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27. Oktober 2010
Thomas Vorwerk
für satt.org


  R. E. D. - Älter, härter, besser (Robert Schwentke)
R. E. D. - Älter, härter, besser (Robert Schwentke)
© 2010 Concorde Filmverleih GmbH
R. E. D. - Älter, härter, besser (Robert Schwentke)


R. E. D.
Älter, härter, besser
(R: Robert Schwentke)

Originaltitel: Red, USA 2010, Buch: Jon & Erich Hoeber, Comic-Vorlage: Warren Ellis, Cully Hamner, Kamera: Florian Ballhaus, Schnitt: Thom Noble, Musik: Christophe Beck, Kostüme: Susan Lyall, mit Bruce Willis (Frank Moses), Mary-Louise Parker (Sarah Ross), John Malkovich (Marvon Boggs), Karl Urban (William Cooper), Morgan Freeman (Joe Matheson), Helen Mirren (Victoria), Brian Cox (Ivan Simanov), Rebecca Pidgeon (Cynthia Wilkes), Richard Dreyfuss (Alexander Dunning), Ernest Borgnine (Henry, The Records Keeper), James Remar (Gabriel Singer), 111 Min., Kinostart: 28. Oktober 2010

Vor zehn Wochen schrieb ich eine Doppel-Rezension zu The A-Team und Inception, und vieles, was ich an diesen zwei Streifen bemängelte, lässt sich auch auf Scott Pilgrim vs. the World und Red übertragen. In mancherlei Hinsicht ist Red sogar noch ärgerlicher in der humoristischen Darstellung der Gewalt und Scott Pilgrim wird nicht nur von manchen Zeitgenossen, die keine anderen Hobbys haben, in Inception-Weise uminterpretiert (»vielleicht findet das ja alles nur in seinem Kopf statt ...«), man muss auch attestieren, dass Edgar Wrights Comicverfilmung mit Manga- und Videospiel-Einschlägen noch realitätsferner als das Nolan-Vehikel ist. Einschließlich der Darstellung früherer Beziehungen und ihres Einflusses auf das spätere Leben.

Der entscheidende Unterschied ist, dass mir Pilgrim und Red auf unterschiedliche Weise Spaß gemacht haben, während das Incepteam schnell einfach nur nervte.

Das absurdeste und überraschendste an Red ist, dass man sich tatsächlich entschlossen hat, nach zwei Jahrzehnten ein Sequel zu Bruce Willis’ wahrscheinlich spektakulärsten Misserfolg Hudson Hawk zu drehen (wobei dieser Film im Presseheft zu Red natürlich mit keiner Silbe erwähnt wird). Zugegeben, es geht nicht um einen Meisterdieb, sondern um einen pensionierten CIA-Agenten, und aus der Besetzung des seinerzeit von Willis mitproduzierten Films hat man nur den Hauptdarsteller übernommen, aber bis auf den etwas höheren body count orientiert sich Red in vielerlei Hinsicht an der Handlung und dem spielerischen Humor jenes früheren Kabinettstückchens. In gewisser Weise könnte man sogar behaupten, Red sei »Hudson Hawk done right«, denn diesmal hat man sich um Stars bemüht, die man immer wieder gerne sieht, und man kann diesen den Spaß beim Drehen ansehen, der sich - im mehrfachen Gegensatz zu Hudson Hawk - sogar auf den Zuschauer überträgt. Wenn Morgan Freeman in der hellblauen goldbehangenen Prachtuniform eines afrikanischen Diktators seinen französischen Akzent vorführt oder Helen Mirren einfach mal so tut (und fast so aussieht), als sei sie wieder 45 oder 35, dann ist das ebenso nett anzuschauen wie John Malkovich, Richard Dreyfuss oder Karl Urban. Ein klitzekleiner Auftritt des inzwischen über 90jährigen Ernest Borgnine ist dann sozusagen die Sahnekirsche obendrauf. Da nimmt man die hanebüchene Geschichte hin, die sich zwischen Postkartenansichten der ansonsten kaum zu unterscheidenden Spielorte hin- und herhangelt, und teilweise so sehr darauf bedacht ist zu überraschen, dass man gänzlich abstumpft dagegen.

Bruce Willis ist manchmal eine Spur zu cool beim Killen diverser Secret-Service-Leute (die ja auch nur ihren Job machen und nichts dafür können, dass ihr Befehlshaber böse ist), der Kameramann verweist zu häufig mit Kreiselfahrten auf seinen Familiennamen und die Romanze zwischen Willis und Mary-Louise Parker wird größtenteils verschenkt abgesehen von einigen schönen Momenten, während derer sie in ihrer Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt ist (»You can’t go around duct-taping everyone.«) Wirklich übel ist aber die Musiksuppe, die scheinbar nur von einigen Feuergefechten und Explosionen unterbrochen wird (bzw. dabei von einer Hardrock-Musiksuppe ersetzt wird) und sich ansonsten wie ein Endlosteppich über den Film legt. Wobei die Komposition von Christophe Beck gar nicht mal schlecht ist, doch manchmal kann die Quantität auch die Qualität versauen.

  Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt (R: Edgar Wright)
Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt (R: Edgar Wright)
© Universal Pictures International
Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt (R: Edgar Wright)

Scott Pilgrim gegen
den Rest der Welt
(R: Edgar Wright)

Originaltitel: Scott Pilgrim vs. the World, USA / UK / Kanada 2010, Buch: Michael Bacall, Edgar Wright, Comic-Vorlage: Bryan Lee O'Malley, Kamera: Bill Pope, Schnitt: Jonathan Amos, Paul Machliss, Musik: Nigel Godrich, Production Design: Marcus Rowland, Art Direction: Nigel Churcher, Kostüme: Laura Jean Shannon, mit Michael Cera (Scott Pilgrim), Mary Elizabeth Winstead (Ramona Flowers), Kieran Culkin (Wallace Wells), Ellen Wong (Knives Chau), Alison Pill (Kim Pine), Anna Kendrick (Stacey Pilgrim), Mark Webber (Stephen Stills), Johnny Simmons (Young Neil), Aubrey Plaza (Julie Powers), Satya Bhabha (Matthew Patel), Chris Evans (Jason Lee), Don McKellar (Director), Brie Larson (Natalie »Envy« Adams), Brandon Routh (Todd Ingram), Mae Whitman (Roxy Richter), Keita Saito (Kyle Katayanagi), Shota Saito (Ken Katayanagi), Jason Schwartzman (Gideon Graves), Nelson Franklin (Comeau), Ben Lewis (Other Scott), Thomas Jane (Vegan Police), Clifton Collins jr. (Vegan Police), Bill Hader (The Voice), Bryan Lee O’Malley (Lee’s Palace Bar Patron), 112 Min., Kinostart: 21. Oktober 2010

Auch bei Scott Pilgrim vs. the World spielt die Musik eine wichtige Rolle und wirkt für manche Zuschauer allgegenwärtig. Doch hier ist sie zwar angeberisch, aber trotz des generellen Genres »Indie-Rock« durchaus abwechslungsreich (I heard Ramona sing von den Pixies wird mal gerade so lang angespielt, dass man es erkennen kann), ist erstaunlich oft diegetisch, also Teil der vielen »battles of the bands«, eines Bass-Duells oder des von Beck komponierten Songs Ramona (wie sollte er auch sonst heißen?), und gehört wie einige Videospiel-Sounds und Melodien und die recht genial eingearbeitete Universal-Hymne einfach dazu zum Film und zur dargestellten Welt der gänzlich zwischen 17 und vielleicht 35 Jahre alten Protagonisten (na gut, die eine Drummerin mal ausgenommen).

Das Universum von Scott Pilgrim besteht eben aus musikalischer Dauerbeschallung, Videospielen und fight scenes. Einige Personen haben immerhin Jobs (abgesehen von Musikern und deren Produzenten allerdings nur Hiwi-Jobs wie Thekenkraft oder Paketkurier), aber selbst ohne die geringste finanzielle Unterstützung scheint man hier ein glückliches Leben mit hippen Klamotten führen zu können (wenn man wie Scott dieselben Initialien wie die Smashing Pumpkins hat, ist das schon ein Vorteil für die Garderobe), und wenn man nicht gerade rummacht, videospielt, Musik fabriziert oder anhört, oder in Kämpfe auf Leben und Tod verwickelt ist, vertändelt man die Zeit mit Shoppen, wobei der Erwerb von Konsumgütern hier ähnlich unbedeutend ist wie in einem Adventure, wo der Spaten, der Hammer, das Didgeridoo oder das Extraleben auch nur irgendwo unsichtbar in einem kleinen Beutel warten, bis man sie später irgendwann braucht.

Vieles, was man dem Film zum Vorwurf machen könnte, war bereits Teil der Comic-Vorlage, und - was ich nur selten sagen würde - der Film baut auf seiner Vorlage geschickt auf, verbessert einige Szenen merkbar (die Blickwechsel zwischen Scott und Ramona und ihren Ex-Lovern Envy und Todd, nebst anderen Blickwechseln innerhalb eines überschaubaren Raumes), verdichtet und erweitert klug (die Sache mit dem Mond flog größtenteils raus, eine der fight scenes spart man sich für einen besseren Moment auf, und die Drummerin mit dem bionischen Arm wurde ausgetauscht, während aus einer Szene, wo Ramona nur mit Inline-Skates durch den Schnee fährt und ein zischendes Soundword zu sehen ist, einer der auffälligsten Special-Effects des Films wurde), und benutzt eine ähnlich überzogene graphische Handschrift (jede Menge Herzen und Sterne, allerdings auch eine Spur zu häufig das Soundword »Ring«).

Das beste an Comic und Film ist, das man gleichzeitig völlig übertrieben die Weltsicht Heranwachsender abbildet (in einer Art und Weise, dass sowohl Gleichaltrige als auch Nostalgiker angesprochen werden), aber jedem, der trotz der Reizüberflutung Zeit zur Kontemplation findet, auch die Möglichkeit gibt, über die dahinter verborgenen Themen nachzudenken (was bei Inception mehr behauptet als geliefert wurde). Und Edgar Wright ist ein Regisseur mit Blick für Details und einem ziemlich perfekten Comedy-Timing, wie er ja schon bei Hot Fuzz und Shaun of the Dead bewies. Allerdings hoffe ich doch, dass das Tempo seiner Filme nicht wie bisher weiterhin anzieht, denn irgendwann muss man sonst jeweils die DVD in halber Geschwindigkeit anschauen, um noch halbwegs alles mitzubekommen.