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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




15. Juli 2008
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Mamma Mia! (R: Phyllida Lloyd)
Mamma Mia! (R: Phyllida Lloyd)
Mamma Mia! (R: Phyllida Lloyd)
Bilder © Universal Pictures
Mamma Mia! (R: Phyllida Lloyd)
Mamma Mia! (R: Phyllida Lloyd)
Mamma Mia! (R: Phyllida Lloyd)
Mamma Mia! (R: Phyllida Lloyd)

Mamma Mia!
(R: Phyllida Lloyd)

UK / USA 2008, Buch: Catherine Johnson, Vorlage: Catherine Johnson, Benny Andersson, Björn Ulvaeus, Kamera: Haris Zambarloukos, Schnitt: Lesley Walker, Musik: Benny Andersson, Björn Ulvaeus, Stig Anderson, mit Meryl Streep (Donna), Amanda Seyfried (Sophie), Pierce Brosnan (Sam Carmichael), Colin Firth (Harry Bright), Stellan Skarsgård (Bill), Julie Walters (Rosie), Dominic Cooper (Sky), Christine Baranski (Tanya), Hemi Yeroham (Dimitri), Benny Andersson, Björn Ulvaeus, 108 Min., Kinostart: 17. Juli 2008

Musicals, die aus dem vorhandenen Werk eines bekannten Interpreten entwickelt wurden, sind eine seltsame Sache. Und vor allem eine Sache für Fans. Zum Falco-Musical Falco meets Amadeus hatte ich mal Karten gewonnen und fand es gräßlich, für Julie Taymors filmisches Beatles-Musical Across the Universe war ich zu sehr Purist (und bin deshalb dem Kino fern geblieben), aber bei der Verfilmung von Mamma Mia! dachte ich mir, dass meine Jugendbegeisterung für Abba und die doch beachtliche Besetzung mir immerhin einen vergnüglichen Abend bescheren könnten. Und so werden viele potentielle Kinobesucher denken, auch wenn ihre Empfindungen im Kinosaal dann vielleicht von meinen abweichen.

Zunächst mal zum Musikalischen: Die Auswahl an Abba-Songs ist recht repräsentativ. Neben diversen Frühwerken, die sich durch Tanzbarkeit und repetitive Songtitel auszeichnen (Honey Honey, Money Money Money, I do I do I do, Gimme Gimme Gimme), gibt es die klassischen Balladen (I have a Dream, The Winner takes it all) und sogar einige weniger bekannte Songs wie Our Last Summer oder Slipping through my Fingers. Und natürlich einen Großteil der Superhits wie Dancing Queen, Waterloo, Chiquitita etc. Und man (also die Leute hinter dem Bühnenmusical, zu denen auch die beiden auch den Film mitproduzierenden “B”-Songwriter der Band, Benny und Björn gehören) hat sich auch Mühe gegeben, die Songtexte irgendwie auf die Handlung (bzw. natürlich eigentlich umgekehrt) zuzuschneiden. Wenn also eine Affäre mit großem Altersunterschied angedeutet wird, kommt Does your Mother know, die Zeile aus Honey Honey “He’s a lovemachine - oh he makes me dizzy” stammt hier aus einem Tagebuch undsoweiter. Da der Gesang der Schauspieler (einzig Pierce Brosnan schaut man gern beim Singen zu) einem aber immer wieder schmerzhaft ins Gedächtnis ruft, dass die Originalversionen um einiges besser waren (und das ist meines Erachtens oft, aber längst nicht immer, ein gewollter camp-Effekt), ist es aber noch interessanter, wenn die Abba-Songs aus dem Zusammenhang gerissen als bearbeitete griechisch-folkloristische oder Bläser-Arrangement für eine Hochzeit am Rande auftauchen, und einem die Möglichkeit geben, zu erraten, welcher Song hier gegen den Strich gebürstet wurde. Soviel also dazu, weiter geht’s mit der Handlung.

