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Juli 2005
Thomas Vorwerk
für satt.org

Lovesong für Bobby Long
USA 2004

Lovesong für Bobby Long (R: Shainee Gabel)

Buch
und Regie:
Shainee Gabel

Lit. Vorlage:
Ronald Everett Capps

Kamera:
Elliot Davies

Schnitt:
Lee Percy, Lisa Fruchtman

Musik:
Nathan Larson

Darsteller:
John Travolta (Bobby Long), Scarlett Johansson (Purslane Hominy Will), Gabriel Macht (Lawson Pines), Deborah Kara Unger (Georgianna), Dane Rhodes (Cecil), David Jensen (Junior), Clayne Crawford (Lee), Sonny Shroyer (Earl), Walter Breaux (Ray)

119 Min.

Kinostart:
21. Juli 2005

Lovesong für Bobby Long

In ihr Spielfilmregiedebüt hat die Drehbuchautorin und Dokumentarfilmerin Shainee Gabel viel Liebe und Zeit investiert, und mit einer gewissen Verspätung kommt der Film nun auch in die deutschen Kinos. Scarlett Johansson, der up-and-coming Star dieser Tage, an der Seite von John Travolta, dessen letzter guter Film (A Civil Action, 1998) mittlerweile ein gutes halbes Jahrzehnt zurückliegt. Bei so einer Besetzung kann man mit Recht erstmal skeptisch sein, doch schon bald zeigt sich, daß Shainee Gabel eben wusste, was sie wollte - und John Travolta kann als heruntergekommener Literaturprofessor mit Alkoholproblem durchaus überzeugen. Gerade in den ersten Szenen des Films, wo man ihn nur von weitem oder im Detail sieht, wirkt Travolta um Jahre gealtert. Leider kann sich dieser Eindruck nicht durch den ganzen Film durchsetzen und auch jene Stelle in seinem Gesicht, die mal "zu Brei" geschlagen wurde, sieht leider nur aus wie ein Senffleck, doch diese kleinen Details können einem den Spaß an diesem Film und dieser Darstellung nicht verderben.

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Auch Scarlett Johansson ist gefordert, soll sie doch eine ebenso hoffnungslose junge Frau vom Schlage white trash spielen, die man ihr natürlich nur schwer abnimmt. Doch wenn sie Schokodrops mit Erdnussbutter ist oder sich lautstark mit ihrem Boyfriend Lee ("Machst Du was zu essen, dann hole ich einen Porno aus der Videothek und wir machen uns einen schönen Abend") "unterhält", ist man zumindest gewillt, sich auf diese Geschichte einzulassen.

Die ehemals vielversprechende Sängerin Lorraine, die mit Bobby Long (Travolta) und dessen Ex-Assistenten Lawson (Gabriel Macht, in The Recruit ein Kollege von Colin Ferrell) in einem heruntergekommenen Haus am Rand von New Orleans nur noch von einem Drink zum nächsten lebte, ist verstorben, und ihre Tochter (Johansson), um die sie sich nie besonders kümmerte, erfährt zwar zu spät von der Beerdigung (oben erwähnter Boyfriend ging davon aus, daß sie nicht interessiert sei), schaut sich aber zumindest mal das Haus an, in dem sie für ein Jahr Wohnrecht "geerbt" hat, was Bobby und Lawson natürlich tierisch stinkt (selbst wenn sie für die Reize der jungen Frau mitunter empfänglich sind). Und auch die Frau mit dem malerischen Namen Purslane Hominy Will - zumeist Pursey genannt, und dafür von Bobby hin und wieder mit einem ähnlich klingenden Slangausdruck provoziert - fragt sich, womit sie so ein Erbe verdient hat: "sharing a shithole with two alcoholic strangers".

Lawson wollte mal einen Roman schreiben, doch zusammen mit seinem Ex-Prof ist er jetzt allenfalls mal mit kleinen Quizspielen um literarische Zitate beschäftigt (der Film beginnt dieses Spiel netterweise mit zwei Filmzitaten), ansonsten vegetieren die beiden intellektuellen Proletarier nur so vor sich hin, während Pursey, die eigentlich sofort die Schnauze voll hat, in einem alten Koffer ihrer Mutter einige Bücher findet und eines davon (The Heart is a lonely Hunter von Carson McCullers) trotz ihrer allenfalls rudimentär vorhandenen Schulbildung beim Warten auf den Zug verschlingt, um danach zurückzukommen.

Nach einigen Startschwierigkeiten wollen Bobby und Lawson Pursey bei einem nachgeholten Schulabschluß helfen, während diese im haus aufräumt und sogar versucht, die beiden von der Flasche wegzubekommen. Doch bei Leuten, die ihren Gin in Ermangelung von Orangensaft auch mal mit Gurkenwasser mischen, ist dies nicht einfach …

Ich will nicht zuviel von der Geschichte preisgeben, bei zwei Männern und einer Frau sind genügend Komplikationen möglich (und es gibt neben der im Geiste präsenten Lorraine sogar noch eine zweite Frau …), neben den guten Darstellern und der größtenteils überzeugenden Story ist es vor allem die Atmosphäre des Films, die bemerkenswert ist.

Schon zu Beginn des Films gibt es eine Einstellungsfolge, die an Jim Jarmuschs Down by Law erinnert (der ja ebenfalls in Louisiana spielt), und auch wenn Shainee Gabel noch lange nicht in der selben Liga spielt, kann man sich nach diesem Film nur wünschen, daß sie ihr nächstes Spielfilmprojekt schneller realisieren kann.