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Mai 2006
Thomas Vorwerk
für satt.org

Mission: Impossible III
USA 2006

Plakat

Regie:
J. J. Abrams

Buch:
Alex Kurtzman, Roberto Orci, J. J. Abrams

Kamera:
Dan Mindel

Schnitt:
Maryann Brandon, Mary Jo Markey

Musik:
Michael Giacchino

Kostüme:
Colleen Atwood

Darsteller:
Tom Cruise (Ethan Hunt), Philip Seymour Hoffman (Owen Davian), Michelle Monaghan (Julia), Ving Rhames (Luther Stickell), Jonathan Rhys Meyers (Declan), Maggie Q (Zhen), Laurence Fishburne (Brassel), Billy Cruddup (Musgrave), Keri Russell (Lindsey Farris), Simon Pegg (Benji Dunn), Michael Berry jr. (Kimbrough), Bellamy Young (Rachel)

125 Min.

Kinostart:
4. Mai 2006

M:i:III

Vor der Vorführung erzählt der durch Fernsehserien wie Alias, Felicity und Lost bekannt gewordene Regisseur J. J. Abrams dem Berliner Pressepublikum davon, wie er Tom Cruise kennenlernte, und ganz erstaunt darüber war, daß es sich dabei um einen ganz normalen Menschen handelte, mit dem man sich ganz vernünftig unterhalten konnte - nur eben, daß er das Gesicht von Tom Cruise hat und man sich im Zaum halten muß, ihn nicht andauernd anzustarren. Diese Normalität wollte er auch bei Cruises Filmfigur Ethan Hunt einfangen, und als er Cruise von dieser Idee erzählte, bestätigte dieser, daß dies genau das war, was er auch wollte. Gähn!

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Die „emotionale Tiefe“, die die Figur bekommen sollte, bekommt sie auch - und das bereits in den ersten fünf Minuten des Films. Bevor die bekannte Lalo Schiffrin-Melodie erklingt und mal wieder eine Lunte angezündet wird, während die Darstellernamen die Leinwand verzieren, gibt es einen Prolog, der wahrscheinlich zum besten gehört, was man in der Filmreihe, die mittlerweile nur noch unter Abkürzungen wie MI17 läuft, je gesehen hat. Superagent Ethan Hunt erwacht, findet sich an einen Stuhl gefesselt und ihm gegenüber sitzt eine ebenfalls gefesselte junge Frau (Michelle Monaghan, bereits in Kiss Kiss, Bang Bang positiv aufgefallen), von der wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, daß es die Ehefrau Hunts ist. Außerdem ist da noch Hunts Gegenspieler, der Superkriminelle Owen Davian (Philip Seymour Hoffman), der von Hunt wissen will, wo die „Hasenpfote“ (der MacGuffin des Films) ist. Hunt entgegnet, daß er diese doch bereits übergeben habe, doch Davian lässt sich dadurch nicht beeindrucken, und droht damit, bis zehn zu zählen, bevor er Hunts Frau erschießt. Hunt argumentiert, handelt, bettelt - und zur Manifestation seiner Drohung schießt Davian der wehrlosen und geknebelten Frau bereits bei „Sieben“ mal nebenbei ins Bein, woraufhin Hunt ein wenig die Fassung verliert, wüste Drohungen ausstößt und wie als Höhepunkt einer schauspielerischen Darbietung sogar eine Träne die Wange herunterlaufen lässt, während er an das Gute in Davian appelliert. Dann folgt die „Zehn“, der Schuß und der Vorspann beginnt.

Danach folgen allerdings noch zwei Stunden, in denen man neben dem üblichen Actionspektakel nun auch miterleben darf, wie Ethan und Julia sich verloben und heiraten, wie diese Ehe unter Ethans Job und der Geheimhaltung dessen leidet - und je länger man dies miterlebt, umso klarer wird, daß der Film sich irgendwie aus der Prämisse seines Prologs, daß diese Frau bereits tot ist, bevor wir sie das erste Mal haben sprechen hören, herauswinden muß.

