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Juni 2007
Thomas Vorwerk
für satt.org


Hostel 2 (R: Eli Roth)

Originaltitel: Hostel: Part II, USA 2007, Buch: Eli Roth, Kamera: Milan Chadima, Schnitt: George Folsey, jr., Brad E. Wilhite, Musik: Nathan Barr, Special make-Up Effects: Howard Berger, Gregory Nicotero, mit Lauren German (Beth), Roger Bart (Stuart), Heather Matarazzo (Lorna), Bijou Phillips (Whitney), Richard Burgi (Todd), Vera Jordanova (Axelle), Jay Hernandez (Paxton), Milan Knazko (Sasha), Stanislav Ianevski (Miroslav), Roman Janecka (Roman), Jordan Ladd (Stephanie), Milda Jedi Havlas (Desk Clerk Jedi), 93 Min., Kinostart: 14. Juni 2007

Hostel 2 (R: Eli Roth)
Hostel 2 (R: Eli Roth)
Bilder © 2007 Sony
Pictures Releasing GmbH
Hostel 2 (R: Eli Roth)
Hostel 2 (R: Eli Roth)
Hostel 2 (R: Eli Roth)
Hostel 2 (R: Eli Roth)
Hostel 2 (R: Eli Roth)

Bei meiner Kritik zu Coach Carter ergötzte ich mich damals daran, daß der Film unter anderem in den Vereinigten Staaten deshalb erst ab 13 Jahren freigegeben wurde, weil er neben “violence”, “sexual content”, “language” und “some drug material” Szenen beinhaltet, die “teen partying” zeigen (!!). Bei Hostel: Part II wird das teen partying nicht mehr aufgeführt. Auf imdb kann man nachlesen: “Rated R for sadistic scenes of torture and bloody violence, terror, nudity, sexual content, language and some drug content.” Besonders gefällt mir die Formulierung “bloody violence”, die sich ein wenig wie eine Beschimpfung, so im Sinne von “damn language” oder “motherfuckin’ nudity” anhört. Der deutschen Presse wurde der Film in der ungekürzten Originalfassung gezeigt, mit dem Hinweis darauf, daß die Jungs vom FSK ein paar Minuten rausschneiden mussten, um mit gutem Gewissen eine Freigabe ab 18 Jahren verantworten zu können.

Um es vorwegzunehmen: Wie sein Vorgänger Hostel ist Hostel, Part II ein kranker Film. Wie die meisten blow-jobs in Pornofilmen sind Folterszenen in Horrorfilmen meines Erachtens bemitleidenswerte Machtfantasien, und wer sich so etwas ansehen muss, um sich besser, stärker oder geiler zu fühlen, sollte selbst mal einen Schwanz im Maul oder eine Kreissäge in der Schläfe gehabt haben, um überhaupt das Recht zu erringen, etwas zu verteidigen, das aus der Sicht des Opfers nicht wirklich witzig, “scharf” oder erstrebenswert ist (“Oh, that’s fucking rich. You should see your fucking face!”). Kranke Filme wie Hostel bringen kranke Leute darauf, kranke Dinge zu tun - allerdings würden sie diese wahrscheinlich auch sonst tun, nur eben etwas einfallsloser. Dieser Satz war jetzt keine wirkliche Verteidigung, aus meiner Sicht kann aber für ein moralisch ethisch gefestigtes Publikum (was aber nicht nur vom Alter abhängt, sondern auch vom teilweise altersunabhängigen Intelligenzquotienten) ein Film wie Hostel: Part II auch eine nette (ich bin mir nicht sicher, ob dieses Adjektiv hier passt) Unterhaltung darstellen, und unter diesen Gesichtspunkten will ich den Film jetzt bewerten.

