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29. Dezember 2010
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Immer Drama um Tamara (R: Stephen Frears)
Immer Drama um Tamara (R: Stephen Frears)
Immer Drama um Tamara (R: Stephen Frears)

Immer Drama um Tamara (R: Stephen Frears)
Immer Drama um Tamara (R: Stephen Frears)
Immer Drama um Tamara (R: Stephen Frears)




Immer Drama
um Tamara
(R: Stephen Frears)

Originaltitel: Tamara Drewe, Buch: Moira Buffini, Comic-Vorlage: Posy Simmonds, Kamera: Ben Davis, Schnitt: Mick Audsley, Musik: Alexandre Desplat, Kostüme: Consolata Boyle, mit Gemma Arterton (Tamara Drewe), Roger Allam (Nicholas Hardiment), Bill Camp (Glen McCreavy), Dominic Cooper (Ben Sergeant), Luke Evans (Andy Cobb), Tamsin Greig (Beth Hardiment), Jessica Barden (Jody Long), Charlotte Christie (Casey Shaw), James Naughtie (Interviewer), John Bett (Diggory), Josie Taylor (Zoe), Bronagh Gallagher (Eustacia), Pippa Haywood (Tess), Susan Wooldridge (Penny Upminster), Amanda Lawrence (Mary), 111 Min., Kinostart: 30. Dezember 2010

In den USA ist ein Kinostart-Termin im Dezembers das feste Standbein für Oscar-Kandidaten, die die zusätzliche Aufmerksamkeit mitunter auch dringend benötigen, um spätestens im neuen Jahr finanziell über die Runden zu kommen (dieses Jahr zum Beispiel: Biutiful, Black Swan, Blue Valentine, The Tourist, True Grit). In Deutschland gibt es im Dezember die traditionellen Kinder- oder Disney-Filme (Yogi Bear, Tangled) und die epischen Blockbuster nach Schema »Lord of the Rings« (der neueste Narnia-Teil ist irgendwie beides). Viele andere Filme, die in den letzten zwei Wochen des Jahres starten, versinken sang- und klanglos im Schneeloch, aufgrund des durch Feiertagsbäuchlein überdurchschnittlichen Phlegmas. Oder sie setzen sich gegen die schwache Konkurrenz durch wie Little Fockers oder bestimmte Filme von und mit Til Schweiger (bleibt uns dieses Jahr erspart, Kokowää kommt erst im Februar).

Tamara Drewe ist offenbar so ein Film, mit dem keiner (insbesondere internationale Verleiher) etwas anfangen konnte. Im Mai lief er »außer Konkurrenz« in Cannes, im Juli folgte der französische Start, im September England, im Oktober die USA, und jetzt Deutschland. Finnland muss noch bis April warten, aber das werden die schon verschmerzen.

Hauptdarstellerin Gemma Arterton ist trotz Clash of the Titans und Prince of Persia längst nicht so eingeschlagen, dass Millionen sabbernder Herren ins Kino strömen, und auch ihre Bedeutung als Titelfigur im Zusammenhang mit den anderen Filmfiguren wirkt seltsam unentschlossen. Einerseits geht es um ein Autorenrefugium auf dem britischen Land, andererseits wirbelt die durch Schönheitsoperation am Gesichtserker plötzlich sehr begehrenswerte Tamara die Herren verschiedenen Alters sehr durcheinander, und eine dritte Altersgruppe wird durch zwei Teenies und ihren Traum-Rockstar (Dominic Cooper) repräsentiert, der auch gerade in dem verschlafenen Nest unterkommt.

Die Comicvorlage von Posy Simmonds soll stark von Thomas Hardys Far from the Madding Crowd inspiriert sein, aber da ich den Roman nicht kenne, werde ich mir da nicht mithilfe von Wikipedia irgendwas aus den Fingern saugen wie viele meiner Kritikerkollegen, die immer gerne so tun, als kennen sie jedes noch so unbekannte literarische Werk – oder sie lesen dieses natürlich aus Recherchegründen.

Nachdem ich aber den Film gesehen hatte - und mir ein ungefähres Bild gemacht hatte, wie der Comic wohl aussehen konnte (ich bildete mir ein, er könne ähnlich aufgebaut sein wie Fischstraße 13 vom Clever & Smart-Erfinder Ibanez oder einige der Greyshirt-Geschichten von Alan Moore und Rick Veitch: Man sieht sozusagen einen Querschnitt eines Hauses – im Fall Tamara mehrerer Häuser - und verschiedene Geschichten entwickeln sich in den unterschiedlichen Räumen unabhängig voneinander). Dummerweise zeichnet sich der Comic aber eher durch eine ziemlich abtörnende Kombination von längeren Textstellen und »richtigen« Comicteilen aus. Da war wahrscheinlich auch nicht viel mehr rauszuholen.

Immerhin ist der Film besser als sein Trailer, der mit Captions in der immergleichen Comic-Schriftart arbeitet, die man schon aus The Hulk oder American Splendor kennt. Im Trailer versucht man die Unentschlossenheit des Films zu kaschieren, in dem sich alles über Tamaras großen Auftritt in Hot Pants zu drehen scheint. Die daran anschließende schlechteste Szene des Films (die nicht sehr subtile Sache mit der Sektflasche) hat man auch gleich übernommen. Wer beim Trailer verzückt ist, wird auch den Film mögen, aber im Grunde genommen ist Tamara Drewe eine Art britischer Aufguss von Sideways, angereichert um die Teenager-Episode, eine Stampede und Gemma Arterton in Hot Pants. Das mag manchem ja genügen.