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7. Januar 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Labyrinth der Wörter (R: Jean Becker)
Labyrinth der Wörter (R: Jean Becker)
Labyrinth der Wörter (R: Jean Becker)
Bildmaterial © 2010 Concorde Filmverleih GmbH
Labyrinth der Wörter (R: Jean Becker)
Labyrinth der Wörter (R: Jean Becker)


Labyrinth
der Wörter
(R: Jean Becker)

Originaltitel: La tête en friche, Frankreich 2010, Buch: Jean Becker, Jean-Loup Dabadie, Lit. Vorlage: Marie-Sabine Roger, Kamera: Arthur Cloquet, Schnitt: Jacques Witta, Musik: Laurent Voulzy, mit Gérard Depardieu (Germain Chazes), Gisèle Casadesus (Margueritte), Maurane (Francine), Patrick Bouchitey (Landremont), Jean-François Stévenin (Jojo), François-Xavier Demaison (Gardini), Claire Maurier (La mère), Sophie Guillemin (Annette), Mélanie Bernier (Stéphanie), Matthieu Dahan (Julien), Jérôme Deschamps (Le maire), Gilles Détroit (Dévallée), Anne Le Guernec (La mère jeune), Florian Yven (Germain enfant), 82 Min., Kinostart: 6. Januar 2011

Über Harald Juhnke hieß es mal, er könne alles spielen außer Proleten. Da ist ihm Gérard Depardieu, die große Kartoffelnase des französischen Kinos, einiges voraus. Sein Germain Chazes kümmert sich wie einst Peter Sellers’ Chance um den Garten, doch statt im maßgeschneiderten Anzug und distinguierter Haltung stapft er in seiner blauen Latzhose durch die Gegend, und wenn irgendwo ein Fettnäpfchen herumsteht, steuert er es auch zielstrebig an. Sein Freundeskreis, der sich im Bistro trifft, nimmt ihn gerne mal hops, doch im Grunde haben ihm ein fremdgehender Kellner oder ein Automechaniker mit Abitur soviel nicht voraus.

Der Kern des Films ist die Begegnung mit der älteren Margueritte (Gisèle Casadesus), mit der er sich zunächst auf einer Parkbank über die Tauben unterhält, die ihm dann aber Albert Camus’ Die Pest vorliest, und spätestens, wenn man sieht, wie Germain sich die Ratten in Schwarzweiß-Bildern vorstellt, wird klar, dass seine Intelligenz trotz seiner Tölpelhaftigkeit und einer Leseschwäche durchaus vorhanden ist.

Von dort an könnte der Film wie viele ähnliche »Leselernfilme für Erwachsene« ablaufen, nach Schema Stanley and Iris - doch auch, wenn es momentan viele Filme zum Thema gibt, etwa Un prophèt, Precious oder The Reader, so haben diese Filme immer auch eine Geschichte darüber hinaus zu erzählen. Und bei dieser Literaturverfilmung ist es auch so. Dass der Film im englischsprachigen Raum als My Afternoons with Margueritte umworben wird, passt zwar, doch es geht auch um andere Aspekte von Germains Leben, die von seiner neugefundenen Leselust zwar berührt werden, ihn aber als Figur (und somit als Paraderolle für Depardieu) voll einbinden. Dazu gehören neben den bereits erwähnten inneren Bildern etwa seine Liebesbeziehung (die zu einem der großartigsten Musikeinsätze der letzten Zeit führen), die Kameraderie im Bistro (nebst einigen dort ablaufenden Subplots) oder seine Flashbacks aus seiner Kindheit.

Der Film ist zwar vor allem etwas gefällig plätscherndes französisches Lebensgefühl (noch dazu öfters mit Overacting als Konstruktionsprinzip), aber dabei durchaus unterhaltsam - und mit einigen Momenten, für die sich der Kinobesuch auf jeden Fall lohnt.