M:i:III wandelt irgendwo auf Pfaden zwischen James Camerons True Lies (dem wohl besten Beweis, daß „emotionale Tiefe“ sich nicht automatisch durch die Ehe eines Superagenten einstellt) und On Her Majesty’s Secret Service, jenem unterschätzten Bond-Film mit George Lazenby, bei dem James Bond gegen Ende heiratet, nur damit seine von Diana Rigg gespielte Gattin während der Flitterwochen vom bösen Blofeld (diesmal Telly Savalas) niedergemäht werden darf. Und in meinen Augen hat dies dem Panini-Abziehbildchen-Helden Bond durchaus „emotionale Tiefe“ verliehen. Immer nur mitanzuschauen, wie Felix Leiter angeschossen wird oder dessen Eheweib verliert, ist auf Dauer eher wenig ergiebig.

Der narrative Kniff des Prologs funktioniert ganz gut, man erlebt nach und nach mit, wie Hunt den Zorn Davians auf sich zieht, dieser die Attacke auf Hunts schimmerlose Gattin bereits androht, und er trotz perfekter Planung von Hunts Team mit der üblichen Hilfe eines Verräters wieder entkommen kann, weshalb Hunt mal wieder einen unmöglichen Diebstahl bewerkstelligen muß, den der Film diesmal größtenteils elliptisch ausspart, weil die „emotionale Tiefe“ halt wichtiger ist als die Hasenpfote, die offenbar niemandem Glück zu bringen scheint.

Doch auch, wenn der Film durchaus unterhaltsam ist, verliert er immer mehr an Drive (Fernsehfolgen gehen halt keine zwei Stunden), und nach der elliptischen Aussparung dessen, was zuvor immer der Höhepunkt der Mission: Impossible war, ist dann insbesondere die Abrechnung mit den zwei Schurken jeweils eine Sache von wenigen Sekunden, während eine andere Szene mit vermeintlichem „emotionalem Tiefgang“ (und MacGyver-ähnlichem Improvisationstalent) dann solange hinausgezögert wird, daß ich den Kommentar eines Kritikerkollegen „Bitte, laß ihn sterben …!“ durchaus nachvollziehen konnte.

Bei den unzähligen verknoteten Handlungssträngen merkt man es nicht unbedingt sofort, aber die Auflösung des Eheproblems ist dann im Endeffekt doch fast so ärgerlich reaktionär wie damals bei Cameron. Wenn Hunt irgendwann im Film mal sagt, daß er an seiner Frau liebt, daß sie so ist, wie er vor der ganzen Ausbildung und dem alltäglichen Totschlag war, dann darf sie natürlich nicht so bleiben, sondern bekommt zum Schluß nach kurzer Betriebsanleitung Hunts Wumme in die Hand gedrückt und zeigt sich als genau so gelehrig wie seinerzeit Jamie Lee Curtis in True Lies. Und damit wirkt der Film gegen Ende auch ein wenig verlogen, denn weder das Action-Publikum noch jene, die die „emotionale Tiefe“ mögen, bekommen letztendlich das, was möglich gewesen wäre. Dennoch würde ich den Film als bisher gelungensten der Serie einordnen (ist allerdings auch fünf bzw. zehn Jahre her, seit ich die anderen Folgen gesehen habe), schon wegen seiner Besetzung, denn insbesondere Philip Seymour Hoffman, Jonathan Rhys Meyers und zu gewissen Teilen auch Billy Crudup und Michelle Monaghan sind für mich durchaus bessere Gründe, sich den Streifen reinzuziehen als die ach so (gähn!) gefährlichen Stunts, auf die sich Hauptdarsteller, Produzent und Superheld Tom Cruise freiwillig eingelassen hat - was in der Öffentlichkeitsarbeit des Films nicht oft genug betont werden kann.

Jajaja, bist schon ein tolles Kerlchen, Tommyboy, jetzt grins noch mal für die Kamera - aber Mitglied in Deinem komischen Verein werde ich deshalb trotzdem nicht.