Good Girl immerhin gut unterhielt. Der Regisseur ist halt doch nicht immer alles …

  Company Men (John Wells)
Bildmaterial zu The Company Men © Senator Film
Company Men (John Wells)
Company Men (John Wells)

Bei The Company Men geht es mit dem Aufguss anderer Filme weiter. Schon bevor ich das Plakat des Films sah, fühlte ich mich sehr an Glengarry Glen Ross erinnert, David Mamets 90er-Jahre-Modernisierung von Arthur Millers Death of a Salesman. Damals telefonierten Al Pacino, Jack Lemmon und andere Oscar-Gewinner oder -Nominierte um ihr Leben bzw. um ihren Job (»First prize is a Cadillac second prize is a set of steak knives, third prize is: you're fired«). Unter dem harten Druck, als Vertreter Zahlen liefern zu müssen, zerbrachen diese Männer, sie verloren ihr Gesicht, ihren Anstand und vielleicht auch ihren Job.

Für The Company Men hat man nun ebenfalls vier Oscar-Gewinner zusammengetrieben (Wer sich wundert: Ben Affleck hat mal am Drehbuch von Good Will Hunting mitgeschrieben), mit denen man diesmal mitleiden soll. Mit Ausnahme des als selbstständigen Maurer tätigen Costners stammen Affleck, Cooper und Jones (erneut unterschiedliche Altersgruppen) diesmal aber allesamt aus dem »middle management« (wieder unterschiedlich hoch in der Hierarchie), wo angesichts des Bankenkrachs und der Wirtschaftskrise in den Firmen »redundencies surfaced« (ich liebe amerikanische Euphemismen). Am spannendsten ist hier die erste Hälfte des Films, während derer sich die Probleme der drei Herren langsam herauskristallisieren und man sich mit der finanziellen Zurückstufung abfinden muss. Zweitwagen? Klassenfahrt der Tochter nach Italien? Schaun mer mal ...

Doch wo ich Chris Cooper gerne zuschaue, und Tommy Lee Jones und Kevin Costner ertragen kann, lehnt sich nicht nur das Hauptaugenmerk des Films auf Ben Affleck – noch schlimmer ist, dass nach der durchaus gelungenen Exposition des Films daraus so etwas wie ein amerikanisches Märchen wird. Affleck kämpft, Affleck findet neue Freunde, Affleck ist sich nicht zu schade, sich auch mal dreckig zu machen – und durch die Auflösung des Ganzen beraubt sich der Film seiner eigenen Existenzberechtigung, dass man nur so mit den Ohren schlackert. Wo Cedar Rapids nur öde ist, muss man sich bei The Company Men gegen Ende auch noch ärgern und fremdschämen. Da ist in dieser Woche die Frauenfussball-WM wohl doch die bessere Alternative.