Die 20jährige, kurz vor ihrer Hochzeit stehende Sophie (Amanda Seyfried), lädt die drei Männer, mit denen ihre Mutter Donna (Meryl Streep) laut Tagebuch vor ca. 21 Jahren mal auf der griechischen Insel, wo beide nun leben, Sex gehabt hat, ohne Mutters wissen zur Hochzeit ein, um endlich ihren Vater kennenzulernen. Soweit die Inhaltsangabe, einen kleinen “zeitlosen” Effekt will ich noch erwähnen, denn man kann an keinem Detail erkennen, wann die ganze Geschichte spielt (kein Handy zu sehen), doch bei den drei Schäferstündchen vor zwanzig Jahren befand man sich laut Ansicht des Schweden Bill Anders(s)on (Stellan Skarsgård) in der Flower Power-Zeit, während der etwas verklemmt wirkende Harry “Headbanger” Bright (Colin Firth) Erinnerungen daran hat, dass er sein Johnny Rotten-Shirt damals veräußerte. Im Verlauf der Siebziger, also der Zeit der größten Abba-Erfolge, gab es zwar sowohl die Anfänge des Punks als auch die Spätfolgen der Hippies, aber dass beide Musik- und Gesellschafts-Bewegungen innerhalb von drei oder vier Tagen eine friedliche Koexistenz führten, wirkt ein wenig seltsam. Man versucht hier offensichtlich, gleich mehreren Generationen von potentiellen Musicalbesuchern Identifikationsfiguren zur Verfügung zu stellen, was ich schon eine Spur perfide finde. Doch genug zur schon etwas fragwürdigen und flachen Handlung.

Der Film fällt leider mit der Inszenierung. Schon beim ersten Treffen von ... und ihren beiden besten Freundinnen (eine Art Sex & the City-Triumvirat, das auch die Mutter Donna eine Generation früher um sich schart) wirken die Dialoge ebenso gestelzt wie informationslastig, und im Gegensatz zu den älteren Darstellern können die kleinen Hysterikerinnen dieses Manko leider nicht einmal ansatzweise durch Schauspiel kaschieren. Der ganze Film behält diese überkandidelte Wiedersehens-freude bei, ein Feelgood-Movie auf Rezept, was bei einigen Kinobesuchern funktionieren mag, für mich aber einfach kindisch und verlogen wirkte. Wenn Julie Walters in einem kleinen Boot mit dem Gleichgewicht ringt, so ist das weder überraschend noch besser als 70er-Jahre-Boulevard-Komödien-Niveau gespielt, und erstaunlich viele Pressezuschauer lachten dennoch gellend, was ich einfach nicht nachvollziehen konnte. Der ganze Film wirkt so, als wären die Siebziger eine komplette Witznummer gewesen, als müsse man bei jedem Pril-Blumenaufkleber ein 40cm-Grinsen auflegen, und wenn dann im Film tatsächlich mal die Bühnenkla- motten der Band und Disco- sowie Glitter-Zeit parodiert werden, dann stellt dies keinen Höhepunkt mehr da, sondern geht in der ganzen “Lasst-uns-zum-Abba-Musical-gehen-und-fröhlich-sein”-Sauce einfach nur noch unter. Schlechte Schauspielleistungen, gequälte Liedinterpretationen, peinliche Studioaufnahmen mit griechischem Ambiente aus der Green-Screen-Retorte, einige unvorstellbar schlechte Zeitlupeneinsätze, mit der Kunstform Film hatte dies so gar nichts zu tun, und wer jemals ein Musical wie Cabaret, Little Shop of Horrors oder auch nur Chicago auf die Leinwand gebannt sah, weiß, dass ein gewisser künstlerischer Anspruch durchaus möglich ist. Doch Mamma Mia! zeigt einem nur, wie vergleichsweise großartig beispielsweise Dirty Dancing auch inszeniert wurde, während man die Opernspezialistin Phyllida Lloyd nur auf eine Liste der in Zukunft zu meidenden Filmemacher setzen möchte.

Zum Abschluss muss ich noch kurz klarmachen, dass man in einer Frauen-, Männer- oder gemischten Gruppe, womöglich schon etwas mit Prosecco oder Kleinem Feigling angeschickert, bei diesem Film durchaus seinen Spaß haben mag, aber man sollte tunlichst dafür sorgen, dass man schon vor Filmbeginn eine Stimmung erreicht, die der Film trotz Abba-Soundtrack längst nicht jedem ermöglicht.