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15. April 2009
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Liebe auf den zweiten Blick (R: Joel Hopkins)
Liebe auf den zweiten Blick (R: Joel Hopkins)
Liebe auf den zweiten Blick (R: Joel Hopkins)
Fotos © 2009 Concorde Filmverleih GmbH
Liebe auf den zweiten Blick (R: Joel Hopkins)
Liebe auf den zweiten Blick (R: Joel Hopkins)
Liebe auf den zweiten Blick (R: Joel Hopkins)

Liebe auf den
zweiten Blick
(R: Joel Hopkins)

Originaltitel: Last Chance Harvey, UK / USA 2008, Buch: Joel Hopkins, Kamera: John de Borman, Schnitt: Robin Sales, Musik: Dickon Hinchcliffe, mit Dustin Hoffman (Harvey Shine), Emma Thompson (Kate Walker), Eileen Atkins (Maggie Walker), Kathy Baker (Jean), Liane Balaban (Susan), James Brolin (Brian), Richard Schiff (Marvin), Tim Howard (Johnnie), Wendy Mae Brown (Aggie), Bronagh Gallagher (Oonagh), Jeremy Sheffield (Matt), Daniel Lapaine (Scott), Patrick Baladi (Simon), Adam James (Josh Hillman), 92 Min., Kinostart: 16. April 2009

Am 15. April wird Emma Thompson 50, und einen Tag später laufen in Deutschland gleich zwei Filme an, in denen sie mitspielt. Die sehr viel größere Rolle spielt sie in Last Chance Harvey, der in üblicher Manier einen deutschen Titel vom Schlage "Obacht! Romantic Comedy!" bekam. Thompson und ihr männliches Pendant Dustin Hoffman (bereits 71, aber dieser Altersunterschied ist in Hollywood ganz normal) ergänzten sich bereits in Stranger than Fiction in zwei Nebenrollen recht gut, und man muss ganz klar sagen, dass Last Chance Harvey ohne diese beiden Darsteller ziemlich uninteressant wäre, denn der Film verlässt sich ganz auf den Charme seiner Hauptdarsteller. Hoffman spielt den in die Jahre gekommenen Komponisten Harvey (jeder, der Ishtar gesehen hat, weiß um das musikalische Gespür des Schauspielers), der Zeit seines Lebens seine Ambitionen nicht verwirklichen konnte und nun Jingles für Produkte für "Oxy Clean" erfindet, bei deren Präsentation seine Chefs am liebsten jüngere Kollegen einsetzen würden, weil Harvey - wie sagt man es? - ein bißchen "schwierig" ist.

Aufgrund der Hochzeit seiner Tochter fliegt Harvey nach London, doch auch in Familienangelegenheit eckt er oft etwas an (obwohl es natürlich auch infam ist, dass man den neuen Gatten seiner Ex-Frau als "Brautvater" einsetzen will, um einen Eklat mit Harvey umschiffen), und spätestens, wenn Harvey dann auch noch die Bemühungen um seinen Job und um seine Tochter zeitsparend vereinigen will, dabei mit Diebstahlsicherung am Jackett zum Empfang kommt und kaum ein Fettnäpfchen auslässt, erschließt sich dem Zuschauer schnell, warum der Film Last Chance Harvey heißt.

Von Anfang an sind aber die Bemühungen Harveys parallelmontiert mit den auch eher frustrierenden Erlebnissen von Kate (Emma Thompson), die eine peinliche Verkupplungsaktion über sich ergehen lassen muss und von ihrer Mutter (Eileen Atkins) telefonisch dauerbelastet wird, weil diese den neuen Nachbarn als Mörder verdächtigt. Schon früh kreuzen sich die Wege der beiden, beim ersten Mal ist Harvey unhöflich der Umfrage-Beauftragten einer Fluglinie gegenüber (beachtet sie aber immerhin), und beim zweiten Mal verlässt Harvey ein Taxi, in das Kate dann einsteigt. Würde es nicht um Hoffman und Thompson gehen, würde man sich fast wünschen, der Film würde die lang herausgezögerte Begegnung der beiden gar nicht erfüllen, doch allein für das erste Gespräch der beiden oder Kates Bemühungen, dem Amerikaner die typisch britische "stiff upper lip" beizubringen, muss man den Film lieben. Es folgt dann eine etwas verhinderte Version des Linklater-Films Before Sunrise, kombiniert mit einer gemäßigten Sightseeing-Tour durch London, und würden sich die Anknüpfungspunkte des Drehbuchs nicht mit fortschreitender Lauflänge immer deutlicher aufdrängen, könnte man die Grenzen des Genres fast durchdringen. Bei kleinen Momenten wie einer Fahrstuhlszene, die an den Schluss von The Graduate erinnert, bei der (zumindest musikalisch) kolossalen Waschmittel-Werbung oder Harveys Einblicken in die englische Literatur ahnt man irgendwie, dass der Film soviel mehr hätte werden können, wenn die Filmemacher mit etwas mehr Mut an den Film herangegangen wären, doch der Autor und Regisseur geht ganz auf Nummer Sicher und liefert das ab, was typische Romantic-Comedy-Besucher so erwarten.