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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




8. September 2010
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Zarte Parasiten (R: Christian Becker & Oliver Schwabe)
Zarte Parasiten (R: Christian Becker & Oliver Schwabe)
Zarte Parasiten (R: Christian Becker & Oliver Schwabe)
Zarte Parasiten (R: Christian Becker & Oliver Schwabe)
Zarte Parasiten (R: Christian Becker & Oliver Schwabe)


Zarte Parasiten
(R: Christian Becker & Oliver Schwabe)

Deutschland 2009, Buch: Christian Becker & Oliver Schwabe, Kamera: Oliver Schwabe, Schnitt: Florian Miosge, Musik: Aurelio Valle, mit Robert Stadlober (Jakob), Maja Schöne (Manu), Sylvester Groth (Martin), Corinna Kirchhoff (Claudia), Gerda Böken (Frau Katz), Max Timm (Constantin), Rainer Laupichler (Gunter), Paul Nickel (Benjamin), Ludo Schotte (Alfred), Tom Schilling (Musiker im Bahnhof), 87 Min., Kinostart: 9. September 2010

Jakob und Manu, ein junges Paar, tobt sich in der Disco aus. Doch danach lassen sie sich nicht auf einen verlängerten Kontakt ein mit dem Gleichaltrigen, der eben noch ihre Drinks bezahlt hat. Sie setzen sich ab - und campieren im Wald.

Erst langsam kommt man als Betrachter hinter den Lebensstil der beiden. Manu (Maja Schöne) pflegt und betreut die ältere Frau Katz, die ihre mehrfach nahelegt, doch auch ihren Freund mal mitzubringen. Irgendwann tut Manu das auch, liebt sich mit Jakob auf dem Bettvorleger - unter den Augen der alten Frau.

Jakob (Robert Stadlober) begibt sich hingegen zielsicher durch den Wald und landet auf einer großen Wiese. Wo er von einem landenden Segelflieger umgehauen wird (sehr holprige Inszenierung, die mehr behauptet als zeigt). Der besorgte Pilot Martin (Sylvester Groth) wird Jakob noch öfter treffen - und bald wird Jakob, der das selbe Alter und die selbe (für Stadlober ungewohnte) Haarfarbe hat wie Martins verstorbener Sohn, gegen Bezahlung (einer der Punkte, den der Film größtenteils umgeht, weil die Anbahnung dieses »Geschäfts« einer der schwächsten Punkte im Drehbuch ist) sozusagen die Rolle des verstorbenen Sohns übernehmen. Zunächst gegen den Protest der Mutter (Corinna Kirchhoff), doch dann sogar so weit, dass Jakob Manu vernachlässigt, die währenddessen mit der inzwischen verstorbenen Frau Katz ein handfestes Problem in ihrem Arbeitsverhältnis hat.

Zarte Parasiten basiert auf einer halbgaren Idee, die erstaunlich professionell umgesetzt wird. Alle Schwachpunkte der Story, des »Geschäftsverhältnisses« blendet der Film aus - und konzentriert sich stattdessen auf andere Probleme, die den Plot vorantreiben sollen (wie der Angriff auf den Übernachtungsplatz und die greifbare Gefahr einer Vergewaltigung durch die geprellte Discobekanntschaft). Der Betrachter wird ähnlich wie in Filmen wie Moulin Rouge! oder Inception lange Zeit beschäftigt, damit ihm die klaffenden Löcher in der Story nicht auffallen. Woher weiß Jakob von Martins Sohn? Statt des Ansatzes einer Erklärung gibt es den Zukunftsprospekt einer ganzen Stadt voller Rentner, die man als nächste »ausnehmen« könnte. Woher weiß Jakob, wann Martins Flugzeug wo landen wird? Er kennt sich halt aus mit Segelschiffen - und darüber kann man auch gleich eine Bindung aufbauen ... undsoweiter ...

Der Film macht einiges richtig, aber um ihn wirklich zu mögen, muss man vieles großzügig übersehen. Gleich zu Beginn gebiert sich die Kameraführung wie bei den Dardennes, nur auf Speed. Doch schon etwas später zeigt die Kamera die übliche Rückenansicht im nächtlichen Wald, mit komplett überflüssigem Scheinwerfer auf die Rückenpartie. Die beiden Autoren und Regisseure haben einige gute Ideen, aber die Hauptidee ist zu schwach, um den Film in dieser Form zu tragen, man erwartet vom Zuschauer einfach zuviel Rücksicht. Wenn einige Löcher im Skript besser gefüllt wären, oder die Figuren einen mehr gefangengenommen hätten, wäre Zarte Parasiten womöglich ein echte »Mahlzeit« geworden. So wie der Film ist, schmeckt er wie eine auf einem Campingbrenner angewärmte Konserve - durch und durch halbgar.

Die schönste Stelle des Films war für mich übrigens, wie Martins Frau eine längere Zeit quasi »gesichtlos« bleibt - den Sinn dieses inszenatorischen Details habe ich nur ansatzweise nachvollziehen können, aber es war eine der besten Ideen des Films.