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November 2005
Thomas Vorwerk
für satt.org

Serenity
USA 2005

Filmplakat

Buch
und Regie:
Joss Whedon

Kamera:
Jack Green

Schnitt:
Lisa Lassek

Musik:
David Newman

Kostüme:
Ruth Carter

Production Design:
Barry Chusid

Conceptual „Reavers“ Illustrations:
Bernie Wrightson

Visual Effects:
Loni Peristere

Darsteller:
Nathan Fillion (Mal Reynolds), Summer Glau (River), Gina Torres (Zoe), Alan Tudyk (“Wash“), Adam Baldwin (Jayne), Jewel Staite (Kaylee), Sean Maher (Simon Tam), Morena Baccarin (Inara Serra), Ron Glass (Shephard Book), Chiwetel Ejiofor (The Operative), David Krumholtz (Mr. Universe)

Kinostart:
24. November 2005

Serenity

Als ich Serenity zum ersten Mal sah (das zweite Mal wird sich wohl erst nach dem Kinostart - und somit zu spät für diesen Artikel - einrichten lassen), hatte ich keinen Schimmer von Firefly - ich wusste nicht einmal, wer dieser Regisseur Joss Whedon sein soll. Und der Film hat mir trotzdem Spaß gemacht. Ein nichteingeweihter Zuschauer mag vielleicht ahnen, daß bei den Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Crew der Serenity vieles ungesagt bleibt, und man vielleicht auch etwas mehr Hintergrundinformationen hätte - für das Verständnis der Story ist dies aber nicht notwendig.

DVD-Cover

Ohne die geringste Vorahnung funktionieren die ersten zwei Szenen des Films wahrscheinlich sogar besser als für alte Firefly-Veteranen: Zunächst gibt es einen Einblick in schulische Erfahrungen der jungen River (die im Film - wie schon durch das Plakatmotiv angedeutet - eine Hauptrolle spielt, die selbst die des Captains der Serenity fast überschattet), der sich dann als eine andere Realitätsebene erweist. Doch auch bei der nächsten Szene haben wir es nur mit einer Illusion zu tun, und durch diesen Kniff betrachtet der Zuschauer das Nachfolgende zwar zunächst mit einer gewissen Distanz - es baut sich aber auch schon sehr früh ein Interesse für die Story auf, die im Endeffekt so gar nichts mit Illusionsrealitäten à la Total Recall, Matrix oder Simulacron 3 zu tun hat.

An dieser Stelle verlasse ich mal meine Eindrücke als Firefly-Novize und spule vor zu dem Zeitpunkt, an dem ich sämtliche 14 Folgen der Fernsehserie bereits gesehen habe (vor kurzem auch als DVD-Box erschienen) und mir im Nachhinein den Monate zuvor gesehenen Film an das vorzeitige Ende der Serie anzupappen versuchte (und weil dies nur ungenügend gelang, schaue ich mir den Film auch noch mal an - soviel steht fest!).

Joss Whedon, der Schöpfer der erfolgreichen Fernsehserie Buffy the Vampire Slayer (und des Spinoffs Angel), begann seine Karriere in einem früheren Leben als Drehbuchautor beim Film (Speed) und war sogar mal oscarnominiert für seine Mitarbeit an Pixars Toys. Im Jahr 2002 kreierte er die SF-Serie Firefly, die abgesetzt wurde, nachdem erst elf der vierzehn bereits fertiggestellten Episoden über den Äther gingen. Doch ähnlich wie bei der klassischen Star Trek-Serie oder Futurama kannte die Entrüstung der aufgebrachten Fans keine Grenzen, und nachdem sich durch den Abschluß der Star Wars-Saga und dem nach achtzehn Jahren erstmals unterbrochenen Reigen diverser Star Trek-Ableger plötzlich ein schnellstens auszufüllendes Vakuum für all die Sci-Fi-Nerds öffnete, gab man Whedon bei Universal grünes Licht für einen Firefly-Kinofilm, der den Titel Serenity bekam - genau wie das Raumschiff der Firefly-Klasse (und der Titel des ursprünglichen Pilotfilms der Serie), mit dem Captain Reynolds mit seiner Crew unterwegs sind.