Hostel: Part II setzt ohne Umschweife dort an, wo Hostel endete. Der Überlebende Paxton würde gern die sadistischen Machenschaften in der Slowakei beenden, er hat aber selbst ausreichend Leute auf dem Gewissen (und das beileibe nicht nur in Notwehr), um sich durch eine Zeugenaussage selbst hinter Gittern zu bringen. So versteckt er sich auf der Farm der Großmutter seiner Freundin und schiebt Paranoia. Doch wie heißt es so schön: “Nur weil Du unter Verfolgungswahn leidest, heißt das nicht, daß sie nicht hinter Dir her sind.”

Gehen wir zurück nach Europa. In Rom lernen wir diesmal drei junge Amerikanerinnen kennen, die nicht etwa wegen irgendwelcher Drogen oder Superhengste ins berüchtigte Hostel aufbrechen, sondern weil sie erfahren haben, daß es dort heiße Quellen gibt, die die in Rom studierenden Frauen bei einem kleinen Wellness-Wochenende nutzen wollen.

Die Bahnfahrt ist wie im ersten Film wieder ziemlich skurril, denn neben einem seltsamen Kauz, der versucht, den iPod von Lorna (Heather Matarazzo, die mittlerweile erwachsene Dawn Wiener aus Welcome to the Doll House) zu klauen, gibt es auch einige auf den ersten Blick attraktiv wirkende Italiener, die schnell sexuell bedrohlich wirken (insbesondere jener biertrinkende Glatzkopf, der mit seinem Messer bereits gedankenverloren den Oberschenkel eines Pin-Ups in der Boulevardpresse perforiert. Gemeinsam mit Axelle, die wir als Aktmodell in Rom kennenlernten, schließen sich Lorna, Beth und Whitney in ihrem Abteil ein. Da die Idee, das bekannte Hostel aufzusuchen, von der allzu freundlichen Axelle stammt, ahnt der Zuschauer schon sehr schnell, daß diese der Lockvogel ist, der die Zukunftsbekanntschaften über die Klinge springen lassen wird.

Das Einchecken verläuft noch sehr ähnlich wie bei den Jungs in Hostel, nur wird jetzt schnell klar, daß Regisseur und Autor Eli Roth sich diesmal vorgenommen hat, Aspekte der Maschinerie hinter dem Hostel zu beleuchten, die im ersten Film noch dunkel blieben. Und so sehen wir, wie der Desk Clerk die Pässe einscannt, und ein regelrechter bidding war zwischen Golfern, Geschäftsleuten, Japanern, Familienvätern, einer Jägerin und anderen potentiellen Folterern entbrennt. Hier scheint nicht nur ein wenig Sozialkritik durch, diese Sequenz ist auch auf eigentümliche Art beängstigend (weil man sich daran erinnert, wie nahe das alles an den eigenen eBay-Erfahrungen angesiedelt ist), und durch den Einsatz von Split Screens filmisch überzeugend aufgelöst.

Während wir diesmal also erfahren, warum eine Bluthund-Tätowierung das Erkennungszeichen der Firma Elite Hunting ist, die weitergehenden “Regeln” genauer erklärt werden, die “Vorbereitung” der Opfer für die “Klienten” diesmal mehr Zeit einnimmt, und der Überwachungsmechanismus nach den Missgeschicken in Hostel diesmal durchdachter erscheint (auch wenn ich vergebens nach einem Warnschild Ausschau hielt, das die Klienten zur Vorsicht gemahnt, weil die Opfer im Kampf ums nackte Überleben bekanntlich zu allem fähig sind), ist die interessanteste Aspektverschiebung des Films, daß wir das Ganze diesmal mehr (oder auch) aus der Sicht der zahlungskräftigen Klienten sehen. Der pervers seine Folterstunden herbeisehnende Super-Yuppie Todd hat seinen Kumpel Stuart (der aus Desperate Housewives bekannte Roger Bart ist schauspielerisch die Offenbarung des Films) mitgeschleppt, der nun aber weiche Knie zu bekommen scheint. So wie man am Rande mitbekommt, welche seltsamen Vorlieben einige der Killer fröhnen (im Blut der Opfer baden, oder sie wie ein Westentaschen-Hannibal Lector zu Klängen von Bizets Carmen am lebendigen Leib verspeisen) ist an Stuart das Interessanteste, daß er sein Opfer so wählte, daß Beth seiner Frau verblüffend ähnlich sieht. Wenn er diese ihn terrorisierende Nervensäge schon nicht ohne weiteres töten kann, scheint der Ersatzkill ja fast therapeutisch (an dieser Stelle bitte die Frauenstimme am Ende der Vorschau bei der Sendung mit der Maus vorstellen: “Das war zyn[okrat]isch!”).

