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März 2003
Thomas Vorwerk
für satt.org

Das Dschungelbuch 2
The Jungle Book 2

USA 2002

Das Dschungelbuch 2 (The Jungle Book 2) (R: Steve Trenbirth)

Regie:
Steve Trenbirth

Buch:
Karl Geurs

Musik:
Joel McNeely

neue Songs:
Paul Grabowsky, Lorraine Feather

Stimmen im Original (Auswahl): John Goodman (Baloo), Joel Haley Osment (Mowgli), Phil Collins (Lucky), John Rhys-Davies (Ranjans Vater)

Deutsche Stimmen (Auswahl, in eckigen Klammern bekannte Synchronisierungen): Jürgen Kluckert [Samuel L. Jackson, Morgan Freeman] (Balu), Max Felder ["Tarzan", "Ron Weasley"] (Mogli), Arne Elsholtz [Tom Hanks, Kevin Kline] (Baghira), Hans-Michael Rehberg (Shir Khan), Wolfgang Spier (Kaa),

Kinostart: 27. März 2003


Das Dschungelbuch 2
The Jungle Book 2


Es soll Leute geben, die nie zufrieden mit dem Ende vom Disney-Klassiker "The Jungle Book" gewesen sein sollen. Das Mowgli sich nicht anständig von Baloo verabschiedet, und irgendeinem dahergelaufenen braunäugigen Mädchen fast blind folgt, war für mich immer ein gelungener Einschnitt, der das "coming-of-age" des Menschenjungen symbolisierte. Bei Disney hingegen, wo man neben diversen "direct-to-video"-Sequels in letzter Zeit mit den Fortsetzungen zu "The Rescuers" ("Bernard und Bianca") und "Peter Pan" auch die Kinoleinwände unsicher machte, wagte man sich an eine der vielleicht größten Herausforderungen, aber im Gegensatz zu den frühen Märchenfilmen war hier zumindest die Chance zu einer Fortsetzung gegeben.

Als Produzenten fungierten zwei Personen, die einzeln bereits für die Fortsetzungen zu "Peter Pan" und "Cinderella" (nie davon gehört) tätig waren, und der Regisseur liefert zwar hier sein Kinofilmdebüt ab, war aber immerhin schon an den Fortsetzungen zu "Aladdin", "The Lion King" und "Lady and the Tramp" ("Susi und Strolch") beteiligt.




Das Dschungelbuch 2 (The Jungle Book 2) (R: Steve Trenbirth)


Das Dschungelbuch 2 (The Jungle Book 2) (R: Steve Trenbirth)


Das Dschungelbuch 2 (The Jungle Book 2) (R: Steve Trenbirth)


Das Dschungelbuch 2 (The Jungle Book 2) (R: Steve Trenbirth)


Um gleich zur Sache zu kommen: "Dschungelbuch 2" ist weniger als eine Fortsetzung als ein Remake, ähnlich wie etwa "Rocky 2". Zwar gibt es ein anderes Ende als beim ersten Mal, aber ansonsten funktioniert die Geschichte trotz einiger neuer Figuren ziemlich ähnlich: Mowgli fühlt sich wohl im Dschungel mit Baloo, einige Gefahren wie die Schlange Kaa müssen überwunden werden und am Schluß gibt es die Konfrontation mit Shere Khan …

Allerdings beginnt die Geschichte dort, wo sie 1967 endete: Mowgli lebt mittlerweile im Menschendorf, die junge Schönheit Shanti hat nichts von ihrem Reiz verloren, und mit seinem neuen Bruder Ranjan hat Mowgli einen weiteren guten Freund gefunden. Doch genau wie er Baloo vermisst, sehnt auch der "Papa Bär" sich nach seinem kleinen Kumpan. Gegen den Widerstand von Bagheera und der gesammelten Elefantenherde unter Colonel Hathi macht sich Baloo auf ins Menschendorf, wo sich erstmals auch Shere Khan hingetraut hat. Mowglis kleine Freundin Shanti wähnt Mowgli durch einen wilden Bären entführt, alarmiert das nächtliche Dorf, und weil sich alle (berechtigterweise) darum kümmern, Shere Khan zu vertreiben, muss sie sich trotz ihrer Angst vor dem Dschungel allein aufmachen, um zu versuchen, Mowgli zu retten.

Natürlich hat man versucht, im Tonfall und der Animation möglichst nahe am übermächtigen Vorbild zu bleiben, doch auch, wenn ich hier nicht wie bei "Peter Pan 2" an Animes denken musste, missfiel es mir als Puristen, dass man etwa erschreckend viele Türkis- und Orangetöne einsetzte, die Farben die wenig überzeugenden "Air-Brush"-Computerschattierungen bekamen, die heutzutage wohl unumgänglich sind, und in manchen Szenen ist auch unübersehbar, dass der Computer aus dem Zeichentrickfilm dieser Preisklasse nicht mehr wegzudenken ist.

Bei den Songs ist es ähnlich: Einerseits übernimmt man sogar "The Bare Necessities" und "Colonel Hathi's March", andererseits können die neuen Songs zumindest mich nicht wirklich überzeugen. Bei "Jungle Rhythm" ist es immer noch interessant, dass Mowgli wie ein Rattenfänger mit seiner Musik die sich als Tiere verkleidenden Dorfkinder fast unterbewußt in den Dschungel entführen will, aber das in der ehemaligen Ruinenstadt (mittlerweile eine Art Disco inklusive natürlicher Lightshow) aufgeführte "W-I-L-D" gerät zu einer Musicalnummer, die meines Erachtens weder im Dschungel noch im "Dschungelbuch" etwas zu suchen hat. Unzählige Tierarten üben sich in streng choreographierten Tanznummern, und sogar Buchstabieren kann man hier besser als im Menschendorf.

Wahrscheinlich bin ich einfach zu alt, aber an manchen Stellen ließen sogar 6jährige in meiner Nähe verlauten "Oh, Gott!", und das waren keine Laute der Verzückung. Allzu kindgerecht erscheint mir vieles. Angefangen mit der von den unsäglichen Kommentaren Ranjans unterlegten Rekapitulation des ersten Films als Schattenspiel, bis hin zur Vergabe von Spitznamen wie "Baggi", einer durch stachlige Beeren in Micky Maus verwandelten Kaa oder die zu nette und zu klischeehaftige Dorfbevölkerung. Andererseits sind die bedrohlichen Szenen sehr viel bedrohlicher geworden, weil (wie man aus "Monsters, Inc." weiß) heutige Kinder angeblich nicht mehr so leicht zu schocken sind.

Während King Louie oder die Wölfe ganz aus dem Film verschwunden sind, gibt es einen fünften Geier namens Lucky (die ursprünglichen vier aus Liverpool distanzieren sich mehrfach von dem Neuzugang), der lange Zeit nicht nur Shere Khan auf die Nerven geht, bis jener ihm zeigt, dass man sich auch mit solch einem Namen nicht zu sehr aufs Glück verlassen sollte. Dies führt immerhin zu einer der positiven Veränderung des Films, denn der zunächst nur als gedemütigte Witzfigur ("Streifi" genannt …) auftretende Shere Khan bekommt so die Möglichkeit, zu zeigen, dass er nichts an Boshaftigkeit und Gefährlichkeit eingebüsst hat, und so reicht am Schluss auch kein am Schwanz befestigter brennender Ast. Andererseits frage ich mich allerdings, was riesige Tigerköpfe und unüberschaubare Lavamengen, wie man sie schon aus "Aladdin" kennt, plötzlich im Dschungel zu suchen haben …

Sicher werde ich mir den Film noch mal zusammen mit meiner Nichte anschauen, und vielleicht komme ich auch irgendwann mal in den Genuss der Originalfassung, aber ich kann nur inständig hoffen, dass man bei Disney nicht irgendwann die Frechheit besitzt, das "Dschungelbuch" als "Dschungelbuch 1" zu bezeichnen, denn in meinen Augen ist diese Fortsetzung eben nur ein zeitgemäßes Remake und die Disney-typische Fähigkeit, ohne viel Kreativität mehr Geld aus dem vorhandenen (Trickfilm-)Kapital zu machen.