Unter gewissen (vor allem amerikanischen) Science-Fiction-Enthusiasten hat Serenity bereits einen legendären Status entwickelt, weil Whedon mit konzertierten Preview-Aktionen des teilweise noch längst nicht fertiggestellten Filmmaterials die Vollblut-Firefly-Fans (auch „Browncoats“ genannt) immer wieder Blut lecken ließ und sich so bereits früh eine positive Mundpropaganda erzielen ließ. Oft ließ er bei solchen Anlässen auch eigens aufgenommene Einführungsworte abspielen, wie es auch bei der Pressevorführung zu Serenity geschah - und in Whedons Worten spiegelt sich neben seinem Sinn für Humor auch der Ausmaß des Phänomens Firefly:

Firefly went on the air a few years ago and was instantly hailed by critics as one of the most cancelled shows of the year. It was ignored and abandoned, and the story should end here. But it doesn’t, because the people who made the show and the people who saw the show - which is roughly the same number of people - fell in love with it a bit too much to let it go, too much to lay down arms when the battle looked pretty much lost.“
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Mit diesen Worten schließt Whedon wieder den Kreis zum Pilotfilm, doch so tief möchte ich gar nicht in die Materie eindringen, denn gerade die Nichtinformierten wollen ja wissen, warum sie sich den Kinofilm zur Serie anschauen sollen. Vom Budget her kann Serenity natürlich nicht mit Star Wars oder Trek mithalten, doch verglichen mit ähnlichen „Medium Budget“-SF-Produktionen wie den Riddick-Filmen oder Doom fällt sofort auf, daß hier Leute am Werk sind, die nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihr gemeinsames Kind Firefly lieben. Alle neun Hauptdarsteller der Serie tauchen auch im Kinofilm auf, darunter Kinodebütanten wie Jewel Staite oder Summer Glau, deren Karrierenbeginn man hier vielleicht miterleben kann. Doch es gibt auch bekannte Gesichter: Gina Torres kennt man aus dem zweiten und dritten Teil der Matrix-Trilogie, Alan Tudyk konnte sich als Komödiant in Filmen wie Dodgeball, A Knight’s Tale oder Patch Adams bewähren, Adam Baldwin hatte einen seiner bekanntesten Auftritte als "Animal Mother" in Stanley Kubricks Full Metal Jacket.. Und Nathan Fullian, der hier als Kriegsveteran und Captain fungiert, spielte in einem der bekanntesten (Anti-)Kriegsfilme des letzten Jahrzehnts mit: In Saving Private Ryan war er der „falsche“ Soldat Ryan …

Zum bereits erfolgten Vergleich zu Pitch Black oder Doom kann ich nur zufügen, daß die Action in Serenity eine übergeordnete Rolle spielt. In der Fernsehserie gab es zwar auch oft Reibereien in Tavernen, Schießereien und dergleichen, der Kinofilm lässt aber die Western-Parallelen der Fernsehserie größtenteils hinter sich und konzentriert sich weitaus mehr auf die gängigen Eckpfeiler erfolgreicher Space Operas: Technologie und immer wieder Konflikte (und in diesem Fall auch viel Martial Arts-Choreographie).

Eine kurze Zusammenfassung der Fernsehserie Firefly (die man aber zum Verständnis des Films wie gesagt nicht benötigt): Im aussichtslosen Kampf der sogenannten „Browncoats“ gegen die übermächtige „Alliance“ (vgl. das Imperium bei Star Wars) waren Zoe (Gina Torres) und ihr Vorgesetzter Mal (Nathan Fillion) zwei idealistische Soldaten, die sich nach der Niederlage dazu entschlossen, sowohl mit Überfällen und Schmuggelaktionen ihren Lebensunterhalt zu verdienen, aber nebenbei auch immer wieder der „Alliance“ etwas Sand ins Getriebe zu schütten, solange es nicht zu gefährlich wird. Die Parallele zu Han Solo ist unübersehbar.