Und nebenbei gibt es noch einige nette (schon wieder dieses Wort …) angerissene Handlungsstränge wie das (nahezu) zufällige Treffen zwischen Stuart und Beth beim (sehr Halloween-ähnlichen) Erntedankfest, eine seltsame Aufforderung zum Tanz (“I could have helped you …”) oder die neuesten Abenteuer der Bubblegum-Gang, die diesmal einen an Barbarella erinnernden Auftritt hat. Eine offenbar in Island aufgenommene traumähnliche Sequenz könnte sogar einen Vergleich mit Ingmar Bergman evoziieren, ob Eli Roth jemals einen Film des Schweden gesehen hat, oder eher von einer Knäckebrot-Werbung inspiriert war, kann ich allerdings nicht bestimmen.

Man kann dem Film zugute halten, daß die Foltersequenzen noch relativ kurz gehalten sind, und für einen Film, der die Special Make-Up Effects Creators in den Credits für wichtiger erachtet als den Kameramann (was aber auch daran liegen kann, daß der Kameramann sämtliche in Osteuropa gedrehten US-Filme wie Hostel, The Brothers Grimm, Van Helsing, Doom oder Aliens vs. Predator zu betreuen scheint), sind die Splattereffekte einigermaßen harmlos. Hin- und wieder schneidet man sogar mal weg vom Opfer, einzig wenn Sensen und Kreissägen ins Spiel kommen, sollten sich Zartbesaitete darauf vorbereiten, ungefähr beim dritten Auftritt der Folterinstrumente lieber mal kurz wegzuschauen. Bei Lötkolben, Bohrmaschine, Kettensäge kann man hingegen entspannt bleiben. Wie eingangs beschrieben, sind die Gründe, warum dieser Film nicht als jugendfrei durchgeht, so mannigfaltig (sick! sick! sick! bloody violence!), daß der Regisseur sich wohl gedacht hat, er könne jetzt auch die anderen in Amerika zu einem R-Rating führenden Details voll ausnutzen. Und so gibt es neben weiblicher Nacktheit auch den einen oder anderen Schwanz zu sehen (für einen Regisseur, dessen Porträt des “dicksten Schwanzes Hollywoods” gerade durchs Internet geistert, wahrscheinlich eine Art Ehrensache), Absinth-Flasche und Kokslöffel kommen wie nebenbei zu ihrem Recht, und auch eines der gröbsten Schimpfworte innerhalb der englischen Sprache wird hin und wieder benutzt. Für diesen Rundumschlag und für die geschmackvolleren und / oder witzigeren Szenen muß man Roth, der als nächstes Stephen Kings Zombie-Roman Cell verfilmen soll, teilweise sogar loben. Aber wie auch sein Fake-Trailer zu Thanksgiving zeigt (siehe youtube), geht es mit ihm oft genug auch durch, und wer schon seinen Mentor Quentin Tarantino für “sick and twisted” hält, für den dreht Roth die Schraube jedes Mal noch anderthalb Drehungen weiter - bis weit über die Schmerzgrenze - und die des guten Geschmacks - hinaus. Aber wer auch mal gern über kranken, menschenverachtenden Mist lacht, der kommt bei Roth immer auf seine Kosten. Außer, wenn die FSK zuviel rausgeschnippelt hat.