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August 2007
Thomas Vorwerk
für satt.org


Angel - Ein Leben wie im Traum (R: François Ozon)
Angel - Ein Leben wie im Traum (R: François Ozon)
Angel - Ein Leben wie im Traum (R: François Ozon)
Bilder © 2007 Concorde Filmverleih GmbH
Angel - Ein Leben wie im Traum (R: François Ozon)
Angel - Ein Leben wie im Traum (R: François Ozon)
Angel - Ein Leben wie im Traum (R: François Ozon)

Angel
(R: François Ozon)

Originaltitel: Angel, Brit. Titel: The Real Life of Angel Deverell, UK / Frankreich / Belgien 2007, Buch: François Ozon, Dialoge: Martin Crimp, Lit. Vorlage: Elizabeth Taylor, Kamera: Denis Lenoir, Schnitt: Muriel Breton, Musik: Philippe Rombi, mit Romola Garai (Angel), Charlotte Rampling (Hermione), Lucy Russell (Nora Howe-Nevinson), Michael Fassbender (Esmé), Sam Neill (Théo), Jacqueline Tong (The Mother), Janine Duvitski (Aunt Lottie), Christopher Benjamin (Lord Norley), Jemma Powell (Angelica), 134 Min., Kinostart: 9. August 2007

Mit Swimming Pool hatte Ozon ja bereits einmal einen zumindest in Teilen englischsprachigen Film abgeliefert (und gar nicht mal seinen schlechtesten …), doch dann kehrte er mit 5x2 und Le temps qui reste wieder ganz nach Frankreich zurück und wurde dabei wieder sehr persönlich. Angel ist nun ein komplett englischsprachiger und in England spielender Film, dabei aber dennoch nicht der Ausverkauf des Regisseurs, denn für ein Massenpublikum ist der Film nicht eben konzipiert. Ein US-Studio hatte Ozon sogar angeboten, einen echten Star zu bekommen, wenn er sich mit einem amerikanischen Drehbuchautor zusammensetze und ein Happy End für die Story entwickle, aber Ozon lehnte dankend ab.

Die Verfilmung eines Romans von Elizabeth Taylor (nicht das Frauchen von Lassie und Richard Burton) erzählt von der Karriere der aus einfachen Verhältnissen stammenden Angel Deverell (Newcomerin Romola Garai, die kleine Rollen in Nicholas Nickleby, Vanity Fair und Scoop hatte) als Schriftstellerin. Wichtig ist hierbei, daß sie als Autodidaktin und Schreiberin von sehr trivialen Stoffen zu Ruhm gelangt, von Anfang an aber von ihrem Talent überzeugt ist, und sich schon bei ihrem ersten Buch zur Extremposition “I want change a single word or comma of my book” entscheidet, obwohl ihr Verleger (Sam Neill) sie nur vor zu erwartender Kritik bewahren will, weil ihre Beschreibung einer Kindgeburt oder des Benutzen von Korkenziehern von Champagnerflaschen recht eindeutig gewisse Wissensdefizite darlegen, doch in ihrer unerschrockenen Naivität steht sie über solchen Ansprüchen. Wie später einmal zusammengefasst wird, ist ihr (Erfolgs?)Geheimnis, daß sie nicht mit ihren Lesern kommuniziert, sondern mit sich selbst. Angel erinnert mich in ihrer mitunter hochnäsigen Art an Scarlett O’Hara aus Gone with the Wind, die mir auch immer tierisch auf die Nerven gegangen ist, deren Schicksal aber dennoch fasziniert.

Die Geschichte spielt in ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, doch die in einer Fantasiewelt lebende Angel bekommt vom Ersten Weltkrieg oder gewissen anderen Entwicklungen lange Zeit wenig mit (insofern dies möglich ist, mache Dinge kann sie schlecht übersehen …).

Ozon wollte den Stil der Melodramen aus den 1930ern und 40ern einfangen, doch trotz einiger auffälliger Rückprojektionen drängt sich schon durch die prächtigen Farben wieder mal ein Vergleich mit Douglas Sirk auf (zu dessen Zeiten die Rückpro natürlich auch noch ein oft verwendetes Inszenierungsmittel war, während der Einsatz einer klar erkennbaren Rückprojektion seit etwa The Untouchables heutzutage immer wie eine Rückbesinnung und Hommage auf die Mitte des zurückliegenden Jahrhunderts wirkt).

Besonders auffällig erscheint mir, daß Ozon nach Swimming Pool erneut von einer Schriftstellerin erzählt, deren Werk zwar erfolgreich, aber nicht eben künstlerisch wertvoll ist. Sowas kann sich wahrscheinlich nur jemand wie Ozon ungestraft erlauben, der seine Figuren trotz ihrer Schwächen liebt und dieses auch an den Betrachter weitergeben kann. Außerdem werden weibliche Zuschauer (im Gegensatz zu mir) wahrscheinlich instinktiv erfassen, daß Angels extravagante Garderobe immer mindestens eine Dekade der Zeit hinterherläuft. Durch solche Details wird das weibliche Publikum trotz sexuell inkorrekter Unterströmungen schnell wieder auf die Seite des Regisseurs zurückgebracht. Auch gibt es diesmal wieder einen lesbischen Unterton, der aber im Vergleich zur Buchvorlage stark abgemildert sein soll. Angel fasziniert vor allem durch seinen zunächst ironischen Erzählton (schön etwa, wenn Angel beim Schreiben schwer atmet, und sich ihre Tätigkeit so als Sexersatz outet), der aber bei den späteren, etwas tragischeren Geschehnissen (ich werde in dieser Kritik nicht auf die Details der Handlung eingehen) trotz etwa einer Einschränkung in der Farbpalette nur geringfügig heruntergefahren wird. Ein nicht unbedingt durchweg begeisterndes, aber dennoch vielversprechendes internationales Debüt, bei dem übrigens Charlotte Rampling wieder mal nicht fehlen darf.