Die Serenity ist zwar kein Millenium Falcon, aber dafür ist Zoe auch kein Wookie, sondern eine trotz ihres Armeetrainings durchaus zu Gefühlen fähige Frau, die den Piloten der Serenity (Alan Tudyk als Wash) organisiert und diesen kurz darauf ehelicht. Die Crew wird ergänzt durch den nicht immer integren Jayne (Adam Baldwin) als Waffenspezialisten für brenzlige Situationen und die lebenslustige Technikerin Kaylee (Jewel Staite). Die als „Companion“ (eine Art glorifizierte Prostituierte, die aber im Firefly-Universum gut angesehen ist und fast diplomatische Immunität genießt) tätige Inara (Morena Baccarin) hat einen Deal mit Captain Reynolds und nutzt eines der zwei Shuttles, um größtenteils selbstständig ihre Klienten aufzusuchen (wobei man kurz erwähnen sollte, daß es zwischen dem Captain und Inara gewaltig knistert, auch wenn er sie immer wieder abschätzig als „Hure“ - kein politisch korrekter Begriff für einen „Companion“ - bezeichnet).

Im Pilotfilm kamen außerdem noch einige Passagiere an Bord, von denen drei dort verblieben. Der mitunter sehr weltliche - und etwas suspekte - Geistliche Shephard Book (Ron Glass) vermittelt immer wieder zwischen den teilweise gar nicht gut aufeinander zu sprechenden Crewmitgliedern, und der aus der Oberschicht stammende Doktor Simon (Sean Maher) übernahm den Posten als Mediziner auf dem Schiff nur, weil seine jüngere Schwester River (Summer Glau) aus unerfindlichen Gründen von der „Alliance“ gesucht wird, und nun als Flüchtling auf dem Schiff versteckt wird - im Kinofilm erfährt man endlich, warum die „Alliance“ hinter River her ist und bekommt auch einen Einblick in die durchaus etwas zerrüttete Psyche der jungen Frau, die sich plötzlich (in der Serie gab es schon Andeutungen) als genetic engineered super soldier erweist.

Nicht nur lehnt sich die backstory mit dem Unabhängigkeitskrieg an die entsprechende Phase der US-amerikanischen Geschichte an, auch waren bei Firefly immer wieder deutliche Anleihen an das Westerngenre zu erkennen: Sämtliche durch Terraforming fruchtbar gemachte Kolonien der Menschheit sahen aus wie Texas oder Nevada, es gab Saloonschlägereien, Pistolen- (und andere) Duelle, Zugüberfälle und Viehtrecks - von alledem merkt man im Kinofilm nicht mehr soviel, was aber wenig überraschend ist, da die Sci-Fi-Nerds, die Firefly im Herbst 2002 auf Fox TV sahen, von diesen Anklängen zumeist auch nicht begeistert waren. Ich persönlich fand es hingegen sehr charmant, wenn jemand etwa durch eine Scheibe flog und im Staub der Hauptstraße landet, nur daß die Scheibe sich als holographische Imitation sofort wieder in den Normalzustand versetzte. Technologie spielte in der Fernsehserie (auch aus Budgetgründen?) nie eine große Rolle und auch Aliens tauchten nie auf (sieht man mal von einem in einer Freakshow als Alien angepriesenen mutierten Kalbsfötus ab).

Im Kinofilm gibt es zwar auch keine Aliens im eigentlichen Sinne, aber als Horrorelement bekommt man nun erstmals die sagenumworbenen „Reavers“ zu sehen, von denen Zoe im Pilotfilm bereits eine (ehr)furchterregende Definition gab:

“If they take the ship, they rape us all to death, eat our flesh, and sew our skins into their clothing - and if we’re very very lucky, they do it in that order.“

In der Serie sah man nur einmal die Überreste einer von den Reavers dezimierten Crew, im Kinofilm werden sie mehr in den Mittelpunkt verschoben, und werden abgesehen von der „Alliance“ und deren neuerfundenem „Operative“ (Chiwetel Ejiofor) zu den Hauptantagonisten der Serenity. Wozu man sie natürlich auch mal sehen muß - und die sehr an Zombies der Kategorie „modern type“ (also eher verdammt fix als tolpatschig) erinnernden Kreaturen wurden von niemandem geringeren als Bernie Wrightson (jedem Freund von Horror-Comics ein Begriff) „designt“.

Was kann ich noch sagen, ohne zuviel zu verraten? Es werden noch einige offenliegende Erzählstränge der Serie zusammengeführt, die zwischendurch etwas eigentümlich erscheinende Dramaturgie des Films macht gegen Ende doch wieder Sinn - und man sollte sich keineswegs darauf verlassen, daß am Ende alle neun Crewmitglieder für einen (eher unwahrscheinlichen) zweiten Kinofilm noch zur Verfügung stehen …