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Oktober 2007
Thomas Vorwerk
für satt.org


Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (R: Andrew Dominik)
Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (R: Andrew Dominik)
Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (R: Andrew Dominik)
Bilder © 2007 Warner Bros. Ent.
Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (R: Andrew Dominik)
Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (R: Andrew Dominik)
Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (R: Andrew Dominik)

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford
(R: Andrew Dominik)

Originaltitel: The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford, USA 2007, Buch: Andrew Dominik, Lit. Vorlage: Ron Hansen, Kamera: Roger Deakins, Schnitt: Dylan Tichenor, Curtiss Clayton, Musik: Nick Cave, Warren Ellis, Kostüme: Patricia Norris, mit Casey Affleck, Brad Pitt (Jesse James), Sam Rockwell (Charley Ford), Sam Shepard (Frank James), Paul Schneider (Dick Liddil), Mary-Louise Parker (Zee James), Jeremy Renner (Wood Hite), Kailin See (Sarah Hite), Zooey Deschanel (Dorothy Evans), Garret Dillahunt (Ed Miller), Ted Levine (Sheriff Timberlake), James Carville (Governor Crittenden), Nick Cave (Bowery Saloon Singer), Hugh Ross (Narrator), 159 Min., Kinostart: 25. Oktober 2007

Der beste Film des letzten Jahres war meiner bescheidenen Meinung nach The Proposition, eine Art australischer Spätwestern in bester Tradition des New Hollywood, mit Drehbuch und Musik von Nick Cave. Nun folgt The Assassination (sorry, aber bei diesem Bandwurmtitel kann niemand erwarten, daß ich ihn jedes Mal wiederhole), ebenfalls im Stil von Michael Cimino oder Terrence Malick, über den Westernmythos der James-Bande, von einem neuseeländischen Regisseur (Chopper), und mit Musik und einem Kurzauftritt von Nick Cave. Doch meine Begeisterung hält sich diesmal in Grenzen.

Brad Pitt wurde für seine Titelrolle als Jesse James in Venedig als bester Darsteller ausgezeichnet. Nun hat man von Pitt schon bessere Leistungen gesehen als diesen an Selbstparodie grenzenden Aufbau nebst Abriss eines Westernmythos, aber da im Vorjahr bereits Ben Affleck für Hollywoodland in Venedig ausgezeichnet wurde, konnte man wohl kaum mit dessen kleinen Bruder Casey, der hier als Robert Ford die zweite Titelrolle innehat, fortfahren. Nun hat Brad Pitt viele Kritiker, die ihn nur als Unterhosenmodell und nicht als Schauspieler sehen, aber verglichen mit den Fähigkeiten von Casey Affleck ist er immer noch ein Titan. Doch, und hier kommen ähnliche Umstände zum Tragen, die einst Katja Riemann für Rosenstraße in Venedig auszeichneten, ist die Rolle des Robert Ford, einer etwas linkisch wirkenden, unsicheren, irgendwie falschen Möchtegern-Berühmtheit, Mr. Affleck so auf den Leib geschneidert, daß man denken könnte, er sei ein neuer Laurence Olivier (wenn man nicht wüsste, daß Affleck in anderen Filmen ganz ähnlich aus der Wäsche schaut). Eine wirklich überzeugende Darstellung bietet Sam Rockwell als Roberts älterer Bruder Charley Ford, dessen ebenfalls falsches Lächeln ihm oft im Halse stecken bleibt, und der selbst noch, wenn er absichtlich schlecht schauspielert, dies mit einer Hingabe tut, daß man ihm stundenlang dabei zusehen könnte.

Die Geschichte des Films zieht sich vom 34. Geburtstag Jesse James am 5. September 1881, über den letzten Eisenbahnüberfall der James-Bande bis hin zur titelgebenden Ermordung (am 3. April 1882) und einer Art Epilog (die besten zwanzig Minuten des Films), der das weitere Leben des James-Killers Bob Ford erzählt.

Das Ganze wird wie großes Kunstkino zelebriert, und hat auch gloriose Momente, wirkt aber gleichsam auch öfters wie ein Ratgeber "New Hollywood for Dummies": Man vermenge psychologisch-tiefgehendes minimalistisches Schauspiel mit ausgesuchten Gewaltdarstellungen (teilweise von Park Chan-Wooks Oldboy inspiriert), streu hier und dort ein paar Zeilen Poesie und jede Menge Voice-Over (die Malick-Schule) ein, und mit etwas Glück stellt sich ein großes Kinoerlebnis ein. Leider übertreibt es Regisseur Andrew Dominik oft, denn nicht nur geht einem der Einsatz von Effekt-Filtern, gepaart mit Spieluhr-Klängen und der Erzählerstimme, etwa ab dem fünften Mal ziemlich auf die Nerven, auch fragt man sich, warum man die bekannteste Szene aus John Fords The Searchers (dem Über-Western schlechthin) unbedingt nachspielen muß so wie auch jene Szene aus Gladiator, wenn Russell Crowe über das Kornfeld streicht (eine Referenz / Verneigung an die produzierenden Scott-Brüder?). Viele New-Hollywood-Klassiker von Coppola, Cimino oder Malick sind sehr lang, und auch The Assassination lässt sich viel Zeit für die Geschichte. Das ist auch in Ordnung so, aber wenn trotzdem vieles wie abgebrochen wirkt, Sam Shepard als älterer James-Bruder Frank ziemlich plötzlich aus dem Film verschwindet oder Mary-Louise Parker als Jesse James' Frau einfach nur schmückendes Beiwerk bleibt, dann ahnt man, daß dieser Film sowohl mit einer Viertelstunde mehr als auch weniger auch wirklich gut hätte werden können.

Das sich durch die zweite Stunde des Films ziehende Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem immer paranoider werdenden Jesse und den Ford-Brüdern, die sich schon aus reiner Selbsterhaltung eigentlich dazu entscheiden müssen, James hinterrücks im eigenen Wohnzimmer zu erschießen, wirkt wie ein auf Widescreen-Landschaften verlagertes Kammerspiel, der einen Darstellerpreis verdienende Paul Schneider ist ein Labsal für die Augen, und die message des Films überzeugt auch, aber wie bei einer Suppe, in die noch jedes zweite Gewürz reingeworfen wurde, will sich das erwünschte "Erlebnis" nicht wirklich einstellen. Schade drum!