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Oktober 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Land of Plenty
D/USA 2004

Filmplakat

Regie:
Wim Wenders

Buch:
Wim Wenders, Michael Meredith

Kamera:
Franz Lustig

Schnitt:
Moritz Laube

Musik:
Thom & Nackt

Darsteller:
John Diehl (Paul), Michelle Williams (Lana), Richard Edson (Jimmy), Wendell Pierce (Henry), Burt Young (Sherman), Shaun Toub (Hassan), Bernard White (Youssef), Gloria Stuart (Alte Frau), Jeris Lee Poindexter (Charles), Rhonda Stubbins White (Dee Dee)

123 Min.

Kinostart:
7. Oktober 2004

Land of Plenty


Die Spielfilme von Wenders scheinen in letzter Zeit immer nach ähnlichen Gesichtspunkten gecastet zu sein: Man nehme einen älteren und/oder stoppelbärtigen Herrn (Harry Dean Stanton, Bruno Ganz, Bill Pullman) und eine bezaubernde junge Frau vom Schlage "Supermodel" (Nastassja Kinski, Andie McDowell, Milla Jovovich), und drapiere um sie herum eine Geschichte mit Themen wie "Amerika" oder "Berlin". Wenders neuester Film, die in Rekordzeit zwischen zwei Projekten entstandene Low Budget-Produktion Land of Plenty liefert in dieser Hinsicht nichts Neues. Die männliche Hauptrolle spielt der seit Anfang der 1980er in Nebenrollen verschlissene John Diehl, ihm zur Seite steht Michelle Williams, Anfang Zwanzig, bekannt aus Dawson's Creek, zuletzt als Bibliothekarin in The Station Agent aufgefallen, eine Nymphe, die an Björk, Milla Jovovich oder Marcia Gay Harden erinnert - nur halt in "blutjung". Immerhin geht es in dem Film nicht um eine Altherrenfantasie, sondern um ein unterschiedliches Onkel/Nichten-Paar.

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Lana (Michelle Williams) hat die Vereinigten Staaten mit sechs Jahren verlassen und sich mit ihren Eltern bzw. zuletzt nur ihrem Vater in Afrika oder Palästina herumgetrieben. Die gläubige junge Frau kehrt nun zurück und will ihren Onkel ausfindig machen, während sie in einer Mission in Los Angeles mithilft ("Thank you, God, for bringing me back to my own country").

Paul (John Diehl) ist ein Vietnam-Veteran, der immer noch unter seiner Bekanntschaft mit "Agent Pink" leidet und der nach dem 9/11-Anschlag unter Verfolgungswahn und Verschwörungstheorien zu leiden scheint. Gemeinsam mit seinem Adjutanten Jimmy (Richard Edson) überwacht er Araber und andere "shady" Personen, deren leere Kartons mit der Aufschrift Borax sicher auf einen Bombenanschlag hinweisen.

Lana findet unter der Adresse ihres Onkels nur Jimmy, der ihr aber dessen hochgeheime Handynummer "für Notfälle" gibt, und so vollzieht sich die erste Kontaktaufnahme telefonisch, bevor Paul Lana unauffällig in der Mission beobachtet, und dabei ausgerechnet Hassan wiederfindet, einen seiner plötzlich verschwundenen Verdächtigen. Als Hassan kurz darauf bei einem Drive-By-Shooting getötet wird und sein letztes Wort "Trona" lautet, wittert Paul ein Hauptquartier der Terroristen, Lana will den Körper des Verstorbenen nur zu den Angehörigen überführen und schließlich machen sie sich gemeinsam auf die Reise nach Trona …

Land of Plenty ist wie schon Twelve Miles to Trona, Wenders' Beitrag zu Ten Minutes Older, stark von (oftmals rhythmusorientierter) Musik beeinflusst, diesmal sind es zwei Songs von Leonard Cohen, die das Herzstück des Films ausmachen. Dummerweise ist dieses Herzstück allerdings auch der schwächste Teil des Films, denn nachdem sich der Film lange Zeit lässt, um seine zwei Hauptfiguren aufeinander eingehen zu lassen, folgt dann ein Ausflug nach Ground Zero und jede Menge 9/11-Betroffenheits-Sauce.

Dabei hatte man bis zur ebenso pathetischen wie antiklimaktischen Auflösung noch Hoffnungen an den Film. Wenn Michelle Williams sich wie einst Emily Watson in einem Zwiegespräch mit Gott verliert oder John Diehls Beschreibungen seiner Umwelt zunehmend satirischer erscheinen, sieht man nicht nur die Verbindung zwischen den auf unterschiedlichen Seiten des politischen Spektrum stehenden Figuren, man ist auch voller freudiger Hoffnung, wie Wenders wohl die Erwartungen des Publikums untergraben wird - doch nichts, statt subversiv endet der Film vor allem langatmig.

Land of Plenty führt schmerzhaft vor Augen, daß eine bloße Mixtur der üblichen Wenders-Elemente noch keinen überzeugenden Film zutage fördert. Wenn Lana auf dem Dach der "Bread of Life"-Mission tanzt und man gleich gegenüber das "Million-Dollar-Hotel" sieht, verleidet einem das Déjà-vu schon ein wenig den neuen Film, dem es nicht gelingt, angemessen spannend, witzig, erzählerisch oder auch nur ästhetisch herausragend zu sein. Einige Szenen wie die glückliche Aufnahme mit dem Kolibri oder der sehr überraschende Anschlag beweisen auch hier, daß Wenders ein Ausnahmeregisseur sein kann, doch das Endprodukt ist einfach nicht so brisant oder hochpolitisch, wie es wohl sein soll. Wenn Wenders auch noch in den Schlußeinstellungen die Worte "THE TRUTH SOME DAY" aus dem Cohen-Titelsong bedeutungsschwanger einblendet, weiß man endgültig nicht mehr, ob der Film ein überlanges Videoclip oder ein politisches Manifest sein soll. Umso trauriger, daß er in beiden Kategorien